Das Trump-Lager gibt sich grosse Mühe, die Ukraine-Affäre als eine weitere Schmutzkampagne der Demokraten und der Medien darzustellen, die zum Ziel hat, einen rechtmässig gewählten Präsidenten aus dem Amt zu mobben. Ja, sie sprechen sogar von einem Staatsstreich.
Dass es um etwas ganz anderes geht, machte gestern William Taylor in seiner Erklärung vor dem Intelligence Committee des Abgeordnetenhauses klar:
Wer ist William B. Taylor? Er hat als Offizier der 101st Airborne Division in Vietnam gedient, 50 Jahre lang unter verschiedenen Präsidenten im diplomatischen Dienst gearbeitet und erfreut sich eines makellosen Rufes. «Man kann sich keinen glaubwürdigeren, allgemein respektierteren, anständigeren Beamten vorstellen», sagt etwa Stephen Sestanovich, der ehemalige US-Botschafter in der Sowjetunion und langjähriger Freund von Taylor in der «New York Times».
Umso verheerender sind die Aussagen, die Taylor nun vor dem Committee gemacht hat, denn wie ein anderer seiner Bekannten erklärt: «Wenn Bill Taylor sagt, es sei passiert, dann ist es passiert.»
Taylor ist von Aussenminister Mike Pompeo nach Kiew delegiert worden, um die von der Giuliani-Clique aus dem Amt gemobbte Botschafterin Marie Yovanovitch zu ersetzen. Weil ihm das Wohl der Ukraine sehr am Herzen liegt, sagte Taylor nach langem Zögern zu.
Bald konnte er im Kriegsgebiet im Donbass mit eigenen Augen sehen, wie sehr die ukrainischen Truppen auf die amerikanische Militärhilfe angewiesen waren. Allmählich erkannte er auch, wie perfide Trump und seine inoffizielle Schattenregierung den neu gewählten Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unter Druck setzten und ihn zwingen wollten, öffentlich eine Untersuchung gegen Hunter Biden und einen mysteriösen Server anzukündigen.
Mit den Aussagen von Taylor – die er mit minutiösen Notizen untermauern kann – wird glasklar, dass das ominöse Telefongespräch vom 25. Juli zwischen Trump und Selenskyj kein Ausreisser war, sondern Teil eines ausgeklügelten Plans. Der US-Präsident persönlich hat dabei die Fäden in der Hand gehalten.
Und das ging so: Eingeweiht in den Plan waren auch Vize-Präsident Mike Pence und Aussenminister Mike Pompeo. Pence hat Selenskyj gar persönlich in Warschau getroffen. Federführend war Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani.
Ein Stufe weiter unten finden wir die «drei Amigos». So wurden der Energieminister Rick Perry, EU-Botschafter Gordon Sonderland und Kurt Volker, ein mit Sonderaufträgen beauftragter US-Diplomat, genannt. Sie mussten die Ausführung überwachen. Die Drecksarbeit ganz unten besorgten Mafia-Typen wie Lev Parnas und Igor Fruman.
Gemäss «Washington Post» hat Taylor diese Schattenregierung wie folgt beschrieben:
BOOM!!! Es gab ein Quidproquo. Klappe zu, Affe tot!
Trump und seine Handlager werden alles unternehmen, um Taylor in den Schmutz zu ziehen. Es wird ihnen schwer fallen. Taylor ist wie erwähnt ein Diplomat ohne Fehl und Tadel. Er hat der Army gedient und sich nicht mit einer vorgegaukelten Knochenkrankheit davor gedrückt, wie Trump dies tat – und er ist von Aussenminister Pompeo persönlich nach Kiew beordert worden.
Weil Taylor so unangreifbar ist, greifen Trump und Co. zu anderen schmutzigen Tricks. Sie bezeichnen das Impeachment-Verfahren als verfassungswidrig, eine völlig absurde Behauptung. Oder sie versuchen einmal mehr abzulenken. So hat Trump gestern in einem Tweet von «lynching» gesprochen, ein in den USA sehr emotional besetzter Begriff, da bekanntlich auf diese Weise einst zehntausende von Schwarzen willkürlich ermordet wurden.
Das Problem der Trump-Lagers besteht aber darin, dass sie nur abstruse Prozess-Klagen vorbringen können, jedoch materiell nichts in der Hand haben. Das bringt die Republikaner zunehmend unter Druck, vor allem die Senatoren. Sie sind es, die schliesslich entscheiden müssen, ob Trump aus dem Amt verjagt werden wird oder nicht.
Diese Entscheidung wird zunehmen schwieriger. Selbst Senator Lindsey Graham, einer der übelsten Trump-Speichellecker, hat noch vor kurzem erklärt: «Wenn man mir beweisen kann, dass Trump nebst dem Telefongespräch tatsächlich in ein Quidproquo verwickelt war, dann wäre das sehr beunruhigend.»
«Da ist Ihr Quidproquo-Beweis, Lindsey Graham», titelt die «Washington Post» heute in ihrem redaktionellen Kommentar.
P.S: Als das Impeachment-Verfahren eröffnet wurde, habe ich die Chancen, dass der Senat Trump auch verurteilen wird, auf 10 Prozent geschätzt. Heute erhöhe ich auf 40 Prozent.
Anscheinend setzt sich im deutschen Sprachraum eher "Impeachment Verfahren" durch.