Die Tour de France ist Frankreichs grösstes Volksfest. Wenn sich die besten Veloprofis der Welt drei Wochen lang durch die Grande Nation quälen, säumen Tausende die Strassen. Und die vielen Menschen hinterlassen Abfall, reichlich. 20 Tonnen sollen es im Durchschnitt sein pro Etappe. Üblicherweise sind Mega-Events wie die Tour de France eine kleine Umweltkatastrophe, in den letzten Jahren zumindest.
Doch die Corona-Pandemie hat einiges verändert. Sie hat die Frankreich-Rundfahrt auch abseits der malerischen Landschaftsbilder grüner werden lassen. Das Virus kann tatsächlich auch positive Seiten haben. Mehrere Millionen Fans bleiben in diesem Jahr der Strecke fern, stattdessen erfreut sich das französische Fernsehen über steigende Einschaltquoten – mit dem positiven Nebeneffekt, dass deutlich kleinere Abfallberge entlang der Strecke in den Tour-Städten oder auch im Hochgebirge zurückbleiben. Denn wenn der Tross mit seiner ganzen Entourage – in diesem Jahr sind es nur 3000 statt 5000 Personen – durch Frankreich rollt, leidet die Umwelt. Seit Jahren protestieren deshalb die Umweltschützer.
Die grüne Welle hat – unabhängig von Corona – auch Tour-Direktor Christian Prudhomme wahrgenommen. Er weiss, dass sich sein Rennen den Ruf einer «Dreckschleuder» nicht leisten kann. «Die Tour hat sich seit Jahren schon dem Umweltansatz verpflichtet. Es werden weniger Kunststoffprodukte verteilt und die Tour-Organisation fährt ausschliesslich Hybrid-Autos», sagt Prudhomme deshalb.
Aber ob das reicht? Das Département Haute-Savoie hat in der Vergangenheit einmal 43 Kubikmeter Abfall auf 150 km entlang der Strecke eingesammelt. Der grösste Abfallproduzent ist dabei die Werbekarawane, die täglich mit aufwändig gestalteten Werbefahrzeugen ein bis zwei Stunden vor den Veloprofis die Strecke entlangfährt.
2019 wurden 15 Millionen Gegenstände ins Publikum geworfen. Viel nutzloses Zeug wie Mützen, Armbändern oder Schlüsselanhänger bis hin zu Waschmittelproben. Wie sehr das noch alles zeitgemäss ist, wird beim Veranstalter nicht diskutiert. Schliesslich gehört die «Caravane publicitaire» bereits seit 1930 zum Inventar. In diesem Jahr sind aber nur noch 100 der sonst 160 Fahrzeuge – oftmals aus Kostengründen im Zuge der Corona-Krise – vertreten.
Verpflichtend ist inzwischen, dass nur noch Lebensmittel in Plastik verpackt sein dürfen. Und auch sonst haben sich die Firmen inzwischen etwas einfallen lassen. Ein Wursthersteller hat etwa seine recycelbare Verpackung mit einem Rabattgutschein von einem Euro versehen, den der Radsport-Fan im Supermarkt einlösen kann. Der Druck zu Nachhaltigkeit steigt. Da die Veranstalter der Frankreich-Rundfahrt die Umwelt-Problematik nicht einfach ignorieren können, haben sie in diesem Jahr sogar neun Umweltbeauftragte engagiert.
Auch die Fahrer müssen sich längst dem Umweltkonzept beugen. Entledigen sie sich während des Rennens ausserhalb der 126 vorgesehenen Zonen ihres Abfalls, droht eine Busse von 200 Franken. Das ist für die Profis grundsätzlich kein Problem, sie würden sich allerdings auch freuen, wenn sich die Organisatoren genauso engagiert dem Thema Streckensicherheit zuwenden würden.
Für Titelverteidiger Egan Bernal und seine Berufskollegen gibt es aufgrund der Corona-Pandemie heuer eine weitere Einschränkung: Damit die Fahrer ihre «Team-Bubble» nicht verlassen, entfällt der Transfer mit dem Flugzeug oder dem Schnellzug. Auch für die Fans ist der Zugang zu den meisten Bergpässen in diesem Jahr nur zu Fuss oder mit dem Velo erlaubt. So gesund war die Tour schon lange nicht mehr. (ram/sda/dpa)