Axel Weber, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, aufgestiegen zum Wirtschaftsprofessor und Präsidenten der Deutschen Bundesbank, ist vieles. Eines aber nicht wirklich: ein Banker.
Als die UBS einmal Journalisten zu einem Nachtessen im kleinen Kreis einlud, gab es zwei Tische. Am einen sass Axel Weber, der Präsident, am anderen Sergio Ermotti, der Konzernchef. Nach dem Hauptgang tauschten die beiden Männer ihren Platz.
Mit dem Tessiner Ermotti sprach man über Aktienkurse, Investmentbanking, über Risiken am Immobilienmarkt, über das Abwerben von Personal, auch über Fussball.
Mit dem Deutschen Weber sprach man über die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank, über Sicherheit und Terrorismus, über Deutschlands Rolle in der Welt und auch über das eine oder andere Telefonat, das er mit Angela Merkel führte.
Ermotti ist der Banker, der Mann fürs Konkrete. Weber ist der Professor, der Mann für die grossen Linien.
Die beiden sind nicht die besten Freunde. Aber sie funktionieren als Duo – weil sie sich nicht in die Quere kommen. Sie führten die UBS wieder in ruhigere Gewässer. Sie verkleinerten das Investmentbanking und fokussierten auf die Vermögensverwaltung. Dieser Auftrag ist erfüllt. Und jetzt?
Ermotti, der Weber gern als UBS-Präsident beerbt hätte, zieht es weiter zu Swiss Re; sein Nachfolger Ralph Hamers arbeitet sich zurzeit ein.
Weber, so hiess es bislang, werde im Frühjahr 2022 zurücktreten. Noch einmal zwei Jahre im ruhigen Gewässer fahren? «Das wäre eine intellektuelle Unterforderung für Axel Weber», sagt einer aus seinem Umfeld.
Dass er an der Generalversammlung 2022 abtrete, sei nicht mehr sicher, eine Verlängerung keineswegs ausgeschlossen, hört man neuerdings aus dem Innern der Bank. Ironischerweise war es Weber, der eine Klausel eingeführt hat, wonach die Amtszeit des Präsidenten statt zwölf nur noch zehn Jahre betragen soll. Doch die Klausel ist nicht zwingend. «Je nach Zustand und Lage der Bank» könnte Weber auch länger bleiben.
Der 63-Jährige, der einst vom Präsidentenjob bei der Europäischen Zentralbank (EZB) träumte, strebt zum Schluss seiner Karriere nach etwas Grossem. Er will nicht bloss als «Gesundschrumpfer» der UBS in die Geschichte eingehen. Weber ist kein Selbstdarsteller, aber er sucht Anerkennung. Er wolle mit einer Leistung abtreten, «für die man ihm ein Denkmal setzen würde», sagt ein Banker.
Es hat viel mit der Person Weber zu tun, dass die Spekulationen nicht verpufften, sondern weite Kreise zogen. Der Finanzblog «Inside Paradeplatz», der am Montag zuerst über das Fusionsprojekt namens «Signal» berichtete, nannte Weber die treibende Kraft. Die Story ging um die Welt und bewegte die Aktienkurse von UBS und CS.
Recherchen zeigen: Es ist nicht das erste Mal, dass Weber eine Fusion mit der CS tiefer prüfen lässt, als es in den alljährlichen Strategieübungen mit Beratern üblich ist. Schon 2015, als bei der Credit Suisse Tidjane Thiam Konzernchef wurde, liess Weber diese Option abklären. Die CS-Aktie war tief bewertet. Massgebend ist das Verhältnis des Aktienkurses zum Buchwert, das zum damaligen Zeitpunkt für die UBS vorteilhaft gewesen wäre. 2015 sickerte nichts von den Überlegungen durch.
Diesmal schon. Und wieder hängt der Zeitpunkt mit der Bewertung zusammen, denn wieder spielt der Bewertungsunterschied der UBS in die Hände. Darum ist schlüssig, was «Inside Paradeplatz» gestern schrieb: «Der Vorstoss von Axel Weber ist in Tat und Wahrheit ein Übernahmeplan.»
Weber liess die Meldungen des Finanzblogs nicht dementieren. Eine Information aber ärgerte ihn: Dass er angeblich mit einer Verlegung des UBS-Sitzes nach Deutschland gedroht habe. Dazu sagt ein UBS-Sprecher:
Für die Credit Suisse sind die Fusionsgerüchte unangenehm. Webers Pendant bei der CS, Urs Rohner, wird bereits auf die Generalversammlung im Frühjahr 2021 hin zurücktreten.
Spekulationen über eine Verlängerung seiner Amtszeit hat er in der «Schweiz am Wochenende» kategorisch zurückgewiesen. Rohner käme, sollte eine irgendwie geartete Fusion gelingen, als Präsident nicht in Frage. Im Gegensatz zu Axel Weber. Ihm würde vorschweben, die ersten zwei Jahre Präsident des neuen Gebildes zu sein, sagen Insider.
Dass die tiefe Börsenbewertung für die Credit Suisse ein Ärgernis ist, daraus macht CS-Konzernchef Thomas Gottstein kein Geheimnis. Am Wochenende kündigte er in der «Schweiz am Wochenende» an, die CS werde am Dividendenwachstum festhalten. Auch Gottstein weiss: Tief bewertete Banken können kaum Übernahmen tätigen und werden im schlimmsten Fall ihrerseits zu Übernahmeobjekten.
Und in Europas Finanzsektor werden Fusionen und Übernahmen unvermeidlich sein. Die Branche konsolidiert sich weiter. Von Axel Weber wird intern das Bonmot verbreitet:
Weber will Treiber, nicht Getriebener sein. Der Professor liegt mit seiner Analyse ja durchaus richtig: Institute verschwinden, der Abstand der europäischen auf die amerikanischen Banken wird grösser – also lieber mal eine Fusion prüfen. Dem überzeugten Europäer Weber ist zudem politisch wichtig, dass die US-Banken nicht weiter davonziehen.
Nicht nur die CS-, auch die UBS-Aktie ist billig. Ein doppelter Frust für Weber: Seine Entschädigung hängt vom Kursverlauf ab, und er betrachtet diesen als unverdient schlechtes Zeugnis für seine Arbeit. Der grösste Fleck in seinem Reinheft ist der Rechtsstreit mit der französischen Justiz, der noch nicht bereinigt ist und auf die Aktie drückt.
Weber aber will seine Amtszeit mit Bestnote abschliessen, wie einst sein Wirtschaftsstudium in Konstanz und seine Habilitation in Siegen. Der zweifache Familienvater will ein «Vermächtnis» hinterlassen, so wie bei der Deutschen Bundesbank, wo er sich in der Finanzkrise 2008 profilierte.
Aber glaubt Werber wirklich, eine Fusion mit der CS sei innerhalb zwei Jahren machbar? Intern soll er sinngemäss gesagt haben: «Gewisse Dinge muss man tun, damit man später sagen kann: Ich habe es wenigstens versucht.»
Da läuft an vielen Orten etwas gewaltig schief und keiner stoppt das (-> Filz).
Der Artikel stellt das Ganze so dar, dass Weber einfach fusionieren möchte nur um fusioniert zu haben und er so in die Geschichte eingeht. Was aber, wenn Weber als Retter der schweizer Grossbanken eingehen möchte, welcher mit grosser Weitsicht ein gutes Fundament gelegt hat?
Selbst wenn er damit nur sein Ego bedienen will (was ich etwas bezweifle), dann wird er trotzdem davon überzeugt sein, dass dies der richtige Schritt ist. An einer sinnlosen Aktion hat so ein Mensch nämlich auch keine Freude.