Im vergangenen Dezember haben sich Donald Trump und Xi Jinping in Buenos Aires getroffen. Damals haben sie vereinbart, einen Kompromiss im Handelsstreit zwischen den USA und China bis spätestens im Frühsommer auszuhandeln.
Dieser Kompromiss ist gescheitert. China ist nicht bereit, die von den Amerikanern verlangten Gesetzesänderungen in Sachen Patentschutz zu akzeptieren. Trump droht nun erneut mit Strafzöllen: Zusätzlich zu den bereits verhängten Strafzöllen auf Importen in der Höhe von 200 Milliarden sollen weitere 300 Milliarden Dollar mit einem Strafzoll von 25 Prozent belegt werden.
China seinerseits droht mit Vergeltungsmassnahmen und will den Import von amerikanischen Landwirtschaftsprodukten gänzlich stoppen.
Im Konflikt zwischen den USA und China geht es um weit mehr als um wirtschaftliche Interessen. In den Augen der Amerikaner sind die Chinesen zu einem ernsthaften Rivalen geworden. Ob künstliche Intelligenz oder selbstfahrende Autos: China ist mittlerweile eine technologische Supermacht geworden, die sich auf Augenhöhe mit den USA bewegt.
Die Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung ist deshalb gekippt. Grundsätzlich herrscht Einigkeit, dass man es nicht mehr weiter zulassen kann, dass die Chinesen westliches Knowhow abkupfern. Trumps harter Kurs gegen den IT-Konzern Huawei stösst daher auf breite Zustimmung.
Auch politisch ist die Ehe des ehemaligen Traumpaares Chimerica zerrüttet. China wird in Washington nicht mehr als wirtschaftlicher Juniorpartner betrachtet. So hat US-Aussenminister Mike Pompeo kürzlich erklärt: «China will die dominante wirtschaftliche und militärische Macht werden. Es verbreitet seine Vision einer autoritären und korrupten Gesellschaft rund um den Globus.»
Vor sechs Monaten haben sich die beiden Präsidenten noch um eine Entscheidung gedrückt. Diesmal müssen sie Farbe bekennen. Dabei steht sehr viel auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der Weltwirtschaft – und wer auf diesem Planeten das Sagen hat.
Hier sind drei Szenarien über den Ausgang des Treffens zwischen Trump und Xi:
Wahrscheinlichkeit: 10 Prozent
Bis Anfang Mai sah alles nach einem solchen Deal aus. Ein 150-seitiges Abkommen war bereits ausgehandelt, die Unterschrift der beiden Präsidenten schien bloss noch eine Formalität zu sein. Doch dann kam das Njet aus Peking. Die letzten 50 Seiten, welche neue Gesetze zum Patentschutz enthielten, wurden aus dem Deal entfernt.
Trump reagierte, wie er immer reagiert. Er tobte und drohte mit noch höheren Strafzöllen. Bisher ohne Erfolg. Nach einer 200 Jahre langen Demütigung will sich China nichts mehr vom Westen vorschreiben lassen. «Wir haben unsere Lektion gelernt», sagt ein hoher chinesischer Beamter. «Während vier Jahrzehnten haben wir die USA bewundert und nachgeahmt. Aber jetzt wenden sie sich ohne Vorwarnung gegen uns.»
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Deal kommen wird, ist daher klein.
Wahrscheinlichkeit: 70 Prozent
Beide Seiten wissen, dass viel auf dem Spiel steht. Das Letzte, was sich Trump derzeit wünscht, ist ein Börsencrash oder gar eine Rezession. Schliesslich will er nächstes Jahr wiedergewählt werden.
Die chinesische Wirtschaft ihrerseits ist im Begriff, sich von einer exportorientierten Wirtschaft zu einer Wirtschaft zu wandeln, die mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nimmt. Das Letzte, was sich Xi derzeit wünscht, ist, dass dieser heikle Übergangsprozess durch einen ausgewachsenen Handelskrieg mit den USA unterbrochen wird.
Daher ist es wahrscheinlich, dass es zu einem Waffenstillstand kommen wird, will heissen: Es werden keine zusätzlichen Strafzölle verhängt und man verspricht, man werde weiter verhandeln.
Wahrscheinlichkeit: 20 Prozent
Der Optimismus nach Buenos Aires ist weg, die Stimmung vergiftet. Trump und Xi versichern zwar immer noch, wie sie sich gegenseitig schätzen. Doch beide gehen auf Distanz.
Da die US-Wirtschaft weiterhin brummt, wähnt sich Trump auf der sicheren Seite. Er könne mit jedem Ausgang sehr gut leben, erklärte er im Vorfeld des G20-Gipfels selbstbewusst.
Wie gewohnt lässt Trump alles offen: «Mein Plan B ist vielleicht mein Plan A», erklärte er gegenüber Fox Business Network. «Mein Plan B lautet: Wenn wir keinen Deal abschliessen, werde ich Strafzölle in der Höhe von 25 Prozent verhängen, vielleicht auch 10 Prozent. Aber ich will auf jeden Fall Zölle auf die 600 Milliarden Dollar Einfuhren, über die wir sprechen.»
In Peking beginnt man derweil, die Bevölkerung auf den Handels-GAU vorzubereiten. Im Fernsehen werden Filme aus der Zeit des Koreakrieges gezeigt. Damals brachten chinesische Truppen die Amerikaner an den Rand einer Niederlage. Präsident Xi spricht von einem neuen «langen Marsch».
Der legendäre Vorsitzende Mao verstand darunter die Leiden seiner Partisanen im Kampf gegen die Nationalisten. Für Xi geht es um den Kampf gegen die Amerikaner und für die technische Unabhängigkeit.