Nur einmal kurz während unserer Fahrt durch Zürich tippt Milena ein wenig stärker aufs Gaspedal. Sofort macht das Auto einen Satz nach vorn, die Beschleunigung presst die Insassen in die Ledersitze. Akustisch bekommt der Fahrgast davon gar nichts mit. Kein Jaulen aus dem Motorraum, kein Brüllen aus dem Auspuff – einzig das leise Rollen der Reifen auf dem Asphalt und die Windgeräusche sind zu hören. Ansonsten: Stille. Wer glaubt, Elektroautos seien langweilig, sass wahrscheinlich noch nie in einem Tesla.
Milena ist für heute unsere Pilotin. Sie steuert die knapp 90'000 Franken teure Limousine sicher durch den Stadtverkehr. Auf der Rückbank sitzt ihr Chef, Herbert Märki. Der «Aargauer Zeitung» erklärt er, wie er mit seinem Unternehmen Streez die Mobilität in der Schweiz revolutionieren will. Die weissen Teslas spielen dabei eine entscheidende Rolle.
«20 Tesla Model S haben wir bereits bestellt, dazu 20 weitere Elektroautos des chinesischen Herstellers BYD», sagt Märki. Im Dezember geht er mit dieser Flotte an den Start — zunächst als Limousinenservice für Unternehmen in Zürich. «Die Mitarbeiter unserer Kooperationspartner können Mitglied im ‹Club of Streez› werden und sich elektrisch von einem Ort zum anderen chauffieren lassen — beruflich und privat», sagt Märki. Im Gespräch sei man mit namhaften Firmen aus den Bereichen Telekommunikation, Versicherung, Detailhandel und Energie.
Beim Limo-Service soll es allerdings nicht bleiben — Märki hat noch viel Grösseres vor. Er selbst kommt nicht aus dem Mobilitätsbereich, hat in der Geschäftsleitung von Streez jedoch zu diesem Zweck namhafte Fachleute um sich geschart. Mit dabei ist unter anderem der ehemalige Chef des Flottenmanagements der SBB, Philipp Mäder, sowie Marco Fuster, der beim gleichen Konzern die Abteilung Strategie und Organisationsentwicklung im Personenverkehr leitete. An Bord sind ebenso IT- und Marketingspezialisten. Verwaltungsratspräsident ist Stefan Sander, der unter anderem den Verwaltungsrat des Anlageberaters Mercer präsidiert und an der Uni St.Gallen lehrt.
Sobald die Erprobungsphase abgeschlossen ist, soll der «Club of Streez» jedem zugänglich werden. Und zwar nicht nur als Limousinen-Service, bei dem der Kunde das gesamte Fahrzeug mietet, sondern auch als Sharing-Service. Bei diesem mietet der Kunde lediglich einen Platz im Auto, zu einem festen Kilometerpreis. Eine ausgeklügelte Software dirigiert die Pilotin durch den Verkehr und stimmt die Routen so ab, dass alle Klubmitglieder ihre Ziele möglichst effizient erreichen — «zu weniger als der Hälfte der Kosten einer Taxifahrt», verspricht der Streez-Chef.
Das Ganze soll so attraktiv sein, dass die Flotte massiv aufgestockt wird: «In fünf Jahren wollen wir 700 Elektroautos in 13 Agglomerationen einsetzen. Mit Zürich geht es los, dann folgt Basel oder Bern, danach das Limmattal bis hoch nach Baden.»Und dafür braucht Märki Personal. Genauer: weibliches Personal. Denn chauffiert werden die Fahrgäste bei Streez ausschliesslich von Frauen. «Für unsere 40 Fahrzeuge suchen wir bis Dezember 100 Pilotinnen», sagt Märki. Die Fahrerinnen werde man ausbilden — inklusive Fahr-, Sprach- und IT-Training. Märki stellt klar: «Wir wollen keine Taxifahrerinnen abwerben, sondern mit unseren Pilotinnen ein neues Segment aufmachen.» Infrage kämen zum Beispiel Studentinnen und Mütter, die vier oder fünf Stunden am Tag in Teilzeit arbeiten können. «Wenn wir bei 700 Autos sind, werden 2100 Pilotinnen bei uns angestellt sein.» Bei 13 Regionen seien das jeweils etwa 160 Frauen. Diese zu verpflichten ist laut Märki kein Problem: «So viele Mitarbeiterinnen müssen Sie auch rekrutieren, wenn Sie ein grösseres Restaurant eröffnen.»
