Union Berlin wird spätestens seit dem Aufstieg in die Bundesliga (zu sehr) abgekultet. Davon bin ich eigentlich überhaupt kein Fan, allerdings hat die Alte Försterei tatsächlich etwas Magisches. Bevor man im Stadion ist, läuft man erstmal ein Weilchen durch den Wald, auf dem Weg hat es überall Würstchenbuden und Bierverkäufer. Da hatten sie mich schon. Als dann vor Spielbeginn «Eisern Union» abgespielt wurde, war es definitiv um mich geschehen. Dass auf dem Feld dann Greuther Fürth mit 4:0 abgefertigt wurde, schadete der Stimmung definitiv auch nicht.
Ich bin dankbar dafür, dass ich vor dem Abriss dieses Istanbuler Hexenkessels ein Spiel in ihm miterleben durfte. Es war weder das architektonisch schönste, noch das grösste oder legendärste Stadion, in dem ich war – aber es hatte eine Seele. Erst die Zuschauer füllen einen Bau aus Stahl und Beton mit Leben.
Die Galatasaray-Fans machten pausenlos Stimmung, das ganze Stadion sang mit, schon weit vor dem Anpfiff und die ganze Partie hindurch. Es war ein friedliches, ungefährdetes 4:1 gegen Dinamo Bukarest, aber ich bekam eine Ahnung davon, wieso dieses Stadion auch als «Hölle» bekannt war. Und das nicht irgendwo in einem schmucklosen Industriegebiet, sondern mitten in der Stadt, wo der Fussball hingehört: zu den Menschen.
Ein Stadion wie kein anderes. Als ich vor dem Derby zwischen Milan und Inter aus der Metropolitana stieg, traute ich meinen Augen nicht: Da stand dieser riesige Koloss mit den elf charakteristischen Rundtürmen. Ich kannte das Stadion aus dem Fernsehen von der WM 1990 und von der Serie A, aber ich hatte es mir viel kleiner vorgestellt. Durch die dutzenden Stände mit gefälschten Trikots ging es dann ins Innere und ich wurde gleich noch einmal erschlagen. Diese Dimensionen und trotzdem so eine Stimmung!
Mein Sitz wurde damals gleich dreimal verkauft, ich musste also wie viele meiner Kollegen stehen, aber das war völlig egal. Zurecht trägt das San Siro den Spitznamen «La Scala del calcio» («Die Oper des Fussballs»), nirgends wird das Fussball-Schauspiel mehr zelebriert. Wie schade, wenn dieses Stadion tatsächlich abgerissen würde.
Das Anfield ist ein Musterbeispiel eines englischen Fussballtempels, mitten in einem Liverpooler Wohnquartier mit den charakteristischen Reihenhäuschen und Pubs direkt über der Strasse. Das originale Stadion ist kompakt und ermöglicht nicht nur ein hautnahes Fussballerlebnis. Nur schon das Live-Erlebnis der LFC-Hymne «You'll Never Walk Alone» lohnt bereits den Besuch. Derzeit wird das Anfield umgebaut und vergrössert. Es ist zu befürchten, dass einiges vom alten Charme auf der Strecke bleiben wird.
Beim Eröffnungsspiel des Afrika-Cups 2010 ist das Stadion zwar noch nicht ganz fertig. Es wird am Spieltag noch fleissig gemalt und gehämmert, aber das Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Angola und Mali ist ausverkauft. Oder wohl eher überausverkauft. Man weiss es nicht genau. Ein Stadion-Erlebnis in Afrika ist so etwas wie die Halbzeitshow beim Super-Bowl: Niemand weiss genau, was kommt, aber es wird super. Und die eigentliche Action gibt es vorher und nachher.
Im Stadion gab es beispielsweise einen Lift, einer der wenigen im ganzen Land. Maximal sollten da sechs Leute rein, nach dem 4:4 sind wir zu elft. Der Lift bleibt stecken, es blinkt «Out of Service». Es ist kein gutes Gefühl, in einem überladenen Lift in einem afrikanischen Stadion steckenzubleiben, das unter Zeitdruck von Chinesen hingeklöpft wurde. Nach 30 Sekunden fährt der Lift im Zeitlupentempo nach unten.
