Nicht überall ist die Öko-Enzyklika «Laudato si» von Papst Franziskus auf Begeisterung gestossen. Dabei wird weniger sein Einsatz für eine gesunde Umwelt kritisiert, «sondern der kapitalismus- und technologiekritische Impetus, von dem die Enzyklika getragen ist», wie Markus Hofmann in der «NZZ» jammert.
Tatsächlich ritzt Papst Franziskus in seinem Aufruf zur Rettung der Umwelt an den Grundprinzipien des Kapitalismus. Dieser beruht bekanntlich auf der Annahme, dass Egoismus und Gier – natürlich in die richtigen Bahnen gelenkt – , die Triebfeder von Wohlstand und Fortschritt seien. Der Papst hingegen postuliert, dass die menschlichen Beziehungen von Mitgefühl, Harmonie und Liebe geleitet sein müssen. Idealerweise sollten die Menschen in Einklang mit der Natur und miteinander leben und sich beispielsweise Franz von Assisi zum Vorbild nehmen.
Eine deutliche Absage erteilt der Papst hingegen der Technologie-Gläubigkeit und der Vorstellung, dass die Umweltprobleme mit Marktmechanismen wie dem Handel mit Zertifikaten gelöst werden können. Kein Wunder, gerät er ins Visier der Konservativen. «Papst Franziskus ist ein wunderbares Beispiel eines wahrhaftigen Gutmenschen», spottet David Brooks in der «New York Times».
Der Heilige Vater greift eine Kontroverse auf, die auf die Anfänge des Kapitalismus zurückgeht. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts veröffentlichte Bernard Mandeville seine berühmte Bienenfabel und verursachte damit einen öffentlichen Skandal. Der in England lebende niederländische Arzt und Sozialtheoretiker stellte darin eine provokante These auf: Luxus und Verschwendung, Krieg und Ausbeutung bringen uns weiter, nicht Genügsamkeit und Friedfertigkeit. Sind sie glücklich, dann werden die Menschen träge und die Gesellschaft langweilig, postulierte Mandeville.
Im Kultfilm «Der Dritte Mann» greift die Hauptfigur Harry Lime Mandevilles These auf und äussert den legendären Satz: «In den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blutvergiessen, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!»
Die Kuckucksuhr stammt zwar aus dem Schwarzwald, aber die Kontroverse ist nach wie vor brandaktuell. Die «NZZ» stellt der päpstlichen Öko-Enzyklika das «Ecomodernist Manifesto» gegenüber. Darin plädiert der kalifornische Thinktank Breakthrough Institute dafür, die Umwelt mit Marktmechanismen und Hi-Tech zu retten. «Das Motto der Ökomodernisten lautet daher: Intensivierung der Land- und Waldwirtschaft, der Energiegewinnung und der Besiedelung durch stärkere Urbanisierung», stellt Hofmann fest.
Die bekannte Politaktivistin Naomi Klein hingegen vertritt die Linie des Papstes: Sie ist ebenfalls überzeugt, dass Kapitalismus und Ökologie natürliche Feinde sind und es auch immer bleiben werden. Daher hat sie in einem Punkt Verständnis für die konservativen Klimaleugner: Der Kampf gegen die Klimawandel ist gleichbedeutend geworden mit dem Kampf für eine neue Wirtschaftsordnung.
«Hier ist meine unangenehme Wahrheit», schreibt Klein in ihrem Buch «Die Entscheidung». «Ich denke, dass diese hartgesottenen Ideologen die wahre Bedeutung des Klimawandels besser erfasst haben als die meisten ‹weichen Liberalen› im politischen Zentrum, diejenigen, die immer noch darauf bestehen, dass die Antwort graduell und schmerzlos erfolgen kann und dass wir gegen niemanden in den Krieg ziehen müssen, auch nicht gegen die Ölmultis.»
Und weiter... Wer, wenn nicht der Papst, sollte das Gutmenschentum vertreten? ;-)
Desweiteren werde ich, umso mehr ich (vereinzelt) über den neuen Papst lese, mehr und mehr Fan von ihm. War aber noch nie gläubig.
Sehr schön auf den Punkt gebracht.
Mit den aktuellen Einkommensunterschiede ist meiner Meinung nach eine Revolution vorprogrammiert. Ob mit gutem oder schlechtem Ausgang wird sich zeigen.