Die SBB beschleunigen die Suche nach einem Nachfolger für Konzernchef Andreas Meyer. Hiess es noch vor kurzem, er bleibe womöglich bis Ende 2020, so hat der Verwaltungsrat nun den Marschplan angepasst: Schon dieses Jahr soll ein Nachfolger präsentiert werden.
Somit reagiert der Verwaltungsrat auf die Kritik an der ursprünglichen Planung. Angesichts der vielen Baustellen der SBB, so heisst es jetzt, brauche es schnell einen neuen CEO. Meyer sei zwar nach wie vor voller Tatendrang, aber letztlich wird jeder Chef nach Ankündigung seines Abgangs als «lahme Ente» wahrgenommen.
Obwohl Andreas Meyer die Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar und Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga bereits im Mai über seine Rücktrittsabsicht informiert hat, startete der Personalausschuss des Verwaltungsrats erst vor zwei Wochen mit der Suche, nachdem Meyer die Öffentlichkeit informiert hatte.
Dies aus Angst vor Indiskretionen. Ein Headhunter unterstützt den Verwaltungsrat dabei. Die Suche stehe noch am Anfang, sagt ein Verwaltungsratsmitglied gegenüber der «Schweiz am Wochenende».
Zwar wählt der Verwaltungsrat den CEO, doch die Politik mischt mit. Im Bundeshaus gibt es Bestrebungen, einen Mann auf den SBB-Thron zu hieven, dessen Namen gleichermassen pikant wie naheliegend ist: Peter Füglistaler, 60, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV).
Pikant ist es, weil Füglistaler als Aufseher über die SBB in den vergangenen Jahren mit Andreas Meyer wiederholt Konflikte austrug; einmal, so heisst es, soll Füglistaler gar entnervt aus einer Sitzung gelaufen sein. SBB-Präsidentin Ribar beschrieb das Verhältnis der beiden Männer kürzlich so: «Sie sind sicher nicht die besten Freunde.»
Naheliegend ist es, weil Füglistaler die SBB nicht nur aus Sicht des Alleinaktionärs Bundes kennt, sondern auch von innen: Bevor er 2010 zum BAV wechselte, war er bei den SBB angestellt, als Leiter Finanzen und Recht der SBB Infrastruktur. Er arbeitete fast drei Jahre mit Andreas Meyer zusammen, bevor er dessen Aufseher wurde.
Ausgerechnet Mitte-Rechts-Verkehrspolitiker machen sich hinter den Kulissen für den Sozialdemokraten Füglistaler stark. «Keiner kennt die SBB und die politischen Mechanismen besser als Füglistaler», sagt ein bürgerlicher Parlamentarier, der nicht namentlich zitiert werden möchte, «um Füglistaler nicht zu schaden».
Ein Nationalrat der SVP sagt unumwunden: «Füglistaler wäre klar der Beste, sein einziger Fehler ist das Parteibuch.» Stören tue ihn dies aber nicht, denn Füglistaler sei kein Ideologe und plädiere gerade im Güterverkehr für Marktlösungen. Es ist darum kein Zufall, dass Füglistaler auch aus den künftigen Aktionären der SBB Cargo Zuspruch bekommt. 35 Prozent des Kapitals halten neu private Logistikdienstleister.
Ist Füglistalers SP-Mitgliedschaft ein Trumpf bei der sozialdemokratischen Bundesrätin Simonetta Sommaruga? Nicht unbedingt. Der Amtschef sei nicht gerade ein Herz und eine Seele mit seiner Chefin, heisst es aus gut informierten Kreisen. Mit Vorgängerin Doris Leuthard sei die Zusammenarbeit reibungsloser gewesen.
Leuthard ist in einer anderen Partei, der CVP, stammt dafür wie Füglistaler aus dem Aargauer Freiamt. Ein Plus ist Füglistalers linke Herkunft bei den Gewerkschaften, die im Verwaltungsrat zwei von insgesamt neun Vertreter stellen. Füglistaler war jahrelang Mitglied bei der Eisenbahnergewerkschaft SEV. Selber will er sich zur CEO-Frage nicht äussern.
Neben Füglistaler gibt es weitere Kandidaten mit Chancen. SBB-intern gelten als aussichtsreich:
Am liebsten würde SBB-Präsidentin Monika Ribar eine Frau zur Meyer-Nachfolgerin machen. Doch das gestaltet sich als schwierig, denn das Anforderungsprofil wurde subtil angepasst: Branchen-Knowhow gilt nun als Voraussetzung.
Managementqualitäten allein reichen nicht. Wer beides erfüllt, ist Jeannine Pilloud, 55, frühere Personenverkehrschefin der SBB. Doch seit August hat sie einen neuen Job: Sie ist CEO der Ascom. Laut Informationen der «Schweiz am Wochenende» hat sie sich bei den SBB nicht beworben, und auch der Headhunter hat sich nicht bei ihr gemeldet. Doch der Job würde sie reizen. Mit anderen Worten: Monika Ribar müsste Pilloud ganz einfach anrufen.
Klare Vorstellungen zum Profil des künftigen SBB-CEO hat Edith Graf-Litscher, die Präsidentin der nationalrätlichen Verkehrskommission: «Es braucht eine Person, der bewusst ist, dass die SBB ein Service-Public-Unternehmen ist, das in erster Linie seinen Kernauftrag im öffentlichen Verkehr unseres Landes erfüllen muss. Es muss Ruhe und Stabilität ins Unternehmen kommen.»