Wissen
Astronomie

Farfarout – weiter draussen gibt's derzeit nichts im Sonnensystem

This illustration imagines what the distant object nicknamed “Farfarout” might look like in the outer reaches of our Solar System. The most distant object yet discovered in our Solar System, Farfarout ...
Die Illustration zeigt, wie Farfarout aussehen könnte. Die Sonne ist oben links zu sehen, diagonal durch das Bild zieht sich die Milchstrasse.. Bild: NSF's NOIRLab

Farfarout – weiter weg ist im Sonnensystem derzeit nichts

18.02.2021, 16:4319.02.2021, 19:12
Daniel Huber
Folge mir
Mehr «Wissen»

Alles ist eine Frage des Vergleichs: Unser Sonnensystem ist nur ein Stäubchen in der riesigen Ansammlung von Sternen, die man Milchstrassse nennt. Und diese wiederum fällt ins Nichts, wenn man sie mit dem sogenannten beobachtbaren Universum vergleicht. Gemessen an den uns vertrauten irdischen Dimensionen aber ist das Sonnensystem unfassbar gross – so gross, dass selbst ein Gasriese wie der Neptun von blossem Auge nicht sichtbar ist.

Lange galt der erst 1930 entdeckte Pluto als äusserster Planet, bis er 2006 zum Zwergplaneten degradiert wurde. Dieser Himmelskörper von etwa einem Drittel Erdmond-Grösse ist auf seiner exzentrischen Umlaufbahn im Schnitt 39-mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Und deren durchschnittliche Distanz zum Zentralgestirn beträgt auch schon knappe 150 Millionen Kilometer (dies entspricht einer sogenannten astronomischen Einheit, AE). In der Entfernung, in der Pluto die Sonne umkreist, erscheint die Sonne nur noch als heller Punkt am Himmel.

View from Pluto. Sun (right-top); Charon (left) (artist concept).
By ESO/L. Calçada - Pluto (Artist’s Impression), CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6219505
Künstlerische Darstellung der Pluto-Oberfläche mit dem Pluto-Mond Charon (l.) und der kleinen Sonne (r. oben) am Himmel.Bild: Wikimedia/ESO/L. Calçada

Doch mit Pluto ist noch lange nicht Schluss. Jenseits dieses Zwergplaneten gibt es noch eine ganze Reihe von Himmelskörpern, die ebenfalls um unsere Sonne kreisen und damit zum Sonnensystem gehören. Seit Pluto entthront wurde und Neptun als äusserster Planet gilt, werden sie transneptunische Objekte genannt, zu denen auch der Pluto zählt.

Diese Objekte sind meist nicht sehr gross und dunkel, was ihre Entdeckung und Beobachtung erschwert. Dank neuerer und grösserer Teleskope macht ihre Erforschung gleichwohl grosse Fortschritte – in schneller Folge wurden in den letzten Jahren mehrere Himmelskörper neu entdeckt. Darunter Objekt 2018 VG18, auf das ein Astronomenteam um Scott Sheppard von der Carnegie Institution for Science im November 2018 auf der Suche nach dem ominösen Planeten 9 stiess. Sie gaben ihrem Fund provisorisch den Spitznamen «Farout», was neben «weit draussen» sinngemäss auch «schräg» oder «toll» bedeuten kann.

Die Bahn von 2018 VG18 (weiß) im Vergleich zu anderen entfernten Planetoiden
Von Tomruen - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75167730
Die Bahn von Farout (weiss) im Vergleich zu anderen entfernten Himmelskörpern.Grafik: Wikimedia/Tomruen

Farout ist in der Tat weit draussen: Es ist das erste Objekt, das in einer Entfernung von über 100 AE entdeckt wurde. Seine Distanz zur Sonne beträgt 120 AE – das war klarer Rekord. Allerdings konnte Farout diesen Titel nur kurze Zeit halten: Sheppard und seine Kollegen hatten bereits im Januar 2018 mit dem 8,2-m-Subaru-Teleskop am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaii ein weiteres transneptunisches Objekt abgelichtet, das bis zum Januar 2019 unbemerkt blieb: 2018 AG37.

