Wirtschaft
Analyse

Donald Trump ist kein Faschist – er verwandelt die USA in ein Tollhaus

epa08080827 US President Donald J. Trump addresses supporters during his Christmas Rally at the Kellogg Arena in Battle Creek, Michigan, USA, 18 December 2019. The majority of the House voted on 18 De ...
Trump an seiner Weihnachts-Wahlkampfveranstaltung in Battle Creek (Michigan).Bild: EPA
Analyse

Trump ist kein Faschist – er verwandelt die USA in ein Tollhaus

Dem Präsidenten ist es gelungen, die politische Realität in den USA ausser Kraft zu setzen.
20.12.2019, 18:2122.12.2019, 06:26
Mehr «Wirtschaft»

Namhafte Historiker wie Anne Applebaum, Timothy Snyder oder die ehemalige Aussenministerin Madeleine Albright warnen seit dem Amtsantritt von Donald Trump davor, dass der Faschismus in den USA ein Comeback erleben könnte.

Sie tun dies mit guten Gründen: Trump versucht alles, um den Rechtsstaat und die Demokratie auszuhebeln. Er verunglimpft Institutionen wie das FBI und die CIA. Er hat den Justizminister zu seinem persönlichen Anwalt mutiert und er bezeichnet kritische Journalisten als «Feinde des Volkes».

Trump teilt zudem einige Charakterzüge mit Hitler. Er ist nicht nur extrem narzisstisch. Wie der «Führer» ist er auch ein Hypochonder, verachtet Intellektuelle, hat keinerlei Humor, ist bewegungsfaul und arbeitsscheu. Die Ähnlichkeit von seinem wichtigsten persönlichen Mitarbeiter Stephen Miller zu Josef Goebbels ist zudem unübersehbar.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben jedoch gezeigt, dass der Faschismus-Vergleich zumindest verfrüht ist. Was sich derzeit in den USA abspielt, hat wenig Ähnlichkeit mit den Ereignissen in Deutschland in den Dreissigerjahren. Es ist vielmehr ein groteskes Schauspiel, wie es weder Salvador Dalí hätte malen noch Friedrich Dürrenmatt sich hätte ausdenken können.

Das zeigt eine Rekapitulation der Ukraine-Affäre: Trump setzt die frisch gewählte ukrainische Regierung unter Druck, um einerseits seinen gefährlichsten Rivalen bei den kommenden Wahlen ausser Gefecht zu setzen und andererseits eine längst widerlegte These neu zu beleben, wonach die Ukraine versucht habe, die Wahlen 2016 zugunsten von Hillary Clinton zu beeinflussen.

Ein Whistleblower lässt diesen Plan auffliegen. Selbst die Republikaner sind zunächst verunsichert und wollen den Kopf des Präsidenten retten, indem sie sagen, das sei zwar dumm gelaufen, aber es reiche nicht für ein Amtsenthebungsverfahren.

A Baby Trump Balloon floats outside City Hall in Los Angeles Tuesday, Dec. 17, 2019. President Donald Trump is on the cusp of being impeached by the House, with a historic debate set Wednesday on char ...
Der Trump-Baby-Ballon fliegt auch in Los Angeles.Bild: AP

Nun zeigt sich, dass Trump nicht zufällig im Weissen Haus sitzt. Jeder andere hätte versucht, die Spuren zu verwischen und zu verharmlosen. Nicht so Trump: Er veröffentlicht eine Transkription des Telefongesprächs mit Wolodymyr Selenskyj, dem Präsidenten der Ukraine, und behauptet seelenruhig, es sei «perfekt» gewesen.

Das Telefongespräch ist alles andere als «perfekt». Es ist vielmehr ein klares Schuldgeständnis, wie allein das inzwischen legendäre Zitat zeigt, in dem Trump Selenskyj auffordert: «Ich möchte aber, dass Sie uns einen Gefallen erweisen…» (I’d like you to do us a favour, though…)

Die Juden verwenden für solch unverfrorenes Vorgehen den Ausdruck «Chuzpe». Was Trump hier macht, ist Chuzpe auf Stelzen. Er legt ein Bekennerschreiben vor und behauptet gleichzeitig, die Tat, zu der er sich bekennt, habe gar nicht stattgefunden.

Und er kommt damit durch: Die Republikaner wollen nun plötzlich ebenfalls kein Fehlverhalten mehr gesehen haben, obwohl in den Hearings ein von Trump selbst eingesetzter Botschafter und mehrere, über jeden Zweifel erhabene Diplomaten genau das Gegenteil aussagen.

