Wirtschaft
Analyse

Wie Putin und Trump versuchen, die Medien in den Griff zu bekommen

Bild
Analyse

Wie Putin und Trump versuchen, die Medien in den Griff zu bekommen

Der russische Präsident will eine Internet-Firewall nach chinesischem Vorbild. Der US-Präsident hat Fox News in einen staatlichen Propaganda-Sender umgemodelt. Beide wollen die absolute Kontrolle.
11.03.2019, 19:5712.03.2019, 09:49
Mehr «Wirtschaft»

Als Wladimir Putin vor bald 20 Jahren Präsident Russlands wurde, hatte er sehr klare Prioritäten: Als Erstes wollte er die Medien unter Kontrolle bekommen. Sein Vorgänger Boris Jelzin hatte mehrere, teils liberale und kritische TV-Stationen zugelassen. Für Putin war dies Jelzins tödlicher Irrtum. Er handelte sofort: Die Eigentümer der liberalen TV-Stationen wurden ausser Landes gejagt, die Journalisten an die staatliche Leine gelegt.

Heute sind alle wichtigen russischen Medien gleichgeschaltet. Oder doch nicht ganz? Das Internet hat Putin nicht in den Griff bekommen. «Speziell YouTube untergräbt das Monopol des staatlichen Fernsehens», schreibt der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe. «82 Prozent der russischen Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 44 schauen YouTube regelmässig an.»

Verfolgen die gleichen Medienziele: Putin und Trump.
Verfolgen die gleichen Medienziele: Putin und Trump.

Gleichzeitig haben immer mehr Russinnen und Russen die Nase voll von der staatlichen Einheitskost. Nochmals der «Economist»: «Gemäss dem Levada Centre, einem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut, ist das Vertrauen der russischen Bevölkerung in das staatliche TV seit 2009 um 30 Prozent gefallen und liegt heute unter 50 Prozent.»

Putin schmeckt diese Entwicklung überhaupt nicht. Er setzt alle Hebel in Bewegung, um das Internet unter staatliche Kontrolle zu bringen. Vorbild dabei ist die chinesische Firewall. In China sind Google, Facebook & Co. entweder gebändigt oder nicht mehr vorhanden. Mit Tencent, Alibaba und Baidu ist es den Chinesen gelungen, ein Parallel-Internet zu installieren.

Es gibt jedoch technische und politische Gründe, die eine russische Firewall verhindern. Die russische Internet-Infrastruktur ist älter als die chinesische. Sie befindet sich immer noch zu einem guten Teil in privaten Händen. Andrei Soldatow, Co-Autor des Buches «The Red Web», weist zudem daraufhin, dass Russland weit stärker als China ins globale Internet-Netz eingebunden ist. Führende Unternehmen wie Yandex haben Server im Ausland, während Google & Co. Server in Russland aufgestellt haben. Dieses Netz zu entflechten dürfte nicht ganz einfach sein.

Russian opposition activist Alexei Navalny takes part in a march in memory of opposition leader Boris Nemtsov in Moscow, Russia, Sunday, Feb. 24, 2019. Thousands of Russians took to the streets of dow ...
Kommt auf YouTub gut rüber: Alexei Nawalny, russischer Oppositionspolitiker.Bild: AP/AP

Das ist ärgerlich für Putin. Alexei Nawalny, der bekannteste russische Oppositionelle, benützt YouTube, um seine Botschaft unter das Volk zu bringen. Seine Videos werden bis zu 20 Millionen Mal angeklickt. Die Russen lieben YouTube jedoch nicht nur als politischen Gründen. Viele junge russische Eltern lassen ihre Kinder YouTube-Videos gucken. Putins Pläne einer russischen Firewall stossen daher auf Widerstand. Am vergangenen Wochenende haben zehntausende Menschen in Moskau dagegen protestiert.

Als Putin die TV-Stationen unter seine Kontrolle gebracht hat, war das Internet als politisches Medium noch keine Grösse. Facebook und YouTube gab es genauso wenig wie das Smartphone. Jetzt das Rad zurückzudrehen dürfte also nicht ganz einfach sein.

In den USA kämpft Donald Trump ebenfalls gegen lästige Journalisten – er bezeichnet sie als «Feinde des Volkes» – an. Einen Teilerfolg hat er bereits errungen: Fox News, die grösste TV-Station des Landes, ist de facto ein staatliches Propaganda-Instrument geworden. Das hat Jane Mayer kürzlich im «New Yorker» eindrücklich aufgezeigt.

epa07036433 US President Donald J. Trump (R) participates in an interview with Sean Hannity (L) before addressing attendees during the Make America Great Again Rally at the Las Vegas Convention Center ...
Ein Herz und eine Seele: Sean Hannity (links) und Donald Trump.Bild: EPA/EPA

Fox-News-Moderatoren wechseln regelmässig ins Weisse Haus und umgekehrt. Sie treten an den von Trump geliebten Wahlkampfveranstaltungen auf. Sean Hannity, der aktuelle Star-Moderator, soll gar täglich mit Trump telefonieren.

In Russland hat Putins ehemaliger Chefideologe Wladislaw Surkow die Propaganda zu einer Kunstform entwickelt. Peter Pomerantsev beschreibt sie in seinem Buch «Nichts ist wahr und Alles ist möglich» wie folgt: «Der Kreml sendet willkürlich wechselnde Botschaften, die seinen Zielen nutzen; (…) das Ergebnis ist ein ganzes Aufgebot an Videos und Stimmen, die weltweit Zielgruppen aus unterschiedlichen Richtungen beackern. Zusammen bilden sie eine Echokammer und einen Multiscreen der Kreml-Solidarität, die über Russia Today verbreitet werden.»

Fox News setzt auf die gleiche Methode. Aussagen, die Trump schaden könnten, werden ins Gegenteil verkehrt und mit Verschwörungstheorien untermauert. Ein Beispiel dafür ist die Art und Weise, wie Fox News mit dem gefeuerten FBI-Chef James Comey umspringt. Comey hat Hillary Clinton wahrscheinlich die Wahl gekostet. Er hat eigenmächtig eine Presskonferenz zur unsäglichen E-Mail-Affäre abgehalten und kurz vor den Wahlen diese Affäre erneut aufgewärmt.

Demokraten und Clinton haben damit sehr gute Gründe, Comey zu hassen. Für Fox-News-Zuschauer bilden Clinton und Comey jedoch ein verschworenes Paar, das mit allen schmutzigen Mitteln und mit Hilfe eines so genannten «Deep State» Trump stürzen will.

Wie einst die Tabakindustrie und heute noch die Klimaleugner setzt Fox News auf die Chaos-Karte. Es geht nicht darum, die Leute zu überzeugen, es geht darum, so viele Zweifel und Widersprüche zu säen, dass der normale Mensch verwirrt ist und unfähig wird, zu unterscheiden und zu entscheiden. So wird ein Zustand erzeugt, in dem tatsächlich nichts mehr wahr ist und alles möglich wird. Dieser Zustand ist die ideale Voraussetzung für ein autoritäres Regime.

Diese Deepfakes musst du gesehen haben

Video: watson/Emily Engkent
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
ChiliForever
11.03.2019 20:23registriert November 2016
Naja, irgendwann dürfen wir uns alle eines "Wahrheitsministeriums" erfreuen, militärischen Krieg braucht es dann nicht mehr, die Massen sind dann auch so unterworfen. Wir (so die 40+er) werden das in der Form vielleicht nicht mehr erleben, unsere Kinder vielleicht schon. Ich glaub' aber irgendwie, daß das vielen Menschen ohnehin egal ist ... :(
676
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dr Barista
11.03.2019 20:31registriert Juni 2016
Die sollten mal bei Silvio anklopfen. Der weiss wie sowas geht!
549
Melden
Zum Kommentar
avatar
Calvin Whatison
11.03.2019 20:26registriert Juli 2015
Ist er nicht hääärzig!? 😂😂😂
Animiertes GIFGIF abspielen
6723
Melden
Zum Kommentar
24
Das grosse Bangen um die Inflation – wie hoch werden die Zinsen danach sein?
Das Rätseln über die Inflation bewegt Aktien, Zinsen, den Franken. Eine UBS-Studie sagt, was nach dem Sieg über die Inflation kommt.

Die Woche begann mit einer Warnung. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wollte den Zentralbanken zeigen, dass ihre Leitzinserhöhungen noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet haben. Denn die Haushalte seien bisher durch festverzinsliche Hypotheken geschützt gewesen. Irgendwann aber würden diese Festhypotheken ablaufen, sodass die hohen Zinsen plötzlich und unerwartet stark durchschlagen und sogar zu Zahlungsausfällen und zu «finanzieller Instabilität» führen können.

Zur Story