Die Stimmung in diesem Hexenkessel mit den völlig verrückten Feyenoord-Fans ist einmalig. Wir YB-Fans standen direkt unter dem Dach, dementsprechend geile Akustik. Da ging die Post ab! Ein grosses Plus sind die zahlreichen Bier- und Foodstände im Gästesektor. Dementsprechend oft konnten wir unsere Kehlen ölen. Abzüge gibt es für die rigorosen Sicherheitsmassnahmen, die wegen der Feyenoord-Hools nötig sind. Ein Grossteil der Fans verpasste deswegen den Anpfiff.
Was war das für ein Abend: Jung-Franzoni mit Auto und wenig Geld in der Tasche auf dem Weg in eines der berühmtesten und historischen Stadien der Welt! Angekommen in Liverpool ging es per Fanmarsch in Richtung Anfield. «You'll Never Walk Alone» stand da beim Eingangstor des Stadions – und diese Hymne ertönte dann auch richtig laut im Kessel der «Reds», Gänsehaut! Sonst weisen meine Erinnerungen an das Spiel, das 2:2 endete, ein paar Lücken auf. Was mir aber geblieben ist, ist die wahnsinnige Akustik in diesem Fussballtempel. Wir YB-Fans sangen – zum Erstaunen der englischen Fans – 90 Minuten durch, und ich glaube, dass die Lieder nirgends so schön geklungen haben wie in diesem geilen Stadion.
Bestes Stadionerlebnis für mich: Das Stade du Ray in Nizza, mitten in die Stadt gebaut, uralt, irgendwelche Metallgerüste, die sich Hintertor-Tribüne nannten und ein wunderbar traditionelles Einlauflied. Weit weg von jeglicher Modernität, das Essen im Stadion war grässlich, die Stimmung jeweils bestens, ausverkauft war das Stade du Ray selten. Ich war in Nizza im Sprachkurs und alle zwei Wochen beim Heimspiel dabei, regelmässig alleine, weil sich niemand zu einem Matchbesuch überreden liess. Heute steht wie fast überall auch in Nizza eine moderne Arena, das Stade du Ray hätte in meinen Augen jedoch völlig gereicht.
Das schönste Stadionerlebnis hatte ich in Irland. Da bin ich quasi zufällig nach einem ausgiebigen Pub-Nachmittag in den Dalymount Park gestolpert. Im Stadion des Bohemian FC haben insgesamt etwa 4000 Personen Platz und trotzdem gibt es gleich zwei Pubs im Gebäude. Herrlich!
2009 durfte ich im Casa Blanca, der Heimat von LDU Quito, das Finalrückspiel der Recopa Sudamericana schauen. «Wir» gewannen gegen Internacional 3:0 und dank des Gesamtscores von 4:0 den Pokal. Die Rohheit dieses Fussballtempels war absolut faszinierend, der Innenausbau vergleichbar mit einem irischen Schafsstall. Aber das machte den Charme. Clever war das Stadion trotzdem: Das Pissoir befand sich hinter einer hüfthohen Mauer in der obersten Reihe. Bier entsorgen, ohne was vom Spiel zu verpassen. So muss Stadion.
Ich war nie im San Siro, das Camp Nou kenn' ich nur aus dem Fernsehen, vom Wembley hab ich nie geträumt. Für mich findet Fussball seit jeher im Brügglifeld statt. Als dort Sforza, van der Gijp und Herberth über den Rasen rannten, stand ich auf den rutschigen, mit Holzpflöcken gesicherten Stehplätzen und fieberte mit. Als Di Matteo, Aleksandrov und Ratinho das Team zum Meistertitel schossen war ich da und auch als Burki, Benito und Bengondo den Abstieg nicht verhindern konnten, harrte ich in der Kurve aus. Spieler kamen und gingen, aber das Brügglifeld ist sich treu geblieben. WCs unter Kirschbäumen, Totomat-Kurve, improvisierte Bierstände und 80er-Jahre-Mief – alles noch da.
In welchem Stadion hat es dir besonders gut gefallen? Schildere uns dein bestes Fussball-Erlebnis in den Kommentaren – am besten gleich mit Bild!
Thema erledigt, nächste Umfrage bitte :D
Bin nur auf diesen Artikel um reinzuschreien, das Brügglifeld fehlt!! aber nope siehe da, die Watson redaktion hat ihren Job gemacht!! haha
Absoluter Hexenkessel, bombastische Atmosphäre und sehr faire Bierpreise