Kürzlich gaben die Analysten der UBS ihre Anlagetipps für das kommende Jahr bekannt. Als erstes rieten sie, amerikanische Aktien zu kaufen. «Wir glauben, dass amerikanische Aktien auch im kommenden Jahr noch viel Potenzial besitzen», erklärte dazu Mads Pedersen, Head of Global Asset Allocation bei der UBS. Er befindet sich in bester Gesellschaft: Die meisten Bankanalysten schwören derzeit auf US-Aktien.
Dabei hatte es vor den US-Wahlen noch ganz anders getönt. Trump wurde von Ökonomen und Bankanalysten misstrauisch, ja feindselig beurteilt. Seine Steuerpolitik sei masslos, seine Versprechen unrealistisch und sein offener Protektionismus gefährlich, warnten die meisten Finanzexperten und empfahlen, das kleinere Übel, Hillary Clinton, zu wählen.
Als sich in der Wahlnacht der Trump-Triumph abzuzeichnen begann, zeichnete sich denn auch zunächst ein Börsencrash ab. Er fand nie statt. Stattdessen begannen die Kurse der US-Aktien zu steigen und haben bis heute nicht damit aufgehört. Ob S&P 500 oder Dow Jones, beide haben Rekordwerte erreicht. Bereits wird spekuliert, wann der Dow die magische Grenze von 20'000 Punkten überschreiten wird. Weshalb?
Während des Wahlkampfes hat Trump ein umfangreiches Steuersenkungsprogramm in der Höhe von gegen sieben Billionen Dollar innerhalb von zehn Jahren angekündigt. Gleichzeitig hat er versprochen, eine Billion Dollar in Infrastrukturprojekte zu investieren.
Diese Absicht hat sein Chefstratege Steve Bannon nach den Wahlen bekräftigt. «Dank negativen Zinsen rund um die Welt haben die nun die besten Voraussetzungen um alles neu zu bauen: Häfen, Stahlwerke, alles wird auf den neuesten Stand gebracht. Wir schmeissen jetzt alles an die Wand und schauen, was kleben bleibt.» Als ob dies nicht genug wäre, hat Trump auch geschworen, die Armee massiv aufzurüsten.
Ökonomisch gesehen hat Trump ein gewaltiges Ankurbelungs-Programm im Sinne von John Maynard Keynes in Aussicht gestellt. Bereits wird auch von einem zweiten New Deal gesprochen. In der Depression der 30er-Jahre hat der damalige Präsident Franklin Roosevelt mit dem Bau von Strassen und Staudämmen den totalen Absturz der Wirtschaft verhindert.
Keynsianismus ist eigentlich eine Sache der Linken, aber das kümmert den Pragmatiker Trump nicht. Genauso lassen ihn Schulden, härtere Regulierung der Banken und Umweltschutz kalt. Er will Wachstum um jeden Preis, und das wird er kurzfristig wahrscheinlich auch erhalten. Das haben die Investoren realisiert und greifen zu.
Sie können gar nicht anders, wie etwa Vinny Catalano von Blue Marble Research in der «Financial Times» erklärt: «Rein technisch gesehen spielt die Musik wieder, es gibt keine negativen Signale und die Leute tanzen. Wer jetzt nicht investiert, begeht einen Karriere-Selbstmord.»
Vor allem die Aktien profitieren vom Trump-Boom, denn der zu erwartende Aufschwung wird auch die Inflation wiederbeleben. Die US-Notenbank, die Fed, hat bereits angetönt, dass sie die Leitzinsen erhöhen will. Höhere Zinsen auf Staatsanleihen bedeutet, dass die alten an Wert verlieren. Deshalb ist derzeit eine wilde Flucht aus den Obligationen in die Aktien zu beobachten. Allein in den letzten Tagen sind rund 20 Milliarden Dollar vom Obligationen- in den Aktienmarkt geflossen.
Schliesslich hat bei den Investoren ein Mentalitätswechsel stattgefunden. Jahrelang haben sie nach der Pfeife der Notenbanken getanzt und ihr Verhalten auf Zinssenkungen und das Quantitative Easing ausgerichtet. Gleichzeitig scheint die Ära der Austerität vorbei zu sein. Beides zusammen hat die «animal spirits», die Bereitschaft der Investoren, wieder Risiken einzugehen, geweckt.
Allerdings ist es alles andere als sicher, dass der Boom von Dauer sein wird. Der «Economist» nennt drei Gründe, weshalb es auch schief gehen könnte:
Trump ist zwar als Republikaner gewählt worden, seine Wirtschaftspolitik steht jedoch im krassen Widerspruch zu dem, was die Konservativen vertreten. Seine Versprechen würden noch einmal eine massive Erhöhung der eh schon hohen US-Staatsschulden bedeuten. Es wäre daher möglich, dass die Republikaner im Kongress ihm die Mittel verweigern.
Zu Beginn der 80er-Jahre hat Ronald Reagan mit einer massiven Steuersenkung die Wirtschaft ebenfalls angekurbelt. Nur waren die Umstände damals völlig anders. Die US-Wirtschaft befand sich damals in einer Rezession, Aktien waren billig. Heute brummt der Arbeitsmarkt und die Aktien weisen ein rekordhohes Kurs/Gewinn-Verhältnis auf. Ein Boom wird die Fed veranlassen, die Leitzinsen rasch und massiv zu erhöhen und so Wasser auf das Strohfeuer giessen.
Trump will eine Billion Dollar in die Infrastruktur investieren, er will dies jedoch mit Hilfe von privaten Investoren tun. Deshalb lockt er mit gewaltigen Steuergeschenken. Wer einen Dollar investiert, erhält 80 Cents in Form von Steuervergütungen wieder zurück. Dieses Vorgehen ist moralisch fragwürdig und ökonomisch unsinnig. Weil es in den US verboten ist, auf bestehenden Autobahnen, rückwirkend eine Maut einzuführen, besteht beispielsweise die Gefahr, dass neue Autobahnen und Brücken dort gebaut werden, wo sie gar nicht benötigt werden, während die bestehenden weiter verlottern.