Bisher schrammte die Schweiz am «Unheil» vorbei. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr: Das US-Finanzministerium beschuldigt die Eidgenossenschaft, ihre Währung zu manipulieren und den Kurs des Franken zu drücken. So steht es im neusten Bericht zu den Währungspraktiken wichtiger Handelspartner, der am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Selbst die «Financial Times», ein Leitmedium der Wirtschaftswelt, berichtete prominent über das Verdikt aus Washington, das neben der Schweiz auch Vietnam traf. Die beiden Länder erfüllen alle drei vom US-Treasury aufgestellten Kriterien, als erste überhaupt seit 2015 und der erstmaligen Publikation eines Berichts zu diesem Thema.
Ein Dorn im Auge der US-Behörden ist der Warenhandelsüberschuss der Schweiz mit den USA, der die vom Ministerium festgelegte Marke von 20 Milliarden Dollar erneut übertroffen hat. Über vier Quartale per Mitte 2020 habe die Schweiz den Überschuss deutlich auf 49 Milliarden Dollar ausgeweitet und liege damit über den Vorgaben, heisst es.
Getrieben wird dieser Überschuss in erster Linie durch die Pharmaexporte. In diesem Jahr gab es wegen der Corona-Pandemie ausserdem einen Sondereffekt durch die weltweit gestiegene Nachfrage nach Gold. Die Schweiz ist ein wichtiger Handelsplatz für das Edelmetall, und auch die USA haben sich bei uns im grossen Stil damit eingedeckt.
Beim zweiten Kriterium beleuchten die Amerikaner die Leistungsbilanz eines Landes und stützen sich dabei auf Analysen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Überschuss der Schweiz beläuft sich im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) per Mitte 2020 auf 8,8 Prozent und übertrifft den vom Treasury gesetzten Schwellenwert von 2 Prozent deutlich.
Neu erfüllt die Schweiz auch das dritte Kriterium. Es betrifft die Interventionen der Nationalbank (SNB) am Devisenmarkt. Die Coronakrise machte den Franken erneut zu einer begehrten Fluchtwährung, weshalb die SNB im laufenden Jahr kräftig an den Märkten interveniert hat, allein von Januar bis Juni laut eigenen Angaben mit 90 Milliarden Franken.
Die Schweiz habe «im grossen Stil einseitige Interventionen vorgenommen, deutlich grössere als in früheren Fällen, um die Aufwertung des Franken zu verhindern und das Risiko einer Deflation zu reduzieren», heisst es im Treasury-Bericht. Man wolle auf die Eliminierung solcher Praktiken hinarbeiten, teilte US-Finanzminister Steven Mnuchin mit.
Die Nationalbank reagierte schnell auf den Bericht. Man sei weiterhin bereit, angesichts der wirtschaftlichen Lage und des anhaltend hoch bewerteten Frankens «verstärkt» am Devisenmarkt zu intervenieren, teilte sie mit. Das Ziel sei nicht, ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile für die Schweizer Wirtschaft zu erlangen, betonte die SNB.
Demonstrativ gelassen gibt man sich auch im Finanzdepartement in Bern. Das zuständige Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) hatte das Verdikt der Amerikaner erwartet. Es ist überzeugt, dass das US-Treasury die «besonderen Gründe» der Schweiz anerkennt. Bei allen drei Kriterien habe die Schweiz gute Argumente.
Die Handelsbilanz mit den USA seit praktisch ausgeglichen, wenn man neben dem Warenhandel die Dienstleistungen einbeziehe. Der Leistungsbilanzüberschuss sei nicht vom Wechselkurs getrieben, sondern auf die hohe Sparquote (inklusive Pensionskassen) in der Schweiz zurückzuführen, was typisch sei für Länder mit einer eher alternden Bevölkerung.
Die Interventionen der Nationalbank schliesslich erfolgten nicht, um den Franken künstlich zu schwächen, sondern im Gegenteil um eine Überbewertung zu verhindern. Sanktionen der USA fürchtet das SIF vorerst nicht. Tatsächlich sollen die Streitpunkte in bilateralen Gesprächen geklärt werden, schreibt das US-Treasury.
Dennoch entstehe eine gewisse Unsicherheit, räumt man in Bern ein. Verstärkt wird sie durch den Regierungswechsel in den USA. Das Finanzministerium habe während der Trump-Präsidentschaft «eine aggressivere Haltung als frühere Regierungen» gegenüber Währungspraktiken von Handelspartnern eingenommen, schreibt die «Financial Times».
Ob es mit Präsident Joe Biden und der neuen Finanzministerin Janet Yellen besser wird, ist keineswegs sicher. Auch Gewerkschaften und der linke Flügel der Demokraten fordern «härtere Handelsmassnahmen gegen Länder, die ihre Währung künstlich schwächen und so amerikanischen Exporten schaden», schreibt die «New York Times». Es dürfte schwierig bleiben für die Schweiz.
Mit Material von Keystone-SDA
Da haben wir dann nur noch einen Überschuss von 13 Mia., weiter unter der Grenze. Das sind etwas 12% des Handelsvolumens mit den USA.
Zum Vergleich: mit China haben wir einen Überschuss von 17 Mia. Die hätten also mehr Grund um sich zu beklagen. Aber wer im Glashaus sitzt...