Wenn am Samstag in Noirmoutier-en-l'île in der Vendée die Tour de France gestartet wird, dann ist Chris Froome der grosse Favorit. Die letzten drei Austragungen gewann der Brite, mit dem Sieg im Jahr 2013 bringt er es auf vier Gesamtsiege. Und er hat mit der Tour 2017, der Vuelta 2017 und dem Giro 2018 drei Grand-Tours in Folge gewonnen. Der jüngste Triumph an der Italien-Rundfahrt war besonders eindrücklich herausgefahren.
Drei Minuten und 22 Sekunden liegt Froome vor der 19. Etappe im Gesamtklassement hinter Simon Yates zurück. Zwischen ihm und dem Leader sind auch noch der holländische Vorjahressieger Tom Dumoulin und der Einheimische Domenico Pozzovivo. Doch am Ende von 184 Kilometern knochenharter Arbeit strahlt der schmächtige Froome in der Maglia Rosa und hat sein Landsmann Yates nach einem Einbruch 39 Minuten und damit alle Hoffnungen verloren.
Wie war es möglich, dass Chris Froome am Aufstieg zum legendären, teils nicht asphaltierten Colle delle Finestre alle seine Gegner derart abhängen konnte? Und danach alleine dem Ziel entgegen jagte, um dort mit drei Minuten Vorsprung und mehr auf alle anderen anzukommen?
Sein Team Sky hat nun, sechs Wochen später und kurz vor dem Start der Tour de France, der BBC detaillierte Ernährungspläne und Froomes Daten während des Rennens zur Verfügung gestellt. Unter anderem erfahren wir, was Froome vor der legendären 19. Etappe als Zmorge empfohlen wurde: Unter anderem 400 Gramm Reis, ein Omelett aus drei Eiern und vier Pfannkuchen mit Konfitüre.
Dieser Berg von Lebensmitteln steht im Kontrast dazu, was Froome in der Anfangsphase des Giro zu sich genommen hat. Denn der Sky-Plan sah vor, dass der Fahrer erst während der Rundfahrt auf sein Idealgewicht kommen sollte. Schliesslich ist es bei Profis genau gleich wie bei jedem anderen Menschen: Je leichter man ist, desto einfacher kann man einen Berg hoch kommen.
Ein heikles Unterfangen, denn die Balance musste genau stimmen. Fehler beim Gewichtsmanagement hätten teuer bezahlt werden müssen und sicher nicht mit einem Sieg geendet. Gerade während des Rennens musste sich Froome richtig ernähren, um nicht einen Hungerast zu erleiden und alles zu verlieren.
Sky gilt als Team, für das der Radsport auch viel mit Wissenschaft zu tun hat. Entsprechend akkurat wurde die Etappe geplant. Froome wusste, wann er welches Gel zu sich nehmen sollte und er wusste, dass er am Ende noch zwei Raketen zünden konnte. Dieser «Rocket Fuel» klingt indes spektakulärer, als er ist, denn besonders kohlenhydratlastige Getränke-Shots nehmen die meisten Fahrer in der Schlussphase des Rennens zu sich. Besonders am Shot der Sky-Fahrer sei, sagte der Ernährungsberater des Teams, dass er noch einmal deutlich mehr Kohlenhydrate liefere als andere.
Froomes Herz schlug vor der 19. Etappe bloss 32 Mal pro Minute. Dieser Ruhepuls ist äusserst bemerkenswert, im Profifeld aber keine Seltenheit. Während der Etappe, das zeigt die Auswertung seiner Daten, hatte Froome einen Maximalpuls von 159. Überaus beeindruckend ist die Kraft, mit welcher der an diesem Tag 68,9 Kilogramm schwere Brite in die Pedalen trat. Bei seinem Angriff am Finestre erreichte er während 16 Sekunden eine durchschnittliche Leistung von 603 Watt – also 8,75 W/kg, dem Vergleichswert für verschieden schwere Fahrer. Während des gesamten, 64 Minuten langen Aufstiegs auf den Colle delle Finestre leistete er durchschnittlich 5,9 W/kg.
«Ich veröffentliche die Daten gerne, damit sie helfen können, unsere Leistungen einzuordnen», sagte Chris Froome zur BBC. Zweifler wird er damit nicht überzeugen können. Aber die Unterlagen zeigen, wie viel der Fahrer und sein Team Sky unternehmen, damit Froome auf dem Velo «nur noch» ausführen muss. Auch ab Samstag, wenn er die 105. Austragung der Tour de France gewinnen und als erster Fahrer seit Marco Pantani 1998 das Double Giro/Tour schaffen will.