Wissen
Tier

Meisen in Atemnot, gelähmte Tauben, tote Stare: Was ist bei den Vögeln los?

Meisen in Atemnot, gelähmte Tauben, tote Stare – was ist da bei den Vögeln los?

In den vergangenen Wochen häufen sich Funde von kranken und toten Vögeln. Aktuell kursieren in Basel und in Deutschland gefährliche Erreger.
30.04.2020, 07:5401.05.2020, 06:14
Niklaus Salzmann / ch media
Mehr «Wissen»

Seit März verenden in Deutschland auffallend viele Blaumeisen. Sie leiden unter Atemnot, haben verklebte Augen, sitzen apathisch am Boden. Vergangene Woche kamen aus Basel Meldungen über kranke Tauben hinzu. Wenige Wochen zuvor wurden im Thurgau Dutzende tote Stare gefunden. Und das alles in Zeiten der Pandemie. Besteht ein Zusammenhang?

Blaumeise in Aktion
Dem Naturschutzbund wurden innert zwölf Tagen 26000 erkrankte Blaumeisen gemeldet.Bild: shutterstock.com

Die Meisen in Deutschland verenden tatsächlich an Lungenentzündungen. Doch mit Covid hat das nichts zu tun. Der Erreger wurde identifiziert, es handelt sich um ein Bakterium namens Suttonella ornithocola. Laut dem Naturschutzbund Deutschland befällt es fast ausschliesslich Meisen und unter diesen vorwiegend kleinere Arten wie die Blaumeise.

«Social Distancing» für Gartenvögel

Wie der Erreger übertragen wird, wissen selbst die Fachleute nicht mit Sicherheit. Man nimmt aber an, dass die Übertragung bei nahem Kontakt der Vögel untereinander am wahrscheinlichsten ist. Damit ist auch klar, wie sich die Ausbreitung bremsen liesse: Die Vögel müssten Abstand halten. Was tönt wie ein flacher Witz, ist tatsächlich ernst gemeint. Während wir Menschen auf den Besuch von Restaurants und Schwimmbäder verzichten, sollten Gartenbesitzer mit kranken Meisen aus denselben Gründen aufs Füttern verzichten und Vogelbäder entfernen.

Die Blaumeise ist in ihrem Bestand nicht gefährdet. Doch dem Naturschutzbund wurden innert zwölf Tagen 26000 erkrankte Vögel gemeldet. Sie konzentrieren sich auf einen Gürtel, der auf Höhe Frankfurt durch den Westen Deutschlands läuft. Auch Luxemburg und Belgien sind betroffen. Die Vögel in der Schweiz scheinen bislang verschont geblieben zu sein. Allerdings berichtet der «Südkurier» von einer Handvoll Fälle aus Konstanz. Es sei zu befürchten, dass sich die Epidemie auf den gesamten Bodenseeraum ausweite, sagte eine Expertin des Naturschutzbundes.

Die Taubenpest in Basel

Die Krankheit, die seit einigen Tagen in Basel Tauben dahinrafft, geht aber auf einen anderen Erreger zurück. Hinter der sogenannten Taubenpest steckt ein Virus, das über Futter, Trinkwasser oder über Sekret direkt von Taube zu Taube übertragen wird. Es kann zu Lähmungen der Flügel und Beine führen, worauf die Vögel verdursten oder verhungern.

In Basel gab es bis gestern 11 bestätigte Fälle. «Wir stehen noch am Beginn des Seuchenverlaufs», sagt Kantonstierarzt Michel Laszlo. Ein Seuchenausbruch könne einige Wochen anhalten, aber im aktuellen Fall liesse sich die Dauer noch nicht abschätzen. Der Verlauf hänge unter anderem davon ab, wie stark Tauben untereinander in Kontakt kommen, zum Beispiel an zentralen Futterstellen.

In Basel-Stadt ist das Füttern von Tauben seit letztem Herbst verboten. Im März wurde das Verbot aus Tierschutzkreisen infrage gestellt: Weil die Menschen zu Hause blieben, lägen kaum mehr Essensreste herum und die Tauben hungerten. Die Behörden sehen das anders, wie sie vergangene Woche bekräftigten – an Futterstellen könnten sich Tauben infizieren und es herrsche keine Futterknappheit.

Wer einen kranken oder toten Vogel findet, sollte ihn nicht mit blossen Händen anfassen.

