Ant Group? WTF! Ausserhalb der Finanzgemeinde dürfte hierzulande kaum jemand je von diesem Unternehmen gehört haben. Dabei ist die Ant Group eben im Begriff, sämtliche Börsenrekorde zu pulverisieren. Es wird damit gerechnet, dass sie rund 35 Milliarden Dollar Kapital einsammeln wird, wenn sie am 5. November an den Börsen von Hongkong und Shanghai für das Publikum geöffnet wird. Das ist der grösste Börsengang aller Zeiten.
Der spektakuläre Börsengang ist jedoch nur die Spitze des Ant-Group-Eisbergs. Wie Tesla die Autoindustrie aufgemischt hat, könnte die chinesische Ameise unseren Umgang mit Geld revolutionieren. Es handelt sich dabei nämlich um eine Art asiatische Variante einer Eier legenden Wollmilchsau der Finanzindustrie.
Ant-Kunden können mehr als nur Zahlungen über eine App abwickeln. Mit ihrem Smartphone können sie auch Kredite aufnehmen, in Fonds investieren, eine Krankenkasse abschliessen oder ihr Auto versichern. Und das alles in Echtzeit, indem sie kurz ein paarmal auf ihren Bildschirm tippen.
Aber der Reihe nach: Die Ant Group ist 2004 als ein Nebenprodukt von Alibaba entstanden. Dessen legendärer Gründer Jack Ma ärgerte sich darüber, dass sich chinesische Banken gegenüber Kleinen nicht wirklich kundenfreundlich verhielten. Ma ist keiner, der klagt, er handelt. «Sollten sich die Banken nicht ändern, werden wir sie ändern», schwor er – und genau das tat er.
Zunächst löste er Ant von der Alibaba-Mutter und machte sie selbstständig. In der Folge entwickelte sich die Ameise sehr rasch zu einem Unternehmen, das mehr macht als nur Zahlungen abwickeln. Heute ist Ant ein Finanzinstitut, das mit den Grössten der Welt mithalten kann. Der «Economist» gerät geradezu ins Schwärmen, wenn er die Vorzüge aufzählt:
Diese Kombination ist nicht nur ein technologisches Wunderwerk, es ist auch äusserst attraktiv für die Kunden. Ant hatte letztes Jahr mehr als eine Milliarde aktive User und bewältigte einen Geldstrom von rund 16 Billionen Dollar. Nach dem Börsengang wird Ant auf Augenhöhe mit JPMorgan agieren, der derzeit grössten Bank der Welt.
Das Businessmodell von Ant lässt sich in vier Bereiche unterteilen: Der digitale Zahlungsverkehr stand am Anfang. Entstanden ist er auf der Notwendigkeit, den Geschäftsverkehr von Alibaba möglichst kundenfreundlich und effizient abzuwickeln. Auf diesem Gebiet ist Ant harte Konkurrenz durch Tencent und seine WeChat-App entstanden. Die Margen sind daher hauchdünn.
Doch dank des Zahlungsverkehrs kann Ant Unmengen von Daten sammeln und auswerten. Davon profitiert sein Kreditgeschäft. Die Ameise weiss stets sehr genau, wer kreditwürdig ist und wer nicht, und muss dabei kaum Risiken eingehen. Sie tritt als Broker auf, der die Kreditanträge den Banken vermittelt.
Inzwischen ist Ant auch eine Art chinesische Antwort auf BlackRock geworden. Sie hat auch einen Fuss im Assetmanagement, will heissen: Wie iShares vermittelt sie auch Fonds an Kleinsparer. Derzeit bieten rund 170 Unternehmen rund 6000 Finanzprodukte auf der Ant-Investment-Plattform an.
Schliesslich mischt Ant neuerdings auch im Versicherungsgeschäft mit. Sie stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der man eine Lebensversicherung oder eine Krankenkasse abschliessen oder sein Auto versichern kann. Zusammen mit dem Assetmanagement ist das Versicherungsgeschäft mittlerweile für einen Viertel des Umsatzes verantwortlich.
Die Vorzüge dieses Geschäftsmodells liegen auf der Hand. Dank den ungeheuren Datenmengen, die in allen Bereichen gesammelt werden, haben die Kunden keinerlei Geheimnisse mehr vor Ant.
Das hat eine gute und eine schlechte Seite. Einerseits erlaubt dieses Modell gewaltige Kosteneinsparungen. Bei Ant muss sich niemand über zu hohe Gebühren für Bankdienstleistungen oder überrissene Margen beim Geldwechseln ärgern. Doch andererseits mag nicht jeder darüber glücklich sein, dass seine monetären Verhältnisse so transparent sind. Geld ist für viele Menschen intimer als Sex.
Der Börsengang der chinesischen Finanzameise ist mehr als ein ökonomischer Vorgang. Er zeigt einmal mehr, wie unglaublich rasch China bestehende Vorurteile aus dem Weg räumt. Der erfolgreiche Hedge-Fund-Manager Ray Dalio formuliert es in der «Financial Times» wie folgt:
Die Ant Group unterhält enge Beziehungen mit der Kommunistischen Partei. Peking wird daher versuchen, den Erfolg des Unternehmens an der Börse auch politisch auszuschlachten. Ob dies gelingen wird, bleibt abzuwarten. Die totale Transparenz, die mit dem Geschäftsmodell der Ameise einhergeht, ist im Westen weit weniger populär als in Asien – und die Unterdrückung der Uiguren, der Tibeter und der Proteste in Hongkong sind nicht dazu angetan, daran etwas zu ändern.
"Banking is necessary. Banks are not" Bill Gates 1994.
Unsere Banken im Westen klammern sich noch an der alten Welt und bezahlen weiterhin krankhafte Boni für Nichts. Sie sind heute schon im Investmentbanking tot. Hier regieren Black Rock und Co. Als kleiner Vergleich. Black Rock hält das 2.5fache an Assets under Management (6'500'000'000'000) wie die gesamte Schweizer Bankenwelt zusammen.