Sind die täglichen Coronastatistiken Panikmache? Bringen Schutzmasken gar nichts? Sind die verordneten Einschränkungen im Alltag übertrieben und deshalb die Pandemie trotz der steigenden Zahlen gar nicht so schlimm, wie von Behörden und Medien dargestellt?
Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie vom Kantonsspital Aarau (KSA), geht auf diese Aussagen ein und gibt eine differenzierte Einordnung aus Sicht des Fachmanns.
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Chefarzt Christoph Fux: «Das ist aus mehreren Gründen eine schwierige Aussage.
Erstens: Die Zahl der Coronapatienten auf der Intensivstation ist ja nur der Endpunkt einer unheilvollen Entwicklung. Schaut man nur darauf, nimmt man sich jede Zeit, um rechtzeitig zu reagieren. Das ist, wie wenn man beim Spaghetti-Kochen das Gas erst zurückdrehen würde, wenn das Wasser schon auf Höhe des Pfannenrandes ist. So kann man ein Überschwappen nicht mehr verhindern.
Zweitens: Je mehr Angesteckte es in der Bevölkerung gibt, desto mehr müssen wir Alte und Menschen mit Vorerkrankungen schützen, das heisst vom Alltagsleben fernzuhalten. Wenn sich die Jüngeren etwas mehr einschränken, bringt man die Fallzahlen runter und das heisst Freiheit für die älteren Generationen.
Bei einer hohen Fallzahl werden zudem nicht nur die Intensivstationen, sondern auch die Bettenstationen stark belastet: Wir rechnen damit, das 5% der 60-70-Jährigen und 10% der 70-80-Jährigen mit einer Covid-19-Infektion hospitalisiert werden müssen.»
Chefarzt Fux: «Die Anzahl Hospitalisierungen korreliert vor allem mit dem Alter: Je älter, desto schwerer krank wird man. In der 1. Welle waren viele alte Menschen betroffen, die hospitalisiert werden mussten. Im Sommer haben sich dann fast nur junge Menschen angesteckt, bei denen die Infektion einen milden Verlauf nimmt. Aktuell zu Beginn der zweiten Welle liegt das Durchschnittsalter von positiv Getesteten bei 42 Jahren, 10 Jahre tiefer als in der ersten Welle. Das bedeutet automatisch weniger Hospitalisationen.
Nun, da wieder alle Bevölkerungsschichten betroffen sind, werden auch wieder mehr alte Menschen angesteckt und die Hospitalisationsraten wieder steigen. Auch die Anzahl Todesfälle kann man direkt aus der Fallzahl ableiten: Für die erste Welle im Frühling hat man Hochrechnungen gemacht, die zeigen: Hätte die Schweiz den Lockdown eine Woche vorher begonnen, hätte man 80 Prozent der Toten vermeiden können.
Hätte man umgekehrt den Lockdown nur drei Tage später begonnen, hätte es 1800 Tote mehr gegeben. So ist es auch jetzt: Auf hundert Neuinfizierte stirbt eine Person. Das ist im Aargau und in der ganzen Schweiz so. Das muss man in die Rechnung stets miteinbeziehen.»
Chefarzt Fux: «Theoretisch vielleicht. Aber das funktioniert in der Praxis nicht. Bei einer solchen Barriere zwischen Risikogruppen und Restbevölkerung würde es immer wieder zu Hygienefehlern mit Infektionen kommen. Darum braucht es verschiedene Sicherheitsstufen, um die Risikogruppen zu schützen.
Sich nur auf die Risikogruppen zu fokussieren, wäre ein Spiel mit dem Feuer. Man darf die Dynamik der Prozesse nicht unterschätzen. Am 1. Oktober war die Welt noch in Ordnung, die Zahlen waren tief. Sogar Mitglieder der Science-Taskforce sagten, wir machen es gut. Nur ein Monat später steht uns das Wasser bis zum Hals. Eine Bevölkerung im Verhalten zu führen braucht Wochen und Monate, das kann man nicht kurzfristig und eingeschränkt auf einzelne Gruppen durchsetzen.»
Chefarzt Fux: «Wir haben tatsächlich viel gelernt in den letzten Monaten: Wir mussten viele Medikamente aussortieren, die nicht funktionieren; dafür wissen wir jetzt, dass Blutverdünner und Kortisonbehandlung wichtig sind bei der Behandlung von Covid-Patienten. Trotz aller Verbesserungen haben wir leider aber immer noch eine relevant hohe und eindrücklich konstante Mortalität.»
Chefarzt Fux: «Für jemanden der im Spital arbeitet, ist so eine Aussage nicht nachvollziehbar. Ich gebe ein Beispiel: Meine Sekretärin hat sich privat mit Covid-19 angesteckt. Sie arbeitete bis zum Symptombeginn (man ist ja 2-5 Tage vor Symptombeginn bereits ansteckend) täglich in einem Viererbüro, hat dabei konsequent eine Maske getragen und sogar – mit Abstand, aber im selben Raum – mit ihren Kolleginnen zu Mittag gegessen. Niemand hat sich angesteckt. Wer Maske trägt und Distanz hält, minimiert das Risiko sich anzustecken.»
Chefarzt Fux: «Der Umgang mit Masken ist tatsächlich nicht ganz trivial. Man muss sich bewusst sein: Aussen an der Maske (oder innen, wenn man selber Träger ist) kann das Virus sitzen. Wann immer man die Maske berührt hat (die Bändel sind da viel sicherer), muss man Hände waschen oder desinfizieren. Und man soll die Maske auch nicht einfach in die Hosentasche stecken, sondern sie in einen Couvert oder einem Papiersäckli aufbewahren. Schädlich kann eine Maske nie sein, sie kann im schlechtesten Fall einfach nichts nützen.»
Chefarzt Fux: «Die bisherigen genetischen Veränderungen sind gering und vermögen unterschiedliche Krankheitsverläufe und Todesraten nicht zu erklären. Die Differenzen etwa zwischen der ersten und der zweiten Welle erklären sich dadurch, dass unterschiedliche Patientengruppen miteinander verglichen werden: Unterscheiden sich zwei Gruppen im Alter, ist auch die Mortalität unterschiedlich.
Testen wir zu wenig (in der 1. Welle konnten wir nur sehr beschränkt testen), verpassen wir viele kaum symptomatische Fälle, welche keine Spitalpflege brauchen und nicht sterben. Das erhöht dann die Sterblichkeit der diagnostizierten Fälle scheinbar.»
Chefarzt Fux: «Theoretisch ist das möglich. Das ist ein Spiel mit dem Feuer; der Preis dafür sind Leben. Ich staune immer wieder über den Mut gewisser Wirtschaftskreise, mit solch hohem Einsatz zu pokern. Wenn wir ohne Massnahmen weitermachen würden, nur weil wir zu dem Zeitpunkt alles noch im Griff und genug Platz in den Spitälern haben, verschliessen wir die Augen nur schon vor der Situation in zwei Wochen. Wir wollen nicht so weit kommen, dass es plötzlich zu wenig Intensivplätze hat, die Ärzte entscheiden müssen, wer noch einen Platz bekommt auf der Intensivstation und wer nicht.
Für eine Herdenimmunität bräuchte es zudem eine Vielzahl von weiteren Wellen; ein psychisch stark belastendes ständiges auf und ab.»
Hinweise zum Umgang mit Schutzmasken
Fachartikel zur Wirkung von Schutzmasken
Studienbericht über Einsatz von Schutzmasken in der Stadt Jena
Fachliteratur zur Gefährlichkeit des Virus und Sterblichkeit
Artikel zur Frage, warum Länder unterschiedlich grosse Sterblichkeit haben
Artikel mit der Antithese, Sterblichkeit sei überschätzt
Wenn man die Situation mal objektiv zu betrachten versucht, stellt sich aber schon die Frage, wie lange das jetzt so weiter gehen kann. Ganze Wirtschaftszweige werden vernichtet. Die psychologische Situation wird schwierig. Die Maskenobligatorien sind in den Kurven nach wie vor nicht abgebildet. In Deutschland starben im Grippewinter 17/18 20 000 Menschen. Bisher an Corona 10 000.
Vielleicht ist das Virus einfach ein Zurückschlagen der Natur weil wir zu viele sind und zu mobil.
Wie stellen wir uns die Zukunft vor?