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«Kartoffelsalat» – ein Film, den niemand braucht

Skurril: Drehszene zum YouTuber-Film Kartoffelsalat.
Skurril: Drehszene zum YouTuber-Film Kartoffelsalat.bild: take25 Pictures

«Kartoffelsalat» – ein Film, den niemand braucht

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Seit geraumer Zeit läuft der erste deutsche Spielfilm mit YouTube-Bekanntheiten in den Haupt- und Nebenrollen in deutschsprachigen Kinosälen. Videolix-Redaktor Justin Pollnik hat sich «Kartoffelsalat» angesehen. Und fragt sich, was die Macher eingeworfen haben, als sie das Drehbuch geschrieben haben.
14.08.2015, 15:3302.09.2015, 15:49
justin Pollnik / videolix
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Die Kino-Komödie, die laut Regisseur Michael Pate und Initiant des Filmprojektes Torge Oelrich aka FreshTorge nicht allzu ernst genommen werden sollte, wurde in nur wenigen Monaten von der Independent-Filmproduktionsfirma Take25pictures in Kooperation mit TransWaalFilm und einem niedrigen Budget von nicht einmal einer Million Euro vollständig produziert und deutschlandweit vermarktet.

Aussenseiter, Zombies, Retter

Kartoffelsalat handelt von dem jugendlichen und eher ausgegrenzten Schüler Leo Weiss, der aufgrund schulischer Probleme die Schule wechseln musste. Auf seiner neuen Schule fällt ihm die ─ wer hätte es gedacht? – Integration alles andere als leicht. Als dann auf einmal ein Zombie-Virus seinen Umlauf nimmt, nutzt Leo Weiss seine Chance und versucht seine Mitschüler vor der Infektion und Ausbreitung zu bewahren und die Zombies wieder zu Menschen zu dressieren. Dabei treffen die YouTube-Bekanntheiten FreshTorge, Simon Desue, Joyce Ilg, Doktor Allwissend, Y-Titty, DagiBee, BibisBeautyPalace, Die Aussenseiter, iBlali, Die Lochis, LifeWithMelina, Davis Schulz, Mr. Trashpack, Flying Uwe, Cengiz Drogul, Leon Machére und Shirin David auf klassische Schauspieler wie Florian Appelius, Norbert Heisterkamp, Katy Karrenbauer, Martin Schneider oder Otto Waalkes, wobei letzterer ausschliesslich in einzeln gedrehten Szenen zu sehen ist.

Alle 10 Sekunden ein Sprichwort

Michael Pate hat bereits vor dem offiziellen Kinostart von Kartoffelsalat in einem Interview erläutert, dass Kartoffelsalat ein Film für die Zielgruppe wäre und sich nicht an Kritiker richte. Damit wurden meine ohnehin geringen Erwartungen an den Streifen schon im Vorfeld noch um einiges verkürzt. Ich ging mit der Befürchtung ins Kino, dass ich gleich den wohl schlechtesten Film der letzten Jahre sehen werde ─ und mein Gewissen sollte leider Recht behalten. 

Beginnen wir doch mit dem offensichtlichsten Desaster des Filmes: Der Humor. Ich konnte Kartoffelsalat bereits in den ersten Minuten des Filmes nicht ernst nehmen. Der derartig flache Humor war im Kontext mit der Umsetzung des Filmes mehr als Fehl am Platz. Hätte man in einer Hollywood-Komödie während der Aussage, dass etwas «Käse sei» einen Käse aus der Handtasche geholt und auf den Tisch gelegt, vor welchem der Protagonist sitzt, hätten sich nicht nur alle Zuschauer weinend aus dem Kino entfernt, sondern hätten auch noch mit Heugabel und Fackel ihr Geld für das Kinoticket zurückverlangt. Nur, weil Kartoffelsalat als offensichtliche Trash-Komödie beworben wurde, darf der Film nicht alle – wirklich alle (!) – 10 Sekunden ein neues Sprichwort wortwörtlich umsetzen. Solche Gags müssen unerwartet und raffiniert kommen. Es darf nicht sein, dass ich bei der Aussage «Jetzt mal doch nicht den Teufel an die Wand» bereits im Vorfeld wusste, dass beim nächsten Schwenken der Kamera der Partnerprotagonist einen Teufel an die Wand malt.