Das Virus kann auch auf Menschen übergehen, ist für uns aber nicht gefährlich. Es löst allenfalls eine Bindehautentzündung oder leichte Grippesymptome aus. Wer einen kranken oder toten Vogel findet, sollte ihn nicht mit blossen Händen anfassen. Auch eine Übertragung auf Geflügel ist nicht auszuschliessen und könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass der gesamte Geflügelbestand eines Betriebs getötet werden muss.

Wie das Virus den Weg nach Basel gefunden hat, ist unbekannt. Die letzten Fälle in der Schweiz gab es laut dem Bundesamt für Veterinärwesen im November im Kanton Jura. Michel Laszlo vom Kanton Basel-Stadt sagt: «Das Virus zirkuliert in den Wildtaubenbeständen und es gibt immer wieder spontan Ausbrüche in der Schweiz.» Er rechnet aber nicht damit, dass sich die Krankheit von Basel aus weiter ausbreitet, da Tauben in der Stadt relativ standorttreu seien. Brieftauben können sich ebenfalls infizieren, sind aber in der Regel geimpft.

Neue Erreger aus Afrika und Grossbritannien

Dem Bundesamt für Veterinärwesen werden seit dem Auftreten der Vogelgrippe in der Schweiz im Jahr 2006 vermehrt tote Vögel gemeldet. Es sei jedoch noch schwer zu sagen, ob tatsächlich mehr sterben oder sie nur häufiger gemeldet werden. Im Unterschied zur Taubenpest ist das Meisensterben in Deutschland ein neues Phänomen. Der Erreger war lange nur in Grossbritannien bekannt, den ersten Fall in Deutschland gab es vor zwei Jahren. Im selben Jahr führte dort das aus Afrika stammende Usutu-Virus zu einem Amselsterben. Auch in der Schweiz gab es Fälle.

Als Todesursache kommen aber nicht nur Krankheiten in Frage. Bei den rund 120 Staren, die im März im Thurgau tot oder halb tot gefunden wurden, fanden sich Lungenblutungen und Schädelverletzungen. Die plausibelste Erklärung ist laut der Vogelwarte Sempach eine Kollision eines Schwarms mit einem Fahrzeug wie einem Lastwagen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Högel – Wenn Hunde Vögel treffen
1 / 29
Die Högel – Wenn Hunde Vögel treffen
Was wäre unsere Welt ohne Högel? Diese putzigen Mixturen aus Hunden und Vögeln sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Jedermann liebt die flattrigen Räcker, wäre da nicht ...
quelle: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Schon mal so einen coolen Emu gesehen?
Das könnte dich auch noch interessieren:
58 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Maya Eldorado
30.04.2020 09:15registriert Januar 2014
Da konnte man doch diesen Frühling überall lesen, dass man kleine Tränken hinstellen soll, weil die kleinen Tiere wegen der Trockenheit kaum etwas zu trinken finden.

Zum Glück ist das im Moment kein Problem! Es regnet!
8310
Melden
Zum Kommentar
avatar
The Destiny // Team Telegram
30.04.2020 11:11registriert Mai 2014
Das liegt daran, dass die Tauben an ca. 9.81G leiden, eine äusserst bemerkenswerte Kraft.
6223
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kritiker
30.04.2020 14:08registriert März 2014
Wir können nicht weltweit Millionen von Tonnen Pestizide in der Umwelt versprühen und tatsächlich meinen, dass das keine Folgen hat, auf jeden Fall kann es die Immunabwehrkräfte schwächen, dass dann Tiere und Menschen anfälliger gegen Bakterien und Viren werden, ich weiss nicht was eigentlich noch alles passieren muss, bis auch der Letzte seinen Restgrips zusammen schüttet und einsieht dass es so nicht mehr weiter gehen kann, das nach Ebola, Schweinegrippe, Sars, Vogelgrippe und jetzt Corona, Zufall dass alles immer aus China kommt, das vermutlich schmutzigste Land ohne Umweltschmutzvorschriften, wenigstens bis jetzt, Zufall???
5823
Melden
Zum Kommentar
58
ETH Zürich sieht Top-Position wegen fehlender Mittel gefährdet

Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich sieht ihre Top-Platzierungen in den Hochschulrankings gefährdet. Das Budget werde in den kommenden Jahren nicht mit den weiterhin steigenden Studierendenzahlen Schritt halten können. Deshalb müssten einschneidende Massnahmen geprüft werden.

Zur Story