Die Wirtschaftspropheten sind derzeit sehr optimistisch gestimmt. Das grosse Impfen gegen das Coronavirus nimmt Fahrt auf, die Wirtschaft dürfte sich im kommenden Jahr kräftig erholen. Um ein Überhitzen der Wirtschaft zu verhindern, hätten früher vorsichtige Zentralbanker daher begonnen, laut über eine Erhöhung der Leitzinsen nachzudenken. Das ist derzeit nicht der Fall. Mit einer Erhöhung der Zinsen wird frühestens in zwei Jahren gerechnet.
Die Coronakrise hat die Staaten gezwungen, mit massiven Hilfsprogrammen einen Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Derzeit denkt jedoch noch niemand daran, diese Programme zu kappen. In den USA wird der Kongress voraussichtlich in den kommenden Tagen ein neues Hilfspaket verabschieden. Weder in Deutschland noch bei uns zweifelt jemand an der Kurzarbeit.
Diese Entwicklung ist noch keineswegs abgeschlossen. So rät etwa BlackRock, mittlerweile der grösste Vermögensverwalter der Welt, seinen Kunden, mehr Risiko einzugehen. Mit Staatsanleihen – lange Garant für Sicherheit in jedem Portfolio – sei derzeit kein Staat mehr zu machen.
Inflation und Staatsschulden scheinen ihren Schrecken verloren zu haben. Wir leben im Zeitalter des «magischen Geldes», in der alte Gesetzmässigkeiten nicht mehr gelten. Oder doch nicht? Nicht alle Ökonomen sind über die jüngsten Entwicklungen erfreut.
Zwei von ihnen, Raphaële Chappe und Mark Blyth, sprechen in der jüngsten Ausgabe von «Foreign Affairs» von einem gefährlichen Hokus-Pokus. Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken, allen voran der US-Fed, zeige bereits jetzt schädliche Folgen, so Chappe/Blyth. Sie führen aus:
Die Geldschwemme der Zentralbanken sei zudem nicht nachhaltig, so Chappe/Blyth. Nur eine schmale reiche Elite profitiere davon, und der ungleich verteilte Wohlstand habe nur einen bescheidenen volkswirtschaftlichen Effekt.
Die Kritik an einer lockeren Geldpolitik der Notenbanken und an Staatsdefiziten ist besonders in Deutschland weit verbreitet. In FDP, AfD und am rechten Flügel der CDU wird bereits sehr hörbar gemurrt, dass die «schwarze Null» der Coronakrise geopfert wurde. In einem Interview mit der NZZ spricht Hans-Werner Sinn, ein Leithammel des deutschen Ordoliberalismus, gar von einem «ausgehebelten System» und gibt dem Unbehagen darüber wie folgt Ausdruck:
Sinn beschwört bereits das ultimative Schreckgespenst der Deutschen, die Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg, herauf und warnt:
Eine radikal andere Position vertritt der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman. In seiner Kolumne in der «New York Times» spricht er von einem «Paradigmenwechsel», der sich in den letzten Jahren ereignet habe und stellt fest:
Die teils hysterisch vorgetragene Angst vor einem angeblichen Staatsbankrott sei im Zeitalter von Leitzinsen bei null Prozent völlig fehl am Platz, stellt Krugman weiter fest und folgert daraus: «Wenn die Regierung derzeit Geld aufnimmt, sind die Kosten sehr gering, und das wird mit grosser Wahrscheinlichkeit noch lange so bleiben.»
Wenn sich der Staat in der aktuellen Situation verschuldet, so sei dies alles andere als verantwortungslos, führt Krugman weiter aus. Im Gegenteil: «Das ist ein Akt der Verantwortung, und wir sollten aufhören, uns Sorgen zu machen und stattdessen lernen, die Schulden zu lieben.»
Zu diesem Schluss kommt auch Sebastian Mallaby in «Foreign Affairs». Seinen Kritikern Chappe und Blyth entgegnet er, dass eine neue Austeritätspolitik das Dümmste sei, das man derzeit machen könne. Auch die Geldschwemme der Zentralbanken sei notwendig, um eine Depression zu vermeiden, wie dies in der Dreissigerjahren der Fall war.
In einem Punkt gibt Mallaby seinen Kritikern Recht. Das «magische Geld» kann in der Tat zu einer Vermögensinflation führen, von der hauptsächlich diejenigen profitieren, die bereits Vermögen haben. Um das zu verhindern, muss der Staat regulierend eingreifen. Deshalb stellt Mallaby fest:
Das Geld müsste aber in Infrastrukturprojekte (Green deal etc.) investiert werden. Dies kann nur über den Staat gehen, aber nach Jahrzehnten an Propaganda finden das alle schlecht.
Man könnte des Geld auch mit dem Helikopter direkt an die Menschen verteilen. Das ist aber die "letzte Option" weil Wirtschaft > Menschen
Staaten sollen das Geld in die Hand nehmen, um Infrastruktur und Lebensbedingungen aller zu verbessern!
Das «Schuldenhügeli» der Schweiz liegt ohnehin zu grossem Teil bei der SNB, also ... bei uns.