Der Trailer zum Film

Handwerklich allerunterste Schublade

Wo wir schon bei Kameraschwenks sind: War es unbedingt nötig, dass die YouTuber auch die Kameras in die Hand nehmen mussten und sich vollständig um die Produktion des Filmes kümmern mussten? Ach, das haben sie gar nicht? Komisch, denn genau so kam es mir vor. Kartoffelsalat sah nicht aus wie eine mittelmässige bis gute Independent-Filmproduktion, sondern als wenn die Hauptprotagonisten Freshtorge, Philipp Laude, Dagi Bee und Co. die Produkton selbst in die Hand genommen hätten. Gut, okay: Kartoffelsalat wurde mit einem unglaublich geringem Budget in einer sehr

kurzen Zeit gedreht. Doch bei einem sechsstelligen Betrag und keinem zwingend nötigen Zeitdruck, wann der Film denn erscheinen muss, sollte es doch wohl kein Problem sein, die Softbox nicht nur dem gerade fokussierten Charakter vor die Nase zu stellen und sich ausgebildete Produzenten zu leisten, die den Hintergrund bei Konversationen nicht dauerhaft scharf stellen und nicht an chronischem Muskelzucken leiden.

Mensch, das kauft euch doch keiner ab

Ich habe zwischenzeitlich versucht, den übertriebenen, alten und meiner Meinung nach unlustigen und schlechten Humor sowie die derartig billige Umsetzung von Kartoffelsalat zwanghaft zu ignorieren, allerdings scheiterte ich damit genauso wie Michael Pate in seiner Rolle als Regisseur des Filmes. Ich habe es nicht geschafft, ich konnte Kartoffelsalat nicht ernst nehmen. Ich konnte Simon Desue die Rolle als aggressiven Mädchenschwarm der Schule, dessen IQ der ungefähren Aussentemperatur entspricht, nicht abkaufen. Ich konnte auch Philipp Laude die Rolle als chaotischen Aussenseiter, der ausschliesslich Games und Nerdkram im Kopf hat, nicht abkaufen. Und ich konnte vor allem nicht FreshTorge die Rolle als absolut zurückgeblieben Aussenseiter abkaufen. Warum? Weil sie es nicht sind.

YouTuber sind keine Schauspieler. YouTuber werden bekanntlich überwiegend für ihre Person anstatt für ihren Content abonniert. YouTuber strahlen Persönlichkeit und Authentizität aus und präsentieren sich als eine Person, die es kein zweites Mal gibt. Da ist es nicht möglich, dass Flying Uwe einen Polizist spielt und Bibi die absolute Schultunte ─ das kann man nicht ernst nehmen, auch nicht, wenn man sich darauf einlässt.

Immerhin eine gute Sache hat der Film

Kartoffelsalat hat mich auf ganzer Linie enttäuscht. Ich hatte nicht viele Erwartungen an den Film. Trotzdem war ich überrascht, dass diese durch eine unglaublich schlechte Umsetzung noch unterboten wurden. 

Wenigstens hat der Gute Laune-Soundtrack grosses Ohrwurmpotenzial. Es ist das einzig Positive, was ich im Nachhinein noch mit Kartoffelsalat verbinden kann. Hätte man diesen Film als mehrteilige Reihe auf YouTube veröffentlicht, hätte man einen deutlich innovativeren und fördernderen Weg für die Webvideobranche eingeschlagen. Hierbei hätte jedoch nicht nur die Finanzierung grosse Probleme bereitet.

Immerhin muss man zugute halten: Zugunsten der Produktionskosten verzichteten alle Schauspieler, welche grösstenteils hauptberuflich auf YouTube unterwegs sind, auf eine Gage im Vorfeld. Ihr Verdienst wird erst im Nachhinein und in Abstimmung mit dem Gewinn des Filmes ausgezahlt.

Dieser Beitrag wurde vom jungen Webvideomagazin videolix.net erstellt und watson zur Verfügung gestellt. 

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