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Unvergessen

Jerren Nixon schiesst für den FCSG gegen den FC Basel ein Phantomtor

Begeisterte FC St. Gallen Fans am Sonntag ,18. Maerz 2001, beim Spiel FC St. Gallen-Lausanne auf dem Espenmoos in St. Gallen. (KEYSTONE/Regina Kuehne) === ELECTRONIC IMAGE ===
Die Fans des FC St.Gallen hatten um die Jahrtausendwende oft Grund zum Jubeln.Bild: KEYSTONE
Unvergessen

Der FC Basel tobt, doch Nixons Phantomtor für den FCSG zählt

22. April 2001: Im Espenmoos geht es zwischen dem FC St.Gallen und dem FC Basel mal wieder drunter und drüber. In einem hitzigen Spiel setzt sich der Titelverteidiger aus der Ostschweiz in der 96. Minute 3:2 durch. Zu reden gibt besonders das 2:0 durch Jerren Nixon.
22.04.2023, 00:0222.04.2023, 18:07
Ralf Meile
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«Ich konnte es nicht glauben!» Linienrichter Roger Giger, ein 41-jähriger Luzerner, ist nach dem Spiel am Boden zerstört. Gleich nach dem Schlusspfiff hat er seinen Kollegen Claudio Circhetta, später FIFA-Schiedsrichter, angerufen. Und der sagt Giger zur Szene, welche die Gemüter erhitzt: «Tut mir leid, kein Tor.»

Aber der Reihe nach. In St.Gallen hat sich Ende April der Winter zurückgemeldet. Über Nacht hat es rund 20 Zentimeter Neuschnee hingeworfen. Dass das Fernseh-Livespiel um 16.15 Uhr stattfinden kann, scheint ausgeschlossen. Doch weil die TV-Übertragung Geld einbringt, setzen die Grün-Weissen alles daran, dass gespielt werden kann. Morgens um 6.30 Uhr beginnt die Schneeräumung, an der sich Junioren und Fans des FCSG beteiligen.

Das Fussballstadion Espenmoos in St. Gallen wird am Sonntag, 22. April 2001, von rund 50 freiwilligen Helfern von der dicken Schneeschicht befreit, die ueber Nacht gefallen war. Am 22. April 2001 soll ...
Bis kurz vor dem Anpfiff wird gefräst und geschaufelt.Bild: KEYSTONE

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit – den die Schneeschaufler gewinnen. Um 16.07 Uhr gibt Schiedsrichter Dieter Schoch grünes Licht. Acht Minuten vor dem Anpfiff.

Der Linienrichter zweifelt keinen Moment

Abwehrchef Marco Zwyssig bringt St.Gallen nach einer halben Stunde in Führung. Kaum hat die zweite Halbzeit begonnen, kommt es zum «Skandal», wie es FCB-Trainer Christian Gross hinterher sagen wird. Jerren Nixon misslingt eine Flanke vor das Tor der Basler, FCB-Goalie Miroslav König pflückt den Ball herunter. Doch plötzlich Konfusion: Der Linienrichter zeigt ein Tor an. Giger hat den Ball in seinem ganzen Umfang hinter der Linie gesehen. Schiedsrichter Schoch vertraut seinem Assistenten und gibt den Treffer.

Die TV-Bilder zeigen: Der Ball war nicht hinter der Linie.Video: streamable

Die Espen nehmen das Geschenk gerne an, sie feiern das 2:0. Derweil bestürmen die Basler Schieds- und Linienrichter. Umgehend legt der FCB durch Captain Mario Cantaluppi noch auf dem Spielfeld Protest ein.

Basler Ausgleich mit zwei Mann weniger

Es ist die umstrittenste Szene des Spiels, aber längst nicht die einzige hitzige. Schon nach 13 Sekunden zückt Schiri Schoch erstmals Gelb (gegen Sébastien Barberis), bereits nach 25 Minuten ist der Arbeitstag von Nenad Savic vorbei. Erst foult er Patrick Winkler übel, später leistet er sich eine Tätlichkeit am St.Galler. Eine Viertelstunde vor dem Ende muss mit Philippe Cravero noch ein Basler früher runter – und trotzdem gelingt neun Baslern der Ausgleich zum 2:2.

St. Gallens Jerren Nixon, rechts, schiesst das 4:0