Wir wohnen hier am Stadtrand von Lusaka in einem neueren Quartier. Wlan, fliessend warmes Wasser, eine Klimaanlage und eine westliche Toilette sind selbstverständlich. Die Putzfrau räumt täglich auf, das Haus wird 24 Stunden bewacht, es ist umgeben von einer hohen Mauer und der kleine Garten strahlt in kräftigem Grün. Um uns herum ist es ruhig. Hier lässt es sich Leben. Meist fällt abends um ca. 18 Uhr der Strom aus. Dank einem Generatoren müssen wir dann jeweils nur einen Schalter umlegen und wir haben wieder Saft. Das TV-Bild ist schwarzweiss, die Lampe im Wohnzimmer hat Wackelkontakt – unsere Unannehmlichkeiten sind sehr bescheidener Natur.
Zweimal die Woche gehen wir joggen. Dabei rennen wir die Teerstrasse entlang und biegen nach 500 Metern links ab auf eine Schotterpiste. Nach fünf Minuten erreichen wir den Compound, wie die Townships (Armenviertel) hier genannt werden. Normalerweise joggen wir innert 40 Minuten um diese Gegend. Es ist in unserem Haus kaum vorstellbar, wie die Leute wenige Meter Luftlinie von uns entfernt in einer Art Parallelwelt leben.
Musungu (Weisser) oder Masungu (Weisse) rufen uns die Kinder von weitem zu. Alle winken, selbst ältere Männer rennen spasseshalber wenige Meter mit uns mit. Wir erhalten so viele «Daumen hoch», dass wir «like-mässig» fast mit Roger Federers Facebook-Posts mithalten können. Die Stimmung ist nie beängstigend, sondern extrem herzlich. Einmal stoppen wir bei einem jungen Mann, der in Turnhose vor seinem Häuschen steht und kommen mit ihm ins Gespräch. Nach wenigen Minuten fragen wir, ob er Lust hätte, uns sein Viertel zu zeigen. Natürlich hat er das. Will sich aber eine lange Hose anziehen, damit er einigermassen eine Falle macht.
So führt uns Blessing durch den Wald von kleinen Hüttchen. Das Leben findet überall draussen statt. Überall ist es laut. Privatsphäre? Fehlanzeige. Immer wieder kommen wir an Brunnen, an welchen die Bewohner Wasser für den täglichen Gebrauch holen. Ein langer Graben zeugt davon, dass hier bald Wasserleitungen gelegt werden sollen. Blessing führt uns tief in den Compound hinein zum Markt, an der Schule vorbei und erzählt viel.
Streunende Hunde kreuzen unseren Weg, Hühner gackern herum, Kinder spielen in zerfetzten Kleidern mit alten Autoreifen. Es zerreisst uns fast das Herz, was wir hören und sehen. Wenige Tage zuvor erging es uns schon ähnlich, als uns Katula (ihr erinnert euch, der Highschool-Schüler der ersten Busfahrt) besucht. Er wohnt in einer etwas besseren Gegend, aber er staunt Bauklötze, als er die «fantastische Aussicht» von unserem Balkon im zweiten Stock sieht, kann nicht glauben, wie ruhig es bei uns ist, erzählt, dass er zu seiner Tante ziehen musste, weil er dort Strom habe und die Schule erreichen kann. Zuhause musste er jeweils im fensterlosen Raum im Kerzenschein lernen und der Weg zur Schule war viel zu weit, als dass er diese täglich hätte besuchen können.
Man kennt die Bilder ja aus dem TV oder von früheren Reisen, aber wenn man sich dann mittendrin befindet, ist dies nochmals ein ganz anderes Erlebnis. Trotz der schreienden Armut begegnen uns die Leute mit Freude, einige Kinder verfolgen uns fast den ganzen Weg.
Etwas unangenehm wird es nur einmal, als ein Besoffener sich mit uns unterhalten will. Blessing schüttelt ihn aber gekonnt ab. Wir testen das lokale Essen am Stand von Blessings Ehefrau und dann ist unsere Reise durch diese völlig andere Welt auch schon wieder zu Ende. Wir joggen zurück zu unserem Haus. Der Wasserstrahl der erfrischenden Dusche variiert stark, unsere Vorbereitungen für den nächsten Tag an der Universität werden von einem Stromausfall für eine Minute unterbrochen, teilweise lädt das Internet so langsam, dass wir keine Bilder hochladen können und das zwischenzeitliche Flackern der Wohnzimmerlampe nervt. First World Problems. Völlig lächerlich.