Einen Behälter mit Speichel füllen, und ab damit nach Übersee. Mehr muss niemand tun, der sein Erbgut von der Firma 23andMe abklären lassen will. Solche Gentests lassen sich online einfach und günstig durchführen. An diese neue Realität soll das Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen angepasst werden. Es ist eine «grosse Kiste», über die sich die Nationalräte zum heutigen Sessionsauftakt beugen.
Neu sollen auch Genuntersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs geregelt werden. So geht es nicht mehr nur um Erbkrankheiten wie Cystische Fibrose, sondern auch um die Erfassung von Ernährungstypen, Sportlerneigungen oder die Konsistenz von Ohrenschmalz. Die Frage ist, ob diese Unterscheidung in der Praxis funktionieren wird.
Das grösste Risiko von Gentests wie jenen von 23andMe liegt darin, dass die Person, die eine Untersuchung in Auftrag gibt, nicht abschätzen kann, was das für ihr Leben bedeutet. Sie ist mit einer Fülle von Informationen konfrontiert, die sie möglicherweise nicht versteht und nicht einordnen kann.
Was ein Gentest auslösen kann, zeigt der Fall von Angelina Jolie. Die US-Schauspielerin liess sich aus Angst vor Brustkrebs die Brüste entfernen. Das Problem: Bei ihr wurde keine Krankheit festgestellt, sondern nur ein erhöhtes Risiko, eines Tages daran zu erkranken. Das Wissen um Krankheitsrisiken kann bei Betroffenen zu psychischen Belastungen führen und sie zu unnötigen Therapien verleiten.
Zu reden geben dürfte im Parlament auch, wer ein Recht auf solche Informationen hat. Dürfen etwa Versicherungen Personen benachteiligen, deren Gene auf ein erhöhtes Risiko für Krebs, Alzheimer oder eine andere Krankheit hinweisen?
Geht es nach der Mehrheit der vorberatenden Kommission, sollen sämtliche Personen, welche eine Lebensversicherung abschliessen möchten, die Resultate von Gentests bekannt geben müssen, sofern sie solche gemacht haben. Bisher blieb den Versicherungen solches Wissen verwehrt, sofern der Kunde nicht eine besonders hohe Lebensversicherung über mehr als 400'000 Franken abschliessen wollte.
Ein weiterer umstrittener Punkt betrifft die Geschlechterselektion. Um ihr entgegenzuwirken, verbietet das Gesetz pränatale Tests, die darauf abzielen, das Geschlecht des Embryos zu einem anderen Zweck als der Diagnose einer Krankheit festzustellen. Wird das Geschlecht des Embryos aber im Zusammenhang mit einer krankheitsbezogenen Untersuchung entdeckt, ist die Rechtslage unklar. Das neue Gesetz sieht nun auch für diesen Fall ein Mitteilungsverbot vor.
Dagegen führt die Nationale Ethikkommission an, dass die vereinzelten Fälle von Geschlechterselektion keine allgemeine Einschränkung des Rechts auf Auskunft rechtfertigten. Das käme einem Generalverdacht gleich, und ein solcher sei nicht gerechtfertigt.
Zudem stehe ein solches Mitteilungsverbot in einem Spannungsfeld zum Schwangerschaftsabbruchsrecht: «Mit der Fristenregelung hat der Gesetzgeber Abstand davon genommen, die Motive einer Frau für einen Schwangerschaftsabbruch während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu bewerten», sagt Andrea Büchler, Präsidentin der Nationalen Ethikkommission. Dies stelle der Gesetzgeber aber wieder infrage, wenn er nun den Anspruch erhebe, zwischen erlaubten und verbotenen Gründen für eine Abtreibung unterscheiden zu können.
Der Gesetzgeber solle ganz grundsätzlich da- von absehen, Embryonen mit bestimmten Eigenschaften mehr als andere zu schützen, da sonst die Gefahr einer Einteilung in lebenswertes und lebensunwertes Leben drohe. (aargauerzeitung.ch)