Die UBS steht am Pranger – einmal mehr. Sie muss für die jahrelange Manipulation von Devisenkursen eine Busse von 774 Millionen Franken bezahlen. «Es ist der schwerste Fall von Marktmanipulation, den wir je gesehen haben», sagte Mark Branson, Chef der Finanzmarktaufsicht Finma, bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts am Mittwoch. Die Grossbank scheine aus den Affären der vergangenen Jahren nichts gelernt zu haben, bilanzierte der frühere UBS-Banker.
Ausgestanden ist der jüngste UBS-Skandal damit nicht. Es drohen weitere Bussen in den USA und in Hongkong sowie Schadenersatzklagen von geprellten Kunden. Die Finma hat ein Aufsichtsverfahren gegen elf UBS-Angestellte eingeleitet, ihnen drohen Berufsverbote. Aktiv geworden ist auch die Bundesanwaltschaft (BA): Sie hat mehrere Strafuntersuchungen gegen Einzelpersonen wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung und Verletzung des Bankgeheimnisses eröffnet, wie die Bundesanwaltschaft einen Bericht der NZZ bestätigte.
Bislang musste sich noch nie ein UBS-Banker für die Fehltritte der vergangenen Jahre vor einem Schweizer Gericht verantworten. Einzig im Ausland kam es zu Strafverfahren. Für Aufsehen sorgte der Fall des Wertpapierhändlers Kweku Adoboli, der seinem Arbeitgeber mit nicht autorisierten Spekulationen einen Verlust von 2 Milliarden Franken beschert hatte. Vor zwei Jahren wurde er in London zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
In den USA und Grossbritannien wurden ausserdem Verfahren gegen ehemalige UBS-Banker wegen der Manipulation des Libor-Zinssatzes eröffnet. Die Bank musste dafür die Rekordbusse von 1,4 Milliarden Franken hinblättern. In der Schweiz hingegen liegt der Fall eines früheren UBS-Händlers laut NZZ seit über einem Jahr auf dem Tisch der Zürcher Staatsanwaltschaft. Dies zeige, dass «die Waffen des Strafrechts gegen Kursmanipulationen relativ stumpf sind».
Könnten die Ermittlungen im Devisenskandal also zum Flop werden? Nicht unbedingt. «Es handelt sich um einen Fall von grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität, deshalb ist es richtig, dass die Bundesanwaltschaft tätig wurde», sagte Monika Roth, Wirtschaftsprofessorin an der Hochschule Luzern und Strafrichterin im Kanton Basel-Landschaft, auf Anfrage von watson. Sie hält es für möglich, dass es zu Anklagen kommt und das Bundesstrafgericht in Bellinzona sich mit der Sache befassen muss: «Es ist wichtig, dass dieser Fall Konsequenzen hat, auch im Sinne einer abschreckenden Wirkung.»
Anlass zum Optimismus ist die Beweislage: Dank der umfassend dokumentierten Chatroom-Beiträge aus dem Handelsraum in Opfikon haben die Strafermittler viel Munition in der Hand, um gegen Einzelpersonen zu Felde zu ziehen. Darin brüsten sich die Devisenhändler unter anderem mit ihren Erfolgen im Frontrunning, dem illegalen Ausnutzen von Vorabinformationen. Mit dieser Beweislage seien Klagen «sicher nicht chancenlos», sagte der Luzerner Wirtschaftsprofessor und ehemalige UBS-Investmentbanker Roger Rissi gegenüber der «Handelszeitung».
Für Monika Roth sind die Chatprotokolle ebenfalls ein wichtiges Beweismittel. Mit den Klagen gegen Einzelpersonen ist es für sie nicht getan: «Die Frage stellt sich, ob nicht ein Verfahren gegenüber der UBS selbst geprüft wird.» Der Finma-Bericht belege die mangelhafte Organisation und die «schweren Verfehlungen» bei der Grossbank. «Die Bundesanwaltschaft wird diesen Aspekt anschauen», zeigt sich Roth überzeugt.
Noch weiter geht der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney, ein scharfer Bankenkritiker. Er fordert im «Tages-Anzeiger» nichts weniger als die Auflösung der Grossbanken: «Die fehlbaren Händler agierten in einem Gefühl von Straflosigkeit, weil sie bei einer Grossbank arbeiten, die zu gross ist, um unterzugehen. Ihnen und dem Management war offensichtlich egal, das Kundenvertrauen zu beschädigen. Mit einer Zerschlagung der Grossbanken würden kleine Einheiten entstehen, die «Bankrott machen können, wenn sie ihre Kunden betrügen», so Chesney.
Realistisch sind solche Forderungen nicht. Selbst ein Verfahren gegen die UBS ist für die Bundesanwaltschaft (noch) kein Thema. Absehbar ist auch, dass das Topmanagement der Bank ungeschoren davon kommt und allenfalls die «kleinen Fische» verurteilt werden. Der Fall des ehemaligen UBS-Bankers Raoul Weil, der letzte Woche von einem US-Gericht freigesprochen wurde, zeigt, wie schwierig es ist, dem höheren Kader ein Fehlverhalten nachzuweisen.