Wissen
Leben

Sigurd der Mächtige: Wenn unverfrorene Wikinger-Prahlerei tötet

Flügelhelme trugen die Wikinger zwar genauso wenig wie Hornhelme, aber dargestellt werden sie trotzdem so auf fast jedem Bild.
Flügelhelme trugen die Wikinger zwar genauso wenig wie Hornhelme, aber dargestellt werden sie trotzdem so auf fast jedem Bild.
RIP LOL

Sigurd der Mächtige: Wenn unverfrorene Wikinger-Prahlerei tötet

14.03.2021, 19:0714.03.2021, 22:38
Mehr «Wissen»

Man kann sterben, wenn man versucht, eine Taschenbibel zu schlucken. Oder wenn man sich das Pinkeln vor lauter Etikette verkneift. Auch nicht unbedingt empfehlenswert ist es, dem Tango zuliebe das Kinn stolz zu erheben und den Blick zur Decke zu richten, denn es kann sein, dass man sich im fünften Stock befindet und geradewegs aus dem offen stehenden, bodentiefen Fenster heraustänzelt.

Auf ganz vielen Ebenen ist Analsex mit einem Pferd verkehrt. Sei gewarnt, die Gartenschnecke, die man für eine Mutprobe heruntergewürgt hat, kann sich auch acht Jahre später noch rächen. Und selbst wenn deine Scheiben bruchsicher sind, solltest du es im 24. Stock eines Hochhauses nicht unbedingt darauf ankommen lassen. Denn sie mag zwar tatsächlich nicht zerbrechen, wenn du dich dagegen wirfst, stattdessen aber vollkommen unversehrt aus dem Rahmen springen.

Willkommen zur Artikel-Reihe RIP LOL – Tode, die nicht ganz so würdig, dafür umso sinnloser sind. Die Frauenquote, das sei schon mal vorausgeschickt, wird gleich null sein, was in diesem Fall doch ziemlich schmeichelhaft ist.

RIP LOL
Die Entstehung dieses Formats ist unserem ehemaligen «Enthüller»-Kollegen zu verdanken. Claudio Gagliardi ist aus Gründen, die er hier lieber nicht nennen möchte, auf eine Liste mit besonders kuriosen Todesfällen gestossen, aus der wir uns nun wacker bedienen, um euch in diesen nicht ganz einfachen Zeiten ein wenig zu erheitern. Manch einem mag dies entschieden zu morbide sein, dann bitte nehmt uns die Grenzübertretung nicht allzu übel, über Humor lässt sich bekanntlich streiten.

Heute mit ...

... Sigurd dem Mächtigen!

Auch hier haben wir in Ermangelung eines Bildes von Sigurd ein Symbolbild gewählt: Der Stolz im hier dargestellten Gesicht mag wahrscheinlich sehr dem Original entsprechen.
Auch hier haben wir in Ermangelung eines Bildes von Sigurd ein Symbolbild gewählt: Der Stolz im hier dargestellten Gesicht mag wahrscheinlich sehr dem Original entsprechen.

König Harald Harfagri, Norwegens erster König, hat die Haare schön und die Nase voll.

Ersteres war der Natur, den Waschkünsten seiner Frau und den diversen Kämmen aus Horn und Bronze geschuldet, Letzteres dem plündernden und brandschatzenden Herumwüten einiger Wikinger in seinem Lande. Und so segelte der König mitsamt seiner gülden schimmernden und vom Winde wohl bald reichlich durcheinandergewirbelten Haarpracht gen Westen in Richtung Orkney. Denn auf jenen schottischen Inseln hockten die Friedlosen den Winter über und labten sich an der Beute, die sie aus Norwegen hergeschleift hatten.

Harald Schönhaar erhält das Königreich aus seines Vaters Händen; Darstellung aus dem isländischen Flateyjarbók, 14. Jh. Frisurentechnisch war es damals wichtig, dass das Haar oben glatt war und dann i ...
Harald Schönhaar erhält das Königreich aus seines Vaters Händen; Darstellung aus dem isländischen Flateyjarbók, 14. Jh. Frisurentechnisch war es damals wichtig, dass das Haar oben glatt war und dann in dichten Locken über die Schultern fiel. Krauses Haar an der Stirn hingegen war der Untergang.bild: wikimedia

Harald Schönhaar eroberte Orkney und die Shetlandinseln gleich dazu, ja er zog gar bis zur Isle of Man in der Irischen See und tränkte das dortige Ackerland mit dem Blut, das seine siegreichen Schlachten forderten.

880 wurden die Inseln zur neuen Grafschaft der Nordmänner und Sigurd Eysteinsson zu ihrem Grafen. Oder wie die Nordmänner selbst zu sagen pflegten: zu ihrem Jarl. Dieser Sigurd nun scharte jede Menge harte Kerle um sich, Thorstein den Roten beispielsweise, der Sohn Olafs des Weissen und Aud der Tiefsinnigen, und Ganging-Hrolf gar, der so riesig war, dass kein Pferd ihn tragen konnte. Mit deren Hilfe wütete er weiter im Lande der Pikten, unterwarf mehr und immer mehr Gebiete, sodass er sich schon bald den Beinamen «der Mächtige» hinzuverdiente.

Melbricta der Buckelige aber, der piktische Graf von Moray, stellte sich dem Kriegstreiber und Eindringling kühn entgegen. Die beiden Männer kamen überein, am nächsten Tag mit je vierzig Mann gegeneinander anzutreten. Sigurd aber hielt die Schotten für treulose Wortbrecher, für garstige Lügenbolde und so kam er entgegen der Abmachung mit achtzig Kriegern zum Schlachtfeld.

Als Melbricta des Betrugs gewahr wurde, rief er aus:

«Jetzt sind wir von Sigurd betrogen worden, denn ich sehe zwei Füsse eines Mannes an der Seite jedes Pferdes!»
Melbricta, Graf von Moray

Doch er verzagte nicht, noch räumte er das Feld. Er gebot seinen Männern, sie möchten ihre Herzen, mit denen sie eben noch Frau und Kinder geliebt haben, nun verhärten und zu Stein zu machen und hernach dafür zu sorgen, dass jeder einen Mann mit in den Tod nehme, ehe sie alle stürben.

Und so warfen sich Melbrictas Pikten todesmutig in die Schlacht, Sigurd aber hatte der Hälfte seiner Streitmacht befohlen, vom Pferd zu steigen und dem Feind in die Flanke zu fallen, sobald die anderen auf diesen losritten, um dessen Reihen und Leiber in Stücke zu hacken.

van Leemputten, Jef Louis; Viking Warriors Charging; Watford Museum; http://www.artuk.org/artworks/viking-warriors-charging-26311
Auch hier auf dem Gemälde von Jef Louis van Leemputten: einfach die Flügel wegdenken.bild: Watford Museum

Es war ein kurzer und harter Kampf, den die Pikten trotz gegnerischer Heimtücke tapfer ausfochten und den sie schliesslich mit ihrem Leben bezahlten.

Sigurds Niedertracht aber starb nicht mit ihnen, sie lief nach vollbrachtem Triumph nicht aus seinem Körper wie das warme Blut seiner tapferen Gegner. Ganz im Gegenteil sogar schien sie in all seine vom Blutrausch noch ganz zittrigen Glieder gefahren zu sein, wo sie nun seine Bewegungen zu lenken begann, seine Hände, wie sie jubelten über den schändlich errungenen Sieg und seine Füsse, wie sie über die Toten hinweggingen, als wären sie niemals Menschen gewesen.

Die Niedertracht hatte sich vollends seines Gemüts bemächtigt. Sie füllte alles aus, verdüsterte auch noch den letzten Rest seiner Seele und so liess er die herumliegenden Leichen köpfen und ihre Häupter an die Schweifriemen der Pferde binden. Mit diesen gedachte Sigurd zuhause seinen Ruhm zu mehren und merkte in seiner Verblendung nicht, dass sie einzig Trophäen der Schande waren, von einem ungerechten Tod grässlich verzerrte Fratzen, stumme Zeugen seines erschlichenen Siegs.

Seitlich des Hinterteils seines Schlachtrosses baumelte am Ledergurt Melbrictas Kopf herunter, doch als Sigurd losreiten wollte und das Pferd dafür mit seinem Fuss anspornte, bohrte sich der maximal hervorstehende Hasenzahn des piktischen Grafen unversehens in seine Wade. Vielleicht hat er gar bei seinem Durchbruch aus dem Kieferknochen schon das Schicksal seines Trägers geahnt und ist allein darum so schief gewachsen.

Denn die Wunde, die dieser Rache-Zahn nun im strammen Unterschenkel des kriegerischen Nordmannes hinterliess, schwoll an und wurde immer unansehnlicher. Allmählich begann sie gar fürchterlich zu stinken, es starb dort das Fleisch Sigurd des Mächtigen und bald auch der ganze Sigurd hintendrein.

Wahrheitsbox
Die Geschichte um den Tod von Sigurd Eysteinsson, der Mächtige genannt, ist in der Orkneyinga saga nachzulesen. Sie erzählt die Geschichte der ersten norwegischen Jarle auf dem schottischen Archipel Orkney.
Angefangen bei dem sagenhaften König Fornjótr aus dem hohen Norden Skandinaviens, beginnt mit der Eroberungsfahrt von König Harald Schönhaar (altnordisch «Harfagri») im Jahre 880 die historische Zeit: Sigurd wurde zum ersten Jarl von Orkney ernannt und nach seinem Tod, der sich in Wahrheit sicherlich ein wenig unspektakulärer zugetragen hatte als mit Hilfe eines giftigen Zahns, übernahm sein Sohn Guttorm das Jarltum.
Begraben wurde Sigurd in einem Grabhügel, der als Sigurðar-haugr bekannt ist, von dem altnordischen Wort «haugr», das Hügel oder Grabhügel bedeutet. Der Standort ist wahrscheinlich das heutige Sidera oder Cyderhall in der Nähe von Dornoch, möglicherweise wurde er aber auch in Burghead in Moray begraben.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
History Porn Teil LXII: Geschichte in 25 Wahnsinns-Bildern
1 / 27
History Porn Teil LXII: Geschichte in 25 Wahnsinns-Bildern
Wenn ein Polizist den Verkehr anhält, damit vier Hühner die Brücke im Hyde Park überqueren können, um 1966.
bild: facebook/vintageeveryday
quelle: hulton archive / douglas miller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hoodoo
14.03.2021 19:45registriert Februar 2014
Liebe Anna Rothenfluh, ich habe schon lange nicht mehr so gelacht beim Watson-Lesen!
Obwohl ich die Nordmannen sehr liebe und die Wikinger dazu. Grandios geschrieben, vielen Dank. Wenn doch nur der Geschichtsunterricht nur halb so interessant gewesen wäre!

Und sollte es mal ein Buch von dir geben, ich trage mich schon mal auf der Warteliste ein.
1633
Melden
Zum Kommentar
avatar
The oder ich
14.03.2021 20:23registriert Januar 2014
«haugr» versteht jeder Berner problemlos, bei ihm heisst er einfach Hoger (schliesslich stammen wir aus der gleichen Sprachenfamilie)
1044
Melden
Zum Kommentar
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
14.03.2021 20:18registriert Juni 2016
haugr im Altnordischen, Hogr / Hoger im Berndeutschen 😁

Anyway danke für den Süffigen Text 🤗
872
Melden
Zum Kommentar
28
Die dramati­sche Rettung der Komponistengebeine
Ein unglückliches Leben hatte Alberik Zwyssig (1808–1854), der musikalische Mönch aus Uri und Komponist des Schweizerpsalms. Post mortem wurde im Zweiten Weltkrieg dann noch seine Leiche ausgegraben und umgebettet.

Alberik Zwyssigs Vater, ein rauer Geselle, geriet in ein Handgemenge und wurde unter Vormundschaft gestellt. Daraufhin verdingte er sich als niederländischer Söldner, wo er prompt auf dem Feld sein Leben lassen musste. Mutter Zwyssig stand mit fünf Kindern alleine da, darunter Johann Josef Maria Georg.

Zur Story