Dass Streez voll auf Pilotinnen setzt, habe mit der Akzeptanz des Projekts zu tun. «Frauen bringen eine höhere Sozialkompetenz mit, sie machen statistisch weniger fatale Unfälle – und viele geben ihr Kind lieber einer Frau mit als einem Mann.» Das wiederum eröffne für Familien neue Möglichkeiten: «Sie können Ihre Tochter ins System einbuchen, dass sie jeden Dienstag um 17 Uhr abgeholt, zum Musikunterricht gebracht und um halb sieben wieder nach Hause gefahren wird», sagt Märki.
Die Pilotinnen sind das Gesicht des Projekts, das Herz steckt im Computer. Märkis Team programmiert einen sogenannten «multimodalen Routenplaner». Dieser schlägt dem Nutzer verschiedene Strecken mit Kombinationen aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln vor. Der Kunde lädt sich eine entsprechende App auf sein Handy und kann für die gewünschte Route direkt online bezahlen.
Märki erklärt das so: «Die App macht Ihnen verschiedene Vorschläge, wie Sie an Ihr Ziel kommen. Zum Beispiel fahren Sie mit Streez zum Bahnhof, weiter mit der Bahn nach Bern, dort steigen Sie um ins Tram und fahren schliesslich mit dem Taxi zum Ziel. Die App berechnet verschiedene Möglichkeiten – mit unterschiedlichen Zeiten und verschiedenen Kosten. Sie können auswählen, wie Sie fahren wollen.»
Rund zehn Millionen Franken investiert die Firma über die nächsten fünf Jahre in die Software. Vier eigene Leute in Bern und ein Dienstleister mit 16 Angestellten seien allein damit beschäftigt.
In der Vernetzung der unterschiedlichen Fortbewegungs- und Transportmittel liegt der grösste Mehrwert von Märkis Konzept. «One-Way-Mobility», nennt es der Streez-Chef und meint, dass sich künftig niemand mehr mit seinem eigenen Auto durch die Stadt quälen muss, fürs Parkieren bezahlt und wieder heimfährt. Oder mühsam Tram-, Bahn- und Taxifahrten einzeln aufeinander abstimmen und bezahlen muss. Für Märki ist die Mobilität der Zukunft einfach, vernetzt und flexibel. Partner aus dem öffentlichen Verkehr, dem Taxigewerbe und aus dem Carsharing-Bereich habe man für diese Idee bereits gewinnen können.
Die weissen Teslas haben im Mobilitäts-Konzept von Streez eine besondere Aufgabe: «Wir machen die erste und die letzte Meile. Unser Sharing-Service zielt auf Kurzstrecken ab», sagt Märki. «Die SBB fährt bei Ihnen nicht vor die Tür, unsere Pilotinnen schon.»
Die Kunden bekämen so mehr Flexibilität bei geringeren Kosten. «Wir wollen die Mobilität radikal vereinfachen», sagt Märki. «Das wollen die Leute, das ist unsere Motivation.»
Auch die Elektromobilität in der Schweiz könnte von dem Projekt profitieren. «Flotten wie unsere ermöglichen erst die flächendeckende Einführung von Elektroautos», sagt Märki. Das Erlebnis der Leute, die mitfahren, werde dazu führen, dass die Elektromobilität akzeptiert werde – letztlich auch im privaten Besitz.
Das sei auch aus nationaler Sicht interessant: «Den Strom für ein Elektroauto können Sie komplett in der Schweiz herstellen, ohne fossile Brennstoffe importieren zu müssen.» Das wiederum käme auch der Energiewende zu Gute, denn «ein Teil der Mobilitäts-Revolution», so Märki, «besteht ganz wesentlich darin, dass Mobilität sauber wird.»
Was wohl die GleichstellungsbeauftragtInnen dazu sagen?