Herr Lampart, mal ehrlich, wie gross ist der Kater?
Daniel Lampart: Klar, das Resultat ist enttäuschend. Wir haben jedoch im Vorfeld der Abstimmung eine Reihe von Erfolgen erzielt. Verschiedene grosse Unternehmen haben ihre untersten Löhne deswegen angehoben. Mehrere Zehntausend Erwerbstätige verdienen heute dank der Initiative mehr. Unter dem Strich hat sich unser Engagement gelohnt.
Trotzdem: Drei Viertel der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben ein Nein eingelegt. Haben sich die Gewerkschaften nicht überschätzt?
Es war ein sehr ehrgeiziges Projekt. Doch die Initiative hat eine landesweite Diskussion darüber ausgelöst, was ein fairer Lohn sein soll.
Auch von links werden die Gewerkschaften hart kritisiert. Rudolf Strahm beispielsweise wirft Ihnen vor, einen lauen und schlechten Wahlkampf geführt zu haben.
Wir waren mit unserer Kampagne nahe bei den Menschen. Es ist uns immerhin gelungen, viele falsche Vorstellungen über den Mindestlohn zurechtzurücken.
SP und Grüne haben sich vornehm zurückgehalten, die Gewerkschaften waren weitgehend auf sich alleine gestellt. Warum? Wir haben die Initiative lanciert und waren daher auch verantwortlich für die Kampagne. Es gab schon Unterstützung, verschiedene Frauenorganisationen, beispielsweise.
Warum hat man so starr an der 4000-Franken-Grenze festgehalten und sich nicht flexibler gezeigt, beispielsweise im Tessin?
Ich glaube nicht, dass das entscheidend war. Es ging ums Prinzip. Das wichtigste Argument war, dass der Staat sich nicht in Lohnfragen einmischen soll.
Bei der 1:12-Initiative hat man nachträglich gesagt, mit 1:20 wäre sie möglicherweise angenommen worden. Wäre auch die Mindestlohn-Initiative angenommen worden, wenn man bloss 3500 Franken gefordert hätte?
Es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Es ging ums Prinzip. Ich denke nach wie vor, dass die Mehrheit der Schweizer einen anständigen Lohn auch für die Schwächsten will, aber keine staatlich festgelegte Untergrenze. Umgekehrt wäre es für uns wenig sinnvoll gewesen, für einen bescheideneren Mindestlohn zu kämpfen. Das wäre bloss für die Galerie gewesen.
Im Niedriglohnsektor sind vorwiegend Ausländerinnen beschäftigt. War das der Grund für das Nein?
Es sind auch viele Menschen mit Schweizer Pass davon betroffen. Daher glaube ich das weniger. Es hat ganz einfach an Solidarität mit den Erwerbstätigen mit den tiefsten Löhnen gefehlt.
Wird die deutliche Ablehnung zum Eigengoal, zum Signal für Arbeitgeber, die untersten Löhne zu drücken?
Die Unternehmen wissen, wie wichtig ihr Ruf auf dem Arbeitsmarkt ist und dass sie sich selbst schaden, wenn sie als Lohndrücker gelten. Wir werden auch in Zukunft Firmen an den Pranger stellen, die Lohndumping betreiben.
Und was, wenn diese sich – wie das Beispiel Zalando zeigt – davon nicht beeindrucken lassen?
Es wird immer solche schwarzen Schafe geben, das hat auch das Beispiel Bata gezeigt. Doch auch diese Firma ist unter unserem Druck eingeknickt und hat die Löhne angehoben.
Europa hat eine erschreckend hohe Arbeitslosigkeit, gerade bei der Jugend. Das ist doch ein ideales Umfeld für das Zalando-Modell, das auf schlecht bezahlte Hilfskräfte setzt.
Wir konzentrieren uns vorläufig auf die Schweiz. Hier sind tüchtige Arbeitskräfte nach wie vor gesucht.
Die Gefahr eines Niedriglohnsektors wie in Deutschland besteht für die Schweiz nicht?
Nein, in den letzten 15 Jahren konnten die untersten Einkommen mit den mittleren Schritt halten. Ein Absaufen dieser Löhne wie in Deutschland hat es nicht gegeben. Darauf sind wir Gewerkschaften ein bisschen Stolz.
Was für eine Lehre ziehen Sie aus der Klatsche vom Wochenende?
Es ist noch zu früh dazu, wir müssen zunächst das Resultat analysieren.
Wie sieht ihr persönliches Fazit aus?
Mit der Forderung nach anständigen Löhnen auch für die untersten Einkommen waren wir bei den Leuten, mit einem staatlichen Mindestlohn offenbar nicht. Wir werden uns daher auf andere Initiativen konzentrieren.