Lev Parnas pflegte seine Geschäfte aus einem Stripclub in Boca Raton (Bundesstaat Florida) zu tätigen. Igor Fruman durchlief jede Menge Firmen und Geschäftspartner und stand öfter mal vor dem Kadi, weil er seine Schulden und Mieten nicht bezahlen konnte.
Die beiden stehen nun im Rampenlicht der amerikanischen Öffentlichkeit, weil sie vom FBI verhaftet wurden, bevor sie ein Flugzeug nach Frankfurt besteigen konnten. Sie hatten es bereits in den Gangway zur Maschine geschafft.
Parnas ist in der Ukraine geboren, Frurman in Weissrussland. Sie haben jedoch inzwischen einen amerikanischen Pass. Vor allem jedoch sind die beiden Geschäftspartner von Rudy Giuliani, dem Anwalt von Donald Trump. Und beide spielen schliesslich eine bedeutende Rolle in der Ukraine-Affäre. Aber der Reihe nach:
Der Kern der Ukraine-Affäre ist nach wie vor der gleiche. Trump hat von Wolodymyr Selenskyj, dem Präsidenten der Ukraine, als Gegenleistung für Hilfskredite in der Höhe von rund 400 Millionen Dollar verlangt, dass er eine Untersuchung gegen Hunter Biden, den Sohn von Joe Biden, einleitet.
Vater Biden war Vize-Präsident in der Regierung von Barack Obama und hat nach wie vor gute Chancen, Trumps demokratischer Herausforderer im November 2020 zu werden. Sohn Biden war Verwaltungsrat einer ukrainischen Erdgasgesellschaft und soll dabei ein Honorar von 50’000 Dollar pro Monat erhalten haben.
Diese Fakten sind bekannt und sie werden den Kern des Impeachments gegen den Präsidenten bilden. Ein vom Weissen Haus veröffentlichtes Transkript eines Telefongesprächs zwischen den beiden Präsidenten und ein Memorandum eines unbekannten Whistleblowers bestätigen dies.
Nun kommen jedoch immer mehr Details ans Tageslicht – und keines davon ist gut für Trump. Immer klarer zeigt sich, dass es um weit mehr als um das ominöse Telefongespräch geht. Der Angriff auf Biden war eine konzertierte Aktion, die von Trump geleitet und von Giuliani orchestriert wurde. Die beiden Paradiesvögel Parnas und Fruman haben dabei eine tragende Rolle gespielt.
Trump war offenbar geradezu davon besessen zu beweisen, dass Biden sein Amt dazu missbraucht hat, um eine Untersuchung gegen seinen Sohn zu verhindern. Ebenso war er überzeugt, dass die Angriffe auf die Server des demokratischen Hauptquartiers nicht aus Russland, sondern aus der Ukraine erfolgt sind. Beides ist von Geheimdiensten und Untersuchungsorganen längst als Unsinn verworfen worden.
Um diese widerlegten Verschwörungstheorien wieder aufleben zu lassen, mussten zuerst die Profis im Staatsdienst aus dem Weg geräumt werden. Dazu gehörte einerseits die amerikanische Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch. Sie hat einen glänzenden Ruf und hätte Giulianis übles Spiel niemals mitgemacht.
Auftritt Parnas/Fruman: Dank ihrer Herkunft haben die beiden Beziehungen zur russenfreundlichen Fraktion in Kiew. Sie machten sich daran, eine gezielte Hetzkampagne gegen Yovanovitch einzuleiten. Mit von der Partie war auch ein gewisser Pete Sessions, republikanischer Abgeordneter aus Texas.
Sessions war damals der einflussreiche Vorsitzende des House Rules Committees. In dieser Funktion schrieb er einen Brief an Aussenminister Mike Pompeo. Darin forderte er die Entlassung der Botschafterin. Bald darauf setzte in den konservativen Medien eine Kampagne gegen Yovanovitch ein. Mit Erfolg: Im Mai dieses Jahres wurde sie schliesslich nach Washington zurückbeordnet.
Weniger Erfolg hatte der Abgeordnete Sessions. Trotz einer von Parnas/Fruman vermittelten Spende von 20’000 Dollar verlor er seinen Sitz bei den Zwischenwahlen.
Mit der Betreuung der Ukraine wurde nun EU-Botschafter Gordon Sondland beauftragt. Er ist ein steinreicher Hotelkettenbesitzer, der über keinerlei politische Erfahrung verfügt. Sondland hat Trumps Gunst erworben, indem er eine Million Dollar für seine Inaugurationsfeier spendete.
Sondland hatte offenbar auch keinerlei Skrupel, im üblen Spiel von Giuliani mitzumachen. Das zeigen inzwischen veröffentliche E-Mails. Wohl deswegen hat ihn das Aussenministerium im letzten Moment daran gehindert, vor dem Intelligence Committee des Repräsentantenhauses auszusagen.
Während Sondland mit Hilfe von Parnas/Fruman den Weg in Kiew frei machte, räumte Giuliani im West Wing des Weissen Hauses widerspenstige Profis aus dem Weg und ersetzte sie durch willfährige Polit-Hacks.
Alles schien bereit für die Demontage von Joe Biden und eine neue Interpretation der Einmischung in die Wahlen von 2016. Dann trat der Whistleblower auf den Plan – inzwischen sind es bekanntlich zwei – und dem Duo Trump und Giuliani fliegen seither die Einzelteile ihrer Verschwörung um die Ohren.
Täglich wird es schlimmer. So hat die «Washington Post» soeben enthüllt, dass nicht nur die Whistleblower Alarm geschlagen haben. Vier Mitglieder des nationalen Sicherheitsrates, die das Telefonat mitverfolgt haben, waren ebenfalls entsetzt und haben deswegen John Eisenberg, den Rechtsbeistand des Rates, beigezogen.
Parnas/Fruman sind nicht wegen ihrer Rolle in der Ukraine-Affäre verhaftet worden, sondern weil sie verdächtigt werden, im grossen Stil Geld – möglicherweise aus Russland – gewaschen und es in Trump freundliche Superpacs weitergeleitet zu haben. Damit haben sie – falls sich der Verdacht bestätigt – gegen das amerikanische Wahlgesetz verstossen. Superpacs sind eine Art Wahlfonds für Politiker.
Die Verhaftung der beiden schillernden Figuren Parnas und Fruman ist ein weiterer Rückschlag für Trump in einer Woche, die reich an Rückschlägen ist. So wurde bekannt, dass Giuliani auch den ehemaligen Aussenminister Rex Tillerson dazu missbrauchen wollte, einen türkisch-iranischen Goldhändler namens Reza Zarrab aus einem Verfahren gegen ihn zu befreien. Tillerson hat dankend abgelehnt.
Eine Meinungsumfrage von Fox News – ausgerechnet von Fox News – auf hat den Präsidenten auf die Palme getrieben, weil sie ergeben hat, dass 51 Prozent der Amerikaner Trump nicht nur impeachen, sondern ihn aus dem Amt jagen wollen.
Trump reagiert offenbar äusserst nervös. So soll er mehrmals täglich Mehrheitsführer Mitch McConnell anrufen, um sicherzustellen, dass die republikanischen Senatoren bei der Stange bleiben. Die Sorge ist berechtigt: Einzelne Senatoren der GOP äussern bereits Kritik, die meisten halten sich bedeckt. Sollten sich die Umfragewerte weiter verschlechtern, dann ist nicht mehr auszuschliessen, dass Trump tatsächlich um sein Amt fürchten muss.
Ich hoffe wirklich, dass ersteres eintritt und die Republikanischen Senatoren auf ihr Gewissen hören.