Alabama hat den Ruf, der konservativste aller konservativen Südstaaten der USA zu sein. In der Hauptstadt Montgomery weigerte sich einst die Schwarze Rosa Park, einen für Weisse reservierten Sitz im Bus zu verlassen. In Selma führte Martin Luther King den berühmten Marsch für die Rechte der Schwarzen an.
Nun ist der ehemalige Sklavenstaat seinem Ruf einmal mehr gerecht geworden. Am Dienstag hat der Senat von Alabama eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die besser ins Mittelalter als in die digitale Gesellschaft des 21. Jahrhunderts passt. Es geht um Folgendes:
Die Abtreibung wird generell verboten, selbst wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung oder einen Inzest erfolgt ist. Einzig wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist, bleibt der Eingriff erlaubt. Ärzte, welche eine Abtreibung vornehmen, müssen bis zu 99 Jahre in den Knast.
Die Vorlage ist ganz nach dem Geschmack der härtesten Hardliner unter den konservativsten Republikanern. Sie macht keinerlei Kompromisse mehr. Greg Reed, der republikanische Mehrheitsführer, erklärt denn auch unumwunden:
So schnell wird die Vorlage allerdings nicht umgesetzt werden können. Zuerst muss sie von Kay Ivey, der republikanischen Gouverneurin Alabamas, abgesegnet werden. Tut sie das, dann muss eine noch viel höhere Hürde übersprungen werden, der Oberste Gerichtshof.
Abtreibung wird in den Vereinigten Staaten national geregelt. 1973 hat das Oberste Bundesgericht eines der wichtigsten und umstrittensten amerikanischen Gesetze der Nachkriegszeit verabschiedet: Roe vs. Wade. Dieses Gesetz besagt, dass Frauen grundsätzlich das Recht auf eine Abtreibung haben.
Sämtliche Bundesstaaten müssen sich diesem Gesetz unterordnen, auch das konservative Alabama. Weshalb also der ganze Ärger?
Konservative kämpfen seit Jahrzehnten erbittert gegen Roe vs. Wade. Mehrere Angriffe sind gescheitert, weil keine Mehrheit im neunköpfigen Gremium des Obersten Gerichtshofs zustande kam.
Das hat sich geändert. Präsident Trump konnte zwei Vakanzen besetzen, und er hat dies mit zwei sehr konservativen Männern getan: Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Damit gibt es nun eine konservative Mehrheit im Obersten Gerichtshof. Deshalb wittern Abtreibungsgegner ihre Chance.
Nicht nur in Alabama, sondern in weiteren 16 konservativen Bundesstaaten sind härtere Abtreibungsgesetze verabschiedet worden. So hat der Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, soeben ein Gesetz unterzeichnet, das eine Abtreibung verbietet, wenn der Fötus einen Herzschlag hat. Das ist nach etwa sechs Wochen der Fall. Die meisten Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie schwanger sind.
Die Taktik der Abtreibungsgegner läuft darauf hinaus, den Obersten Gerichtshof zu einer Neubeurteilung von Roe vs. Wade zu zwingen, in der Hoffnung, dass die neue Mehrheit dieses Gremiums das verhasste Gesetz umstossen wird. «Bisher hat es keine Aussicht darauf gegeben, Roe zu revidieren», bekennt Eric Johnson von der Pro-Life-Organisation offen.
Die Abtreibungsgegner legitimieren ihre Aktionen mit religiösen Gründen und wollen sich für die Anliegen der Frauen einsetzen. Tatsächlich geht es ihnen darum, die Emanzipation der Frauen rückgängig zu machen. Linda Greenhouse, Professorin an der Yale University, erklärt im Magazin «New Yorker»:
Der Aufschrei der Frauen ist denn auch gewaltig. «Es ist ein schrecklicher Tag für uns Frauen« erklärt etwa die bekannte Frauenrechtlerin Cecile Richards. Sie macht aber auch klar, dass eine Abschaffung von Roe vs. Wade von den US-Frauen niemals mehr akzeptiert werden wird.
Nebst der Mauer und der Panik vor einem vermeintlichen Sozialismus der Demokraten wollen die Republikaner den Kampf gegen die Abtreibung zu einem zentralen Thema des Wahlkampfes 2020 erheben. Das könnte sich als Rohrkrepierer erweisen. Bei den Midterms haben die Frauen der Vorstädte den Demokraten zu einer komfortablen Mehrheit im Abgeordnetenhaus verholfen. Im November 2020 könnten sie Trump aus dem Weissen Haus verjagen.
Wenn die nur dem geborenem Leben auch so viel Beachtung schenken würden.