«Aller Anfang ist schwer», besagt eine Redewendung. Sie gilt auch für die Raiffeisen-Gruppe, die sich nach dem schlimmen Ende der Ära Pierin Vincenz eifrig um einen Neuanfang bemüht. «Reform 21» heisst das Projekt, mit dem die 246 eigenständigen Genossenschaftsbanken «partizipativ» mit der St. Galler Zentrale die nötigen Reformen angehen wollen.
Im November hiess es, die nächsten Schritte zur Operationalisierung des Programms würden «umgehend in die Wege geleitet». Viel Neues haben die über 11'000 Mitarbeiter der Bankengruppe bisher nicht erfahren.
Das soll sich in der kommenden Woche ändern. Aus zuverlässiger Quelle berichten die CH-Media-Zeitungen, dass nächsten Dienstag eine Information zum Reformprojekt ansteht. In der Zentrale soll es zu einem grösseren Stellenabbau kommen. Die Rede ist von 200 Jobs, die gestrichen werden.
Bei Raiffeisen Schweiz sind aktuell 2181 Personen beschäftigt. Von diesen arbeiten 1233 Personen in St. Gallen. Ein Grossteil ist dort in der Informatik tätig, aber Raiffeisen Schweiz bietet ihren Mitgliedsbanken zentral auch verschiedene Bankdienstleistungen an. Zudem betreibt St. Gallen eine zentrale Personalabteilung und bestreitet den Hauptteil des Marketings in der Gruppe, einschliesslich des umfangreichen Sponsorings.
Auch in Zürich unterhält die Zentrale verschiedene wichtige Funktionen, darunter die Zentralbank, die das Cash-Management zwischen den Genossenschaftsbanken steuert, sowie das zentral geführte Firmenkundengeschäft und Teile der Informatik. Hinzu kommen in Zürich verschiedene Funktionen der sogenannten Frontunterstützung. In dieser Arbeiten Spezialisten in den Bereichen Nachfolge- und Finanzplanung sowie Produkt-Manager.
Wo Raiffeisen den Hebel genau ansetzen will, ist nicht bekannt. Dafür muss zuerst klar werden, welche Leistungen die Genossenschaftsbanken in Zukunft von der Zentrale überhaupt noch beziehen wollen und was diese kosten dürfen.
Das Projekt Reform 21 wird von einer 15-köpfigen Arbeitsgruppe unter dem Co-Vorsitz von Guy Lachapelle, dem neuen Präsidenten von Raiffeisen Schweiz und von Kurt Sidler, dem Präsidenten der Raiffeisenbank Luzern, vorangetrieben. Ziel ist die Entwicklung einer Eignerstrategie, die letztlich in einen Leistungsauftrag an die Zentrale münden soll.
Parallel dazu hat Raiffeisen Schweiz das Beratungsunternehmen Roland Berger angeheuert, um Einsparungsmöglichkeiten auszuloten. Informationen des gewöhnlich gut informierten Newsportals «Inside Paradeplatz» zufolge soll Roland Berger zuhanden des Raiffeisen-Schweiz-CEO Heinz Huber Vorschläge für jährliche Einsparungen von 30 Millionen Franken ausarbeiten. Auch der Blog nannte Zahlen für einen bevorstehenden Stellenabbau im Umfang von 100 bis 200 Jobs.
Die Gerüchteküche brodelt und in St. Gallen liegen die Nerven vieler Angestellten blank. Zahlreiche Führungspersonen haben in den letzten Tagen und Wochen ihr Pult geräumt und weitere Abgänge sind zu erwarten. Im Fussvolk herrscht «grosse Unzufriedenheit», kolportiert ein Insider. Bislang könne man noch nicht von einem eigentlichen Stellenabbauprogramm reden. Es handle sich viel eher um ein «Ausmisten» durch die neue Führungsriege.
Konfrontiert mit den Informationen über die Hiobsbotschaft von kommender Woche, sagte eine Raiffeisen-Sprecherin: «Wir können die Informationen Stand heute nicht bestätigen». Ein Dementi würde anders tönen.
Wenig konkret wurde die Sprecherin auch auf die Frage zu den auffälligen Personalfluktuationen: «Abgänge können unterschiedliche Gründe haben. Natürlich sind im Zug einer Neuausrichtung Fluktuationen nachvollziehbar.»