Es wäre zu schön gewesen: Sonderermittler Robert Mueller beweist, dass Trump und sein Wahlkampfteam sich mit dem russischen Geheimdienst abgesprochen und somit ein eindeutiges Verbrechen begangen haben. Das hätte Trump politisch kaum überlebt. Auf einen Schlag wäre der vulgärste Lügenbold, der je im Oval Office des Weissen Hauses gesessen hat, vertrieben gewesen; und die USA hätten einmal mehr bewiesen, dass sie nicht nur die älteste Demokratie der Welt sind, sondern auch die stabilste.
Dieser Traum ist geplatzt. Mueller ist nicht der liberale Superman, den sich viele erhofft haben. Er besitzt auch keine übernatürlichen Heilkräfte, um die zerstrittene Nation zu einen. Mueller hat vielmehr nach rund zwei Jahren intensivster Untersuchungsarbeit nüchtern festgehalten, dass es keine ausreichenden Beweise für eine kriminelle Verschwörung zwischen Trump und den Russen gibt.
Die Enttäuschung im Anti-Trump-Lager ist gross. Amerikas Liberale fühlen sich «wie ein Kind, das entdeckt hat, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt», wie es Edward Luce in der «Financial Times» formuliert.
Dass keine Verbrechen begangen wurden, heisst nicht, dass es den Versuch dazu nicht gab. Russlands militärischer Geheimdienst GRU hat Anstrengungen unternommen, um die Wahlen zugunsten von Trump zu manipulieren. Mueller hat dies akribisch bewiesen und mehrere Russen, darunter den Oligarchen und Putin-Vertrauten Jewgeni Prigoschin, deswegen angeklagt.
Nach wie vor ungeklärt sind auch Fragen wie: Warum hat der ehemalige Sicherheitsberater Michael Flynn über seine Russenkontakte gelogen? Was geschah genau am ominösen Treffen im Trump Tower am 9. Juni 2016? Warum hat Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort den Russen via einen Mittelsmann interne Wahlkampf-Daten zukommen lassen?
Der eben erst eingesetzte Justizminister William Barr hat die wichtigsten Erkenntnisse des Mueller-Reports in einem vierseitigen Brief zusammengefasst. Dabei drückt er sich in der zweiten Frage, die der Sonderermittler untersucht hat, unklar aus: Hat Trump versucht, die Untersuchungen in der Russland-Affäre zu behindern (obstruction of justice)?
Der Präsident hat in einem legendären TV-Interview offen zugegeben, den ehemaligen FBI-Direktor James Comey «wegen der Russland-Sache» gefeuert zu haben. Darin will Barr jedoch keine Obstruktion erkennen.
Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Barr ist in dieser Frage befangen. Noch bevor er zum Justizminister ernannt wurde, hatte Barr in einem Memorandum an das Weisse Haus ausgeführt, dass der Präsident gar keine Obstruktion begehen könne. Seine Kritiker glauben daher, dass er deswegen den Job erhalten und dass er nun so gehandelt habe, wie der Präsident es von ihm erwartet habe.
Immerhin gibt es selbst in der knappen Zusammenfassung des Justizministers einen Satz, der noch viele Diskussionen nach sich ziehen wird. Er lautet: «Der Report kommt zwar nicht zum Schluss, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, aber er entlastet ihn auch nicht.» Erst wenn Muellers Original-Report vorliegt, kann diese Frage geklärt werden.
Die politische Ausschlachtung des Reports ist bereits in vollem Gange. Trotz des Vorbehalts im Barr-Brief fühlt sich der Präsident in allen Punkten entlastet und ist bereits zum Gegenangriff übergegangen. Schon morgen wird er an einem Rally vor seinen Maga-Fans auftreten und Breitseiten gegen Demokraten und liberale Medien abfeuern. Es ist auch denkbar, dass er versuchen wird, seinerseits Verfahren gegen die ehemaligen Spitzenvertreter des FBI und erneut gegen Hillary Clinton in die Wege zu leiten.
Trump ist jedoch noch keineswegs aus dem Schneider. Die Untersuchung in der Russlandaffäre war nur eine von vielen, die gegen ihn im Gang sind. Seine persönlichen Finanzen, die dubiose Abrechnung seiner Inaugurationsfeier, seine Wohltätigkeitsorganisation und die Schweigegeld-Zahlungen an Pornostars und Playboy-Models werden weiter untersucht werden.
Diese Untersuchungen führt der Southern District of New York (SDNY). Er ist spezialisiert auf die Machenschaften des organisierten Verbrechens und so etwas wie die Elitetruppe der amerikanischen Strafbehörde. Die Untersuchungen und die Anklage gegen Michael Cohen, Trumps ehemaligen Anwalt, wurden vom SDNY geführt. Enge Freunde des Präsidenten, etwa Chris Christie, ehemaliger Gouverneur von New Jersey, halten diese Untersuchungen für weit gefährlicher als die nun abgeschlossene Russland-Sache.
Die Demokraten ihrerseits werden ebenfalls nicht die Flinte ins Korn werfen. Jerrold Nadler, Vorsitzender des House Judiciary Committee, hat bereits angekündigt, dass er Mueller vor seinen Ausschuss einladen werde, um zu erfahren, was wirklich in seinem Bericht steht. Nadler hat einen Fragebogen an 81 Personen und Stellen verschickt, um Klarheit über die Affäre zu erhalten.
Vom Tisch hingegen dürfte ein Impeachment sein. Nancy Pelosi, die Anführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, hat schon vor Wochenfrist verkündet, dass Trump die Mühe für ein solches Verfahren «schlicht nicht wert» sei.
Vom Ausgang des Mueller-Reports hat man sich auch erhofft, dass etwas Ruhe in die amerikanische Politik kommt und Sachthemen den Diskurs bestimmen. Vergesst es. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Gräben noch tiefer und die Auseinandersetzungen noch hässlicher werden. Ob die US-Demokratie auch diesen Härtetest überstehen wird, bleibt abzuwarten.
Es wird in hiesigen Zeitungen mehr über Trump und aus dem Weissen Haus berichtet, als über den Bundesrat und Regierung in Bern.
Das ist bedenklich!
Es gibt auch schweizer Journalisten, die sich irgendwelchen Wunschvorstellungen hingaben und seit mittlerweile zwei Jahren die unmittelbare Amtsenthebung von Trump prophezeien. Dabei hat alles auf den Mueller-Report aufgebaut, mal sehen was als nächstes ganz sicher, hunderprozentig zum Impeachment führen wird ;)