Die Menschheitsgeschichte ist voll von seltsamen, abstrusen Begebenheiten. Hier sind 15 völlig willkürlich ausgewählte davon.
Rüebli – auch Möhren oder Karotten genannt – stehen schon seit tausenden von Jahren auf unserem Speiseplan. Die ersten kultivierten Gartenmöhren, die in schriftlichen Quellen auftauchen, wurden in Zentral- und Kleinasien angepflanzt. Später gelangten sie nach Westeuropa – wann genau, lässt sich nicht sagen. Sicher aber ist: Diese Karotten waren gelb oder lila, nicht jedoch orange.
Die erste orange Karotte, eine holländische Neuzüchtung, wird erst 1721 erwähnt. Der Legende nach wollten die Gemüsebauern in Holland damit Wilhelm von Oranien für seinen Freiheitskampf gegen Spanien ehren. Orange ist in der Tat die Farbe für das Haus Oranien, und noch heute wird die niederländische Fussballnationalmannschaft Oranje-Team genannt. Doch für die Legende gibt es keine Belege. Zweifellos aber waren es die Holländer, die aus den gelben Sorten das heute dominierende orange Rüebli herauszüchteten.
Frank Hayes war Pferdetrainer, nahm aber ab und zu an einem Pferderennen teil. Gewonnen hatte der 35-Jährige aber noch keins, als er am 4. Juni 1923 in Belmont Park bei New York zu einem Steeplechase antrat. Sein Pferd, Sweet Kiss, galt als klarer Aussenseiter, ging aber tatsächlich als erstes über die Ziellinie.
Doch Hayes konnte sich über seinen ersten und einzigen Sieg nicht freuen – er war tot. Irgendwann zwischen Start und Ziel hatte ihn eine Herzattacke gefällt, doch sein Körper blieb bis zum Ziel im Sattel. Das Publikum merkte nichts; erst als man Hayes zum Sieg gratulieren wollte, entdeckte man, dass er tot war. Ein möglicher Grund für den frühzeitigen Tod des Pferdetrainers: Er hatte in kurzer Zeit stark abgenommen, um am Rennen teilnehmen zu können. Das Pferd, heisst es, nannte man danach nur noch «Sweet Kiss of Death».
Zheng Yisao (1775-1844) hatte ein bewegtes Leben. In jungen Jahren war sie eine Prostituierte im südchinesischen Kanton, doch dieses Leben gab sie 1801 auf, um Zheng Yi zu heiraten, einen Anführer von Piraten. Als dieser sechs Jahre später umkam, übernahm Zheng das Kommando über die Piratenflotte und ging eine Allianz mit Zhang Baozai ein, einem beliebten Piratenanführer.
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht kontrollierte Zheng Yisao eine Flotte von etwa 200 hochseetüchtigen Dschunken mit je 20 – 30 Geschützen und bis zu 400 Mann Besatzung. Zusammen mit zahlreichen kleineren Flussschiffen dürften es insgesamt bis zu 1000 Schiffe und 100'000 Mann gewesen sein. Mit dieser Piratenarmee konnte Zheng sogar Kanton bedrohen. Der chinesische Gouverneur dort bot den Piraten deshalb eine Amnestie an, die Zheng 1810 akzeptierte. Die Piraten konnten in den Dienst der Marine treten, mussten dafür Schiffe und Waffen abgeben. Zheng Yisao lebte danach mit Zhang Baozai zusammen in Kanton und betrieb dort ein Spielkasino.
Der amerikanische Autor Morgan Robertson veröffentlichte 1898 einen Roman («Futility»), in dem es um ein riesiges Passagierschiff geht, das als unsinkbar gilt, aber nach der Kollision mit einem Eisberg im Nordatlantik doch sinkt. Das Schiff heisst «Titan». 14 Jahre später sank die «Titanic», ebenfalls im Nordatlantik. Wie die «Titan» hatte auch die «Titanic» nicht genug Rettungsboote für die Passagiere an Bord. Seither glauben manche Leute, Morgan habe eine Zukunftsvision gehabt.
Der ägyptische Pharao Pepi II., auch bekannt unter seinem griechischen Namen Phiops II., regierte im ausgehenden 22. Jahrhundert v. Chr. Er kam schon als Kind auf den Thron und ist bekannt für eine sehr lange Regierungszeit – und für sein System, Insekten von sich fernzuhalten. Der Pharao liess einen Sklaven in seiner Nähe mit Honig bestreichen, so dass die Fliegen auf diesen flogen und ihn selbst verschonten. Der Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung dürfte freilich eher niedrig sein.
Der Hitlergruss ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und Österreich verboten. Der «Führer» hat diese Grussform vermutlich von Benito Mussolini abgekupfert – der den Saluto Romano als römisches Erbe betrachtete. Das war er aber höchstwahrscheinlich nicht; er dürfte wohl erst im 18. oder 19. Jahrhundert erfunden worden sein.
Aber dann machte dieser Gruss – in jeweils leicht abgewandelter Form – Karriere: Als «olympischer Gruss» wurde er Teil der olympischen Symbole, was besonders bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin zu Missverständnissen führte. 1892 führten die USA den Bellamy Salute ein, der in den Schulen das Treuegelöbnis auf die US-Flagge begleitete. Als jedoch in den 30er-Jahren der Saluto Romano und der Hitlergruss in Europa das Bild bestimmten, wurde der Bellamy Salute zusehends peinlich. 1942 erliess der US-Kongress ein Flaggengesetz, das die heute übliche Grussform – die Hand aufs Herz – vorschrieb.
Es war ein Kampf zwischen ungleichen Parteien: Auf der einen Seite das British Empire, das rund ein Viertel der Welt umfasste, auf der anderen Seite das Sultanat von Sansibar, ein Stadtstaat vor der ostafrikanischen Küste. 1896, zum Zeitpunkt des bewaffneten Konflikts, war das Sultanat, das einst grosse Gebiete auf dem afrikanischen Festland beherrscht hatte und ein Zentrum des arabischen Sklavenhandels war, nur noch ein britisches Protektorat.
Der Grund für die Auseinandersetzung lag in einem Staatsstreich. Nach dem Tod des Sultans ergriff dessen Cousin mit deutscher Rückendeckung – die Deutschen kontrollierten mit Deutsch-Ostafrika die gegenüberliegende Küste – die Macht. Das duldeten die Briten nicht; sie halfen ihrem Kandidaten, einem weiteren Cousin, mit Waffengewalt auf den Thron. Der Krieg begann um 9 Uhr am 27. August 1896 und war um 9.38 Uhr zu Ende. Die Briten, die den Sultanspalast zuerst mit Schiffsgeschützen beschossen und dann mit Marineinfanterie stürmten, hatten fast keine Verluste. Auf sansibarischer Seite hingegen gab es hunderte von Toten und Verletzten.
In der Antike – und bis zum Ende des Mittelalters – glaubten viele Gelehrte, dass aus Samen aus dem linken Hoden Mädchen entstünden, während es bei Sperma aus dem rechten Hoden Jungen seien. Um sicher einen Sohn zu zeugen, banden manche Männer daher ihren linken Hoden ab – oder liessen ihn gleich ganz entfernen.
Laut anderen Theorien wiederum war die Temperatur des Samens entscheidend: Warmes Sperma zeugte demnach Jungen, kaltes Mädchen. Wieder eine andere Theorie richtete sich für die Geschlechtsbeeinflussung an die Frau: Sie sollte sich, wenn sie einen Sohn wünschte, gleich nach dem Koitus auf ihre linke Seite legen. So gelang das Sperma in ihre rechte Uterushälfte – wo dann eben männlicher Nachwuchs entstehe. Alle diese Theorien sind heute übrigens Makulatur.
1868 verliess Wilhelm Boeing seine Vaterstadt Hohenlimburg im heutigen Nordrhein-Westfalen, um sich in den USA eine neue Existenz aufzubauen. Mit einem Startkapital von 60 Dollar stieg er in Detroit in den Holzhandel ein. Und wurde reich. Sein Sohn, der sich ab 1900 Boeing nannte, gründete ein Luftfahrtunternehmen, aus dem später der Flugzeughersteller Boeing Airplane Company und die Fluggesellschaft United Airlines hervorgingen.
Der Stammbaum der Boeings lässt sich allerdings nicht mehr genau rekonstruieren – kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs bombardierten amerikanische B-17-Bomber aus der Produktion von Boeing das Städtchen. Dabei wurde das Geburtsregister vernichtet. «Ich kann mich erinnern, wie wir im Luftschutzkeller waren», erzählte Wulf Boeing dem «Handelsblatt», «aber es wurde nie gesagt, dass es Flugzeuge von unseren Verwandten waren. Wir wussten es zwar, aber für uns waren es die Flugzeuge der Engländer oder der Amerikaner, nicht der Verwandschaft.»
Sally Ride war die erste Amerikanerin und – nach zwei Russinnen – die dritte Frau im Weltraum. Ihr erster Flug ins All im Juni 1983 stellte die extrem männerdominierte US-Weltraumbehörde NASA vor ein Problem: Wie viele Tampons sollte die Astronautin für die rund sechs Tage im Orbit mitnehmen? «Ist 100 die richtige Menge?», fragten die Ingenieure. «Nein, das wäre nicht die richtige Menge», antwortete Ride.
Tatsächlich machten sich die NASA-Ärzte vor Rides Mission ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit. Da der Blutkreislauf in der Beinahe-Schwerelosigkeit im Orbit nicht so gut funktioniert wie auf der Erde, sammeln sich Körperflüssigkeiten eher in der oberen Körperhälfte an. Dies alarmierte die Ärzte: Würde auch das Menstruationsblut zurück in den Körper fliessen – und so womöglich eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung verursachen? Erst als eine Astronautin zum ersten Mal im All menstruierte, und zwar problemlos, verschwand die Frage endgültig vom Tapet.
Der Amerikanische Bürgerkrieg begann am 12. April 1861 mit dem Angriff der Konföderierten auf Fort Sumter. Die erste nennenswerte Landschlacht fand aber erst am 21. Juli statt; es war die Schlacht am Bull Run, die mit einem Sieg der Südstaaten endete. Die ersten Scharmützel dieser Schlacht ereigneten sich auf der Farm des Lebensmittelhändlers Wilmer McLean in Manassas, der danach wegzog, um dem Krieg zu entgehen. Er kaufte sich ein neues Anwesen weiter südwestlich – bei Appomattox Court House.
Eben dort kapitulierte der Südstaatengeneral Lee nach dem letzten Gefecht seiner Nord-Virginia-Armee am 9. April 1865. Auch wenn es an anderen Orten noch länger zu Kampfhandlungen kam, gilt doch Lees Kapitulation in Appomattox Court House als das Ende des Krieges. Weil das Gerichtsgebäude in Appomattox am Sonntag geschlossen war, unterzeichneten die Generäle die Kapitulation im Salon von McLeans Anwesen. So gilt McLean als der Mann, in dessen Vorgarten der Krieg begann und in dessen Wohnzimmer er endete.
Im September 1916 gastierte der Zirkus Sparks World Famous Shows in Kingsport im US-Staat Tennessee. Dort stellte der Zirkusdirektor einen Hilfstrainer für den Elefanten des Zirkus an. «Mighty Mary», wie das Tier genannt wurde, zertrat dem Mann am nächsten Tag den Kopf. Aus «Mighty Mary» wurde «Murderous Mary», und die lokale Presse berichtete über angebliche weitere Opfer des Elefanten. Der Zirkusdirektor fürchtete Volkszorn und Bankrott und machte daher selbst den Vorschlag, Mary hinrichten zu lassen.
Das Todesurteil wurde am 16. September in Erwin vor einer über 2500 Menschen zählenden Menge vollstreckt. Der fünf Tonnen schwere asiatische Elefant wurde mit einer Kette um den Hals von einem Industriekran hochgezogen, wobei jedoch die Kette riss. Mary stürzte zu Boden und brach sich die Hüften. Erst der zweite Versuch war erfolgreich. Marys Kadaver wurde neben den Bahngleisen verscharrt.
Ronald Reagan, zu Beginn seiner Präsidentschaft als Schauspieler belächelt, gilt mittlerweile als einer der bedeutenden Präsidenten des 20. Jahrhunderts. Lange vor seiner politischen Karriere – 1962 trat er in die Republikanische Partei ein, 1966 wurde er Gouverneur von Kalifornien – trat Reagan schon in den Dreissigerjahren als Model für Tabakwerbung auf. Seine hauptsächliche Arbeitgeberin war The Liggett & Myers Tobacco Company, die später nach einer Reihe von verlorenen Prozessen zugeben musste, dass ihre irreführende Werbung die gesundheitlichen Folgen des Rauchens verheimlichte. Obwohl Reagan dafür bezahlt wurde, Rauchen als cool erscheinen zu lassen, war er selbst Nichtraucher.
Der römische Kaiser Caligula (eigentlich Gaius Caesar Augustus Germanicus) gilt als Inbegriff des tyrannischen Herrschers und als Paradebeispiel für Cäsarenwahn, also einen durch uneingeschränkte Machtfülle ausgelösten Grössenwahn. Zu diesem wenig schmeichelhaften Bild gehört auch, dass Caligula sein Lieblingspferd Incitatus zum Konsul ernennen und ihm einen ständigen Sitz im Senat verschaffen wollte.
Allerdings hatte Caligula in der Antike eine sehr schlechte Presse; heutige Historiker sehen ihn differenzierter. Womöglich war der Kaiser also nicht wahnsinnig, sondern beabsichtigte lediglich, dem Senat zynisch dessen Machtlosigkeit vor Augen zu führen. Das hätte Caligula vielleicht ohnehin besser unterlassen: 41 n. Chr. wurde er ermordet.
In seinem Schreiben «Vox in Rama» warnte Papst Gregor IX. 1233 vor einer neuen Sekte von Teufelsanbetern in Deutschland. Zu deren entsetzlichen Ritualen gehörte gemäss dem päpstlichen Brief das Osculum infame («schändlicher Kuss») auf das Hinterteil eines schwarzen Katers. Der Bannstrahl aus Rom traf nicht nur die Ketzer, sondern auch die Katzen – der Franziskaner-Mönch Berthold von Regensburg leitete in seinen Predigten das Wort «Ketzer» von «Katze» ab und attestierte beiden Heimtücke.
Auch später – bis hin zu den Hexenverfolgungen in der frühen Neuzeit – mussten Katzen mit ihrem Leben für den christlich unterfütterten Aberglauben bezahlen. Die oft zu lesende Behauptung jedoch, die Katzen seien in Europa deswegen nahezu ausgerottet worden und dies habe den Siegeszug der von Ratten verbreiteten Pest ermöglicht, gehört ins Reich der Legenden.