Wissen
Umwelt

Enzym-Cocktail kann Plastikmüll sechsmal schneller abbauen

Plastikmüll, PET-Flaschen, Plastikflaschen (Symbolbild)
PET-Flaschen machen einen bedeutenden Teil des Plastikmülls aus. Bild: Shutterstock

Good News! Enzym-Cocktail kann Plastikmüll sechsmal schneller abbauen

06.10.2020, 19:44
Mehr «Wissen»

Plastik ist ein ungemein praktisches Material. Darum produzieren wir Unmengen davon – und schmeissen es nach Gebrauch weg. Kaum noch ein Ort auf diesem Planeten ist frei von Plastikmüll, weder die höchsten Gipfel noch die tiefsten Meeresgräben. Was ein Segen ist, wenn wir Plastik verwenden, ist ein Fluch, wenn wir es wegwerfen: seine Beständigkeit.

Und der Müll ist nicht nur ein ästhetisches Problem: Obwohl Plastik an sich nicht giftig ist, kann der Abfall zur tödlichen Gefahr für Tiere werden, die sich darin verheddern. Plastikmüll wird zudem zu Kleinstpartikeln zerrieben, die sich in Organismen ansammeln und über die Nahrungskette auch zu uns gelangen. Deren Auswirkungen sind noch weitgehend unklar.

Plastikmüll im Meer

1 / 21
Plastikmüll im Meer
Plastikmüll ist tödlich. (Bild: myplasticfreelife.com)
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Jeder Fortschritt, der bei der Eindämmung der Plastikflut hilft, ist daher willkommen. Das dürfte auch für das Forschungsergebnis eines Teams von Wissenschaftlern aus den USA und Grossbritannien gelten: Die Kombination von zwei bakteriellen Enzymen kann den Abbau des Kunststoffs Polyethylenterephthalat (PET) enorm beschleunigen. Das teilen Gregg Beckham vom National Renewable Energy Laboratory in Golden (US-Staat Colorado) und John McGeehan von der University of Portsmouth im Fachmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) mit.

Mikrobe mit nützlichen Enzymen

Die Enzyme PETase und MHETase kommen beim Bodenbakterium Ideonella sakaiensis vor, von dem man seit 2016 weiss, dass es Kunststoff abbauen kann. Die Wissenschaftler kombinierten die beiden Enzyme so miteinander, dass sie PET effektiver abbauen – aneinander gekoppelt zersetzen sie PET bis zu sechsmal schneller als das Bakterium. PET, dieser quasi omnipräsente Kunststoff, wird unter anderem für Flaschen und andere Behälter, Folien und Textilfasern verwendet. In der Umwelt sammelt sich dieser Kunststoff an, weil es Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauert, bis er sich zersetzt.

Plastikmüll, PET-Flasche, Plastikflasche (Symbolbild)
Die Beständigkeit von PET-Flaschen ist kein Vorteil mehr, wenn sie als Müll in der Umwelt landen. Bild: Shutterstock

Den Forschern gelang es, die dreidimensionale Struktur des Enzyms PETase aufzuklären und dessen Effizienz zu verdoppeln. Sie konnten es in eine Kieselalge einschleusen, die zum Abbau von Mikroplastik im Ozean eingesetzt werden könnte. Das Enzym ähnelt in seiner Wirkweise der Cutinase, einem Enzym, mit dessen Hilfe Pilze in Pflanzen eindringen. PETase zerlegt den Kunststoff PET in kleinere Terephtalat-Stücke. Das andere Enzym MHETase wandelt diese Stücke in Terephtalsäure (TPA) und Ethylenglykol um. Diese Chemikalien können dann weiter abgebaut oder als Rohstoff für neues Plastik verwendet werden.

«Chimären-Enzym» ist schneller

In Experimenten zeigte sich, dass die MHETase allein den Kunststoff nicht abbauen kann, sondern dazu die Vorarbeit der PETase benötigt. Zusammen zersetzten die beiden Enzyme das Plastik aber doppelt so schnell wie bei der PETase allein. Die Forscher verbanden darauf die beiden Enzyme in einem weiteren Schritt noch enger: «Unsere ersten Experimente zeigten, dass sie tatsächlich besser zusammenarbeiten, daher entschieden wir uns, sie physikalisch zu verbinden – wie zwei Pac-Man, die durch ein Stück Schnur verbunden sind», erklärte McGeehan in einer Mitteilung der University of Portsmouth.

Das neue «Chimären-Enzym», wie die Forscher es nennen, baut Plastik bis zu dreimal schneller ab als die beiden Enzyme getrennt. Da die PETase Kunststoff bereits durch die einfache Zusammenarbeit mit der MHETase doppelt so schnell abbaut wie allein, ergibt sich durch die Verbindung ein insgesamt um das Sechsfache erhöhtes Abbautempo im Vergleich zur Mikrobe.

3D-Strukturmodell des MHETase-Enzyms mit Benzoesäure im aktiven Zentrum.
3D-Strukturmodell des MHETase-Enzyms.Bild: Aaron McGeehan

Die Forscher sind überzeugt, dass solche Enzym-Cocktails und Enzym-Chimären künftig eine wichtige Rolle beim Abbau des Plastikmülls spielen und zum Aufbau einer PET-Kreislaufwirtschaft beitragen können. Der Einsatz von Enzym-Kombinationen könnte zudem das Problem lösen, dass sich nicht sortenreine Plastikabfälle kaum trennen und daher auch nicht zu neuem hochwertigen Plastik rezyklieren lassen. Diese Trennarbeit könnte von spezifischen Enzym-Cocktails übernommen werden.

(dhr)

Seepferdchen klammern sich nun schon an Plastik fest

Video: srf/SDA SRF
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Falle frisst Abfall, bevor er ins Meer gelangt
1 / 12
Diese Falle frisst Abfall, bevor er ins Meer gelangt
Der Grossteil des Plastikmülls in den Meeren wird über Flüsse eingetragen. Mit einer neuentwickelten Abfangvorrichtung will die Organisation «The Ocean Cleanup» diesen Zustrom nun auf ein Minimum begrenzen.
quelle: ap / peter dejong
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mikroplastik erreicht neue Höchstwerte im Mittelmeer
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Bronko
07.10.2020 00:48registriert April 2016
Grundsätzlich sehr interessant. Aber diese Behauptung ist erschreckend unseriös: "Obwohl Plastik an sich nicht giftig ist"... Es ist längst erwiesen, dass die Weichmacher und diverse andere Stoffe ähnlich wie Hormone wirken können und/oder krebserregend sind – nicht nur für den menschlichen Organismus.
515
Melden
Zum Kommentar
9
Lungenkrebsrisiko: Du rauchst? Dann solltest du unbedingt gesund essen!

Schon lange weiss man, dass die Ernährung einen Einfluss auf das Krebsrisiko hat. Eine Meta-Studie hat herausgefunden, dass eine fleischreiche Ernährung das Risiko für Lungenkrebs erhöhen kann – vor allem bei ehemaligen und aktiven Rauchern.

Zur Story