Die Migros lobbyiert im Kampf gegen den chinesischen Online-Riesen Alibaba mit unkonventionellen Vorstössen. In einem Brief an alle Parlamentarier schlug der Detailhändler unlängst vor, dass ganze Schiffscontainer an die chinesische Post retourniert werden sollen, falls Stichproben zeigen, dass zu viele Pakete aus Fernost falsch oder gar nicht deklariert sind.
Denn ohne die korrekte Deklaration umgehen die chinesischen Händler Zoll- und Mehrwertsteuerabgaben, die für Schweizer Versandhändler anfallen. Für die Migros ist das eine Ungleichbehandlung und eine Wettbewerbsverzerrung im Onlinegeschäft.
Der brisante Vorschlag wird nun zum Branchenthema, wie Patrick Marty, Geschäftsführer der Interessensgemeinschaft Detailhandel Schweiz bestätigt. Zur IG DHS gehören nebst der Migros auch Konkurrent Coop, die Warenhauskette Manor sowie der Migros-Discounter Denner. Noch sei nicht entschieden, ob man den Boykott-Vorschlag der Migros unterstütze. Das Thema sei für die nächste Sitzung der Dossier-Verantwortlichen im August traktandiert.
Kommt das Team dabei zum Schluss, dass der Vorschlag prüfenswert ist, entscheidet danach der Steuerungsausschuss über das weitere Vorgehen. Dieses Gremium besteht aus den Chefs der vier Detailhändler: Joos Sutter (Coop), Fabrice Zumbrunnen (Migros), Stephane Maquaire (Manor) und Mario Irminger (Denner).
Man begrüsse aus Sicht der IG DHS aber schon jetzt die Tatsache, dass die Migros mit ihrem Lobbying-Brief die Debatte über die unfaire Marktsituation in Gang gebracht und so hoffentlich auch die Politik aufgerüttelt habe, sagt Marty. «Es gilt nun, die Situation genau zu analysieren. Denn die heutige Praxis ist für alle störend.»
In Deutschland sorgt das Thema derzeit ebenfalls für Aufruhr. Wie die «Süddeutsche Zeitung» und der «Westdeutsche Rundfunk» (WDR) kürzlich berichteten, hat der amerikanische Onlinehandelsgigant Amazon mehr als 500 verdächtige Händler aus China von seinem Marktplatz ausgeschlossen. Dies aufgrund der Medienrecherchen, wonach mindestens 3000 chinesische Verkäufer ohne Steuernummer den Amazon-Marktplatz nutzen, um in Deutschland ihre Waren zu verkaufen. Da sie die Umsatzsteuer mutmasslich unterschlagen, konnten sie bisher günstigere Preise im Vergleich zu Konkurrenten anbieten, die sich ihrerseits korrekt registrieren liessen.
Daraufhin hat das Finanzamt Berlin-Neukölln, bei dem sich die chinesischen Händler eigentlich registrieren müssten, Amazon so genannte «Auskunftsersuche» geschickt, worauf der US-Konzern die Waren von 500 Händler in Quarantäne nahm, damit die Verkäufer keinen Zugriff mehr auf ihre Produkte haben, die noch in Lager- und Verteilzentren von Amazon liegen. Ermittler gehen aber davon aus, dass noch immer Tausende Händler unentdeckt bleiben. (aargauerzeitung.ch)