Am vergangenen Donnerstag gab Rudy Giuiliani, ehemaliger Bürgermeister von New York und treuer Trump-Spezi, bekannt, er werde nun die leidige Russlandaffäre mit dem Sonderermittler in die Hand nehmen und in kurzer Zeit regeln. Giuliani gibt sich zuversichtlich: «Ich hoffe, ich werde in der Lage sein, eine Lösung zu verhandeln, die zu einem Ende führt, die gut für das Land ist», erklärte er und fügte hinzu, er habe höchste Achtung für den Präsidenten und den Sonderermittler Robert Mueller.
Mag sein, wäre da nicht die Hausdurchsuchung bei Trumps Fixer Michael Cohen. Viele sehen darin den Anfang des Endes der Ära Trump. Einer davon ist Adam Davidson, renommierter Autor beim Magazin «The New Yorker». Er hat kürzlich geschrieben: Cohen «weiss alles, hat Vieles aufgezeichnet und deshalb wird es nun auch die Untersuchungsbehörde wissen». Werde einmal das ganze Ausmass der Trump’schen Dreckgeschäfte bekannt, dann sei er erledigt, so Davidson.
Fürbeide Thesen gibt es nachvollziehbare Argumente. Hier sind sie:
Niemand zweifelt daran, dass die Trump-Organisation in zweifelhafte Geschäfte involviert ist. So what?, sagen die Skeptiker. Im Immobilienbusiness sei dies die Regel, nicht die Ausnahme, besonders in New York. Den meisten Menschen sei dies mehr oder weniger egal. Solange nicht eindeutige Beweise für kriminelle Handlungen vorliegen würden, werde Trump nichts geschehen.
In dieser Sichtweise wird Trump sich herauswinden können, genauso wie es die «Wall Street Banker» in der Finanzkrise taten. Bekanntlich ist keiner von ihnen hinter Gitter gekommen. Die Demokraten und die Medien würden daher einer Chimäre hinterherjagen, argumentiert etwa T.A. Frank im Onlineforum «The Hive».
Bisher ist es dem Sonderermittler Mueller nicht gelungen, eindeutige Beweise für eine Zusammenarbeit Trumps mit den Russen zu finden. Solch eindeutige Beweise seien jedoch die Voraussetzung dafür, Trump ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen, so Frank.
Genau diese Beweise würde jedoch auch die Hausdurchsuchung bei Cohen nicht zutage fördern. Deshalb habe Mueller diese Untersuchung auch an die New Yorker Behörden übergeben. «Michael Cohen mag Trump in ein schlechtes Licht rücken», so Frank. «Aber es ist nicht Trump, der ins Gefängnis wandern wird.»
Auch ein Impeachment müsse er kaum fürchten, glaubt «New-York-Times»-Kolumnist Charles M. Blow. Dieses Verfahren ist politisch sehr heikel. Nur zwei Mal wurde es gegen einen US-Präsidenten angewandt (Andrew Johnson 1868 und Bill Clinton 1998-99). Beide haben es überstanden. Richard Nixon ist freiwillig zurückgetreten.
Für ein Impeachment braucht es eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Das ist nach den Zwischenwahlen im kommenden Herbst zwar denkbar. Um es zu bestätigen, braucht es jedoch eine Zweidrittels-Mehrheit im Senat. Das ist vollkommen unrealistisch.
Ein Impechment hätte auch zur Folge, dass die Trump-Anhänger Amok laufen würden. Sie sähen ihren Helden als Opfer einer linken Verschwörung. Die ohnehin tief gespaltene amerikanische Gesellschaft würde noch weiter auseinander driften; und künftig müsste jeder gewählte Präsident damit rechnen, dass auch gegen ihn ein solches Verfahren eingeleitet wird.
Ach ja, da gibt es noch Stormy Daniels. Die Affäre mit dem Pornostar sei zwar peinlich für Trump, so die Verharmloser. Aber letztlich sei es ein Sturm im Wasserglas, der sich wieder legen werde.
Die Gegenthese geht davon aus, dass Michael Cohen nicht nur viel weiss, sondern dass er auch bald wie ein Kanarienvogel singen wird. Die Eigenheiten des US-Justizwesens ermöglichen es, dass Trumps Fixer bei einer Verurteilung im schlimmsten Fall mit einer jahrzehntelangen Zuchthausstrafe rechnen muss.
Cohen hat zwar einst damit geprahlt, er würde sich für Trump in die Schusslinie werfen. Daran zweifelt selbst sein Vorgänger und langjähriger Trump-Anwalt Jay Goldberg. Er werde umfallen, wenn es wirklich ernst werde, erklärte er gegenüber dem «Wall Street Journal», und rät Trump, sich sofort von ihm loszusagen.
Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort befindet sich in der gleichen misslichen Situation. Auch er sieht sich mit einer langjährigen Zuchthausstrafe konfrontiert, sollte er schuldig gesprochen werden. Der erste Prozess wird voraussichtlich im kommenden Juli stattfinden.
Manafort Kumpel Rick Gates hat bereits die Seiten gewechselt und kooperiert mit dem Sonderermittler. Manafort spekuliert auf eine allfällige Begnadigung durch den Präsidenten, wahrscheinlich vergeblich. Es ist daher denkbar, dass auch der ehemalige Wahlkampfmanager umkippen wird.
Weder eine Zusammenarbeit mit den Russen noch Stormy Daniels sind möglicherweise Trumps Archillesferse, sondern seine Geschäfte. Es gibt plausible Indizien dafür, dass sie mehr als nur ein bisschen dubios gewesen sind.
Peter Fritsch und Glenn R. Simspon, die beiden Gründer von Fusion GPS, haben übers Wochenende in der «New York Times» die mafiösen Geschäfte der Trump-Organisation aufgeführt. Fusion GPS ist das Recherchebüro, das den britischen Geheimdienstmann Christopher Steele damit beauftragt hat, ein Dossier über Trump zusammenzustellen.
Nach einer Serie von Pleiten bekam zwischen 1990 und 2000 Trump kein Geld mehr von amerikanischen Banken. Er musste sich Geldgeber im Ausland suchen – und er fand sie auch. «Wir haben herausgefunden, dass Trumps Projekte von New York bis nach Florida, und von Panama bis nach Aserbaidschan abhängig waren von ausländischen Geldgebern», schreiben Fritsch/Simpson.
Bei der Auswahl der Geldgeber war man offenbar nicht wählerisch. Trump habe gleichermassen mit mafiösen Baulöwen aus Ostereuropa und Drogenhändlern aus Südamerika zusammengearbeitet, so Fritsch/Simpson.
Geldwäscherei im grossen Stil hat selbst Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege angedeutet, vor allem im Zusammenhang mit Jared Kushner. Die Anzeichen mehren sich, dass der Sonderermittler sich intensiv mit Trumps Geschäftsgebaren auseinandersetzt. Nicht Donald Trump legt vielleicht den amerikanischen Politsumpf trocken, sondern Robert Mueller.