Animiertes GIFGIF abspielen
Aufnahmen des Subaru-Teleskops von Farfarout vom 15. und 16. Januar 2018. Das Objekt bewegt sich, während die Sterne und Galaxien im Hintergrund ihre Position beibehalten. GIF: Scott S. Sheppard

Zu Beginn war nur klar, dass dieses neue Objekt sich sehr weit draussen befinden musste. «Zu diesem Zeitpunkt kannten wir die Bahn des Objekts nicht, da wir nur die Subaru-Entdeckungsbeobachtungen über 24 Stunden hatten», bemerkte Sheppard später in einer Pressemitteilung.

Über der Hauptwolkenschicht schweben bei Sonnenuntergang zwischen den Beobachtungsstellen auf dem Vulkan Mauna Kea, Hawaii. Dargestellt sind Subaru Telescope, Keck I und II und NASA Infrared Telescope ...
Das Subaru-Teleskop (ganz links) auf dem Mauna Kea. Bild: Shutterstock

Erst weitere Beobachtungen im März 2019 mit dem 6,5-m-Magellan-Baade-Teleskop des Las-Campanas-Observatoriums in Chile sowie dem Gemini-North-Teleskop und Subaru-Teleskop auf Hawaii im Januar 2020 schufen Klarheit: Das nunmehr provisorisch «Farfarout» genannte Objekt ist mit derzeit 132 AE noch weiter von der Sonne entfernt als Farout – und fast viermal weiter als Pluto. Seine stark elliptische Umlaufbahn führt Farfarout in bis zu 175 AE Entfernung von der Sonne, während der sonnennächste Punkt seines Orbits bei 27 AE liegt – also noch innerhalb der Neptunbahn.

This illustration depicts the most distant object yet found in our Solar System, nicknamed “Farfarout,” in the lower right. Along the bottom, various Solar System objects are plotted according to thei ...
Die Entfernung von Farfarout zur Sonne im Vergleich zu anderen Himmelskörpern.Grafik: NSF's NOIRLab

Der lange Beobachtungszeitraum war notwendig, um die Bahn des Objekts sicher zu bestimmen, wie der an der
Entdeckung beteiligte Astronom David Tholen in einer Pressemitteilung erklärte. Farfarout, der mit einem Durchmesser von gut 400 Kilometern gerade noch ein Anwärter auf den Status eines Zwergplaneten ist, bewegt sich am Himmel nur sehr langsam: Etwa 1000 Jahre dauert ein Umlauf um die Sonne.

This illustration depicts the most distant object yet found in our Solar System, nicknamed “Farfarout,” in the lower right. In the lower left, a graph shows the distances of the planets, dwarf planets ...
Die Entfernung von Farfarout zur Sonne im Vergleich zu anderen Himmelskörpern, diesmal als Balkendiagramm.Grafik: NOIRLab/NSF/AURA/J. da Silva

Dabei kreuzt Farfarout jedes Mal den Orbit des Neptun. Die Anziehungskraft des Eisriesen könnte der Grund dafür sein, dass Farfarout eine dermassen langgestreckte Bahn beschreibt: «Farfarout wurde vermutlich in das äussere Sonnensystem geschleudert, als er vor langer Zeit dem Neptun zu nahe kam», stellte der Mit-Entdecker Chad Trujillo fest. «Farfarout dürfte in der Zukunft wieder mit dem Neptun interagieren, da ihre Umlaufbahnen sich nach wie vor kreuzen.»

Vorläufig ermittelter Orbit von 2018 AG37 (Farfarout)
Von Tomruen - JPL [1], CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=99765805
Der vorläufig ermittelte Orbit von Farfarout kreuzt die Neptun-Bahn, erreicht aber beim sonnenfernsten Punkt eine Distanz von 132 AE zum Zentralgestirn.Grafik: Wikimedia/Tomruen

Möglicherweise wird Farfarout sich dann noch weiter von der Sonne entfernen als auf seinem heutigen Orbit. Allerdings wird sein aktueller Rekord ohnehin nicht Bestand haben: Andere transneptunische Objekte, die sich derzeit näher zur Sonne befinden, werden ihn brechen. Dazu gehört etwa Sedna, die der Sonne nie näher als gut 76 AE kommt. In einigen tausend Jahren wird Sedna den sonnenfernsten Punkt ihrer extrem elliptischen Bahn erreichen und dann gut 888 AE von ihr entfernt sein.

Diese Grafiken zeigen die derzeitige Position Sednas im Vergleich zu anderen Objekten des Sonnensystems.
Von Oort_cloud_Sedna_orbit.jpg: Image courtesy of NASA / JPL-Caltech / R. HurtOriginal text cou ...
Die derzeitige Position von Sedna (oben rechts) im Vergleich zum äusseren Sonnensystem und zur Oortschen Wolke im äussersten Bereich des Sonnensystems. Grafik: Wikimedia/gemeinfrei

Aber Sednas Orbit ist bescheiden im Vergleich zur Umlaufbahn des transneptunischen Objekts mit dem kryptischen Namen «(308933) 2006 SQ372». Es wird den Rekord von Farfarout sogar regelrecht pulversieren: Während seiner mehr als 20'000 Jahre dauernden Umkreisung der Sonne wird es sich bis auf beinahe 1500 AE von ihr entfernen. Es wird dann so weit entfernt sein, dass das Licht der Sonne mehr als acht Tage benötigt, um diesen Himmelskörper zu erreichen. Bis zur Erde sind es gerade mal acht Minuten.

Baby-Galaxien

Video: Roberto Krone
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Bilder, die das Weltraumteleskop Hubble gemacht hat
1 / 29
Bilder, die das Weltraumteleskop Hubble gemacht hat

Bild: AP Photo/NASA
quelle: ap nasa
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mit einem Teleskop zur Sonne
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
34 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
paeuli.weischno
18.02.2021 19:32registriert Oktober 2017
Wieder mal ein grossartiger Huber Artikel. Vielen Dank, bitte mehr!
1801
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sälüzäme
18.02.2021 18:54registriert März 2020
Da heisst es wohl frühzeitg buchen sonst könnte es eine lange Rückreise werden. 😁

Ich finde solche Artikel toll und faszinierend, vermutlich weil sie etwas beschreiben das der Mensch nie haben wird und ihm nichts anderes als die Sehnsucht, Fantasie, Bewunderung und Neugierde bleibt.
1112
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bynaus
18.02.2021 17:31registriert März 2016
Farfarout ist *nicht* das Objekt, das derzeit am weitesten draussen ist. Die Kometen in der Oortschen Wolke sind viel weiter draussen (bis zu ca. 1.5 Lichtjahre). Es ist nicht mal das am weitesten von der Sonne entfernte Objekt, das man heute kennt, denn einige langperiodische Kometen, die vor Jahrzehnten und mehr sichtbr waren, sind nun sicher weiter draussen. Aber: es ist das Objekt, das zum Zeitpunkt seiner Entdeckung am weitesten draussen war. Ein Anzeichen dafür, wie empfindlich Teleskope geworden sind.
658
Melden
Zum Kommentar
34
Viel Blut fliesst in Gottes Namen – wie die «heilige Gret» sich kreuzigen liess
Im religiösen Wahn tötete eine Gruppe von Gläubigen 1823 zwei Frauen. Die Bluttat von Wildensbuch schockiert bis heute.

Familie Peter galt als sonderbar. Sie bestand aus Bauer Johannes, seit 1806 alleinerziehender Vater, mit seinen fünf Töchtern Elisabetha, Margaretha, Susanna, Barbara und Magdalena und einem Sohn. Das Familienoberhaupt wird als ordentlich und fleissig, aber auch als streitsüchtig, unehrlich und sehr abergläubisch beschrieben. Durch seine Angst vor dem Teufel wurde er zum religiösen Fanatiker und trat den «Erweckten» bei. Dies war eine christlich fundamentale Gruppierung, die ihre Legitimation durch persönlich erfahrene göttliche Erlebnisse begründete.

Zur Story