Trump Impeachment Zeitungen Frontseiten
Die Schlagzeile «Impeached» zierte am Donnerstag praktisch jede amerikanische Zeitung.Bild: zvg

Mit anderen Worten, Trump ist es gelungen, die Abgeordneten und Senatoren der Grand Old Party (GOP) dazu zu zwingen, zu behaupten, zwei plus zwei sei fünf und diesen Schwachsinn durch alle Böden hindurch zu verteidigen.

Mehr noch: Sie sehen Trump nicht mehr als Täter, sondern als Opfer einer teuflischen Verschwörung der Demokraten. Sie steigern sich dabei in eine wahre Hysterie. Am Tag des Impeachments im Repräsentantenhauses geht ein Mitglied der GOP gar so weit, die Anklage gegen Trump mit der Kreuzigung von Jesus Christus zu vergleichen.

Nicht weniger absurd geht es auf den Wahlkampfveranstaltungen Trumps zu. Seine Fans skandieren: «Read the transcript» und bekennen gleichzeitig fröhlich, selbst davon keine Zeile gelesen zu haben.

Trump selbst mäandert derweil in seiner mehr als eine Stunde dauernden Rede von einem vor Selbstmitleid triefenden Punkt zum nächsten. Gelegentlich lässt er gar seine loyalsten Fans ratlos zurück, etwa wenn behauptet, man müsse wegen Wasserbeschränkung das Klo zehn Mal spülen, oder wenn er vor explodieren Abwaschmaschinen warnt.

epa08080379 People stand in 17 degree (-8.33C) temperatures waiting to hear US President Donald J. Trump speak at his Christmas Rally at the Kellogg Arena in Battle Creek, Michigan, USA 18 December 20 ...
Trump-Fan an der Weihnachts-Rally.Bild: EPA

Die Aufmärsche der Nazis waren einst streng organisierte Anlässe, begleitet von einer Choreographie mit Fahnen, Fackeln und Uniformen. Trumps Wahlkampf-Veranstaltungen hingegen sind eine Art ausser Kontrolle geratene Bierzelt-Partys, groteske Karnevals, wie sie gelegentlich in dystopischen Sci-Fi-Filmen zu sehen sind.

Trump verspricht auch kein tausendjähriges Reich – er philosophiert über die Klospülung. Er ist kein Führer – er jammert über die Medien und die Demokraten. Aber er hat es geschafft, die politische Realität so vernebeln, dass intelligente und einst vielleicht sogar ehrenwerte Frauen und Männer aus Überzeugung behaupten, zwei und zwei ergäben fünf.

Was Trump erreicht hat ist komisch und furchterregend zugleich – und es wird kein gutes Ende nehmen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So berichteten die US-Zeitungen über Trumps Impeachment
1 / 15
So berichteten die US-Zeitungen über Trumps Impeachment
Die «New York Times» packte die grossen Buchstaben aus: «TRUMP IMPEACHED»
quelle: zvg
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Hassen Sie den Präsidenten?»
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
178 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ohniznachtisbett
20.12.2019 19:06registriert August 2016
Jetzt bin ich mit Löpfe für einmal völlig einig.
25962
Melden
Zum Kommentar
avatar
James McNew
20.12.2019 20:20registriert Februar 2014
Trump selbst fehlt für einen Faschisten wahrscheinlich die Vision für etwas Grösseres als er selbst. Was er aber wunderschön aufzeigt: Kein Mensch, weder Hitler noch Trump oder irgendwer kommt alleine durch reinen Willen an die Macht. Es sind und waren schon immer die skrupellosen Opportunisten und eiskalten Ideologen in der zweiten Reihe, welche ein solches System kreieren und am Laufen halten. Aus diesem Aspekt ist der Vergleich mit den Nazis schon interessant, wie mit jedem totalitärem Regime.
10516
Melden
Zum Kommentar
avatar
Stratosurfer
21.12.2019 06:43registriert März 2014
Allein die Tatsache, dass Putin Trump Rückendeckung gibt, sollte einen hochgradig stutzig machen. Der russische Präsident weiss genau, dass der Narzisst die USA schwächen und innerlich zerreissen wird.
8919
Melden
Zum Kommentar
178
Bitcoin bald bei 100'000 Dollar? 11 Fragen und Antworten zum anstehenden Halving

Bitcoin-Halving hier, Bitcoin-Halving dort. Mittlerweile kommen auch Laien nicht mehr am Gerede des anstehenden Events vorbei. Doch worum geht es dabei?

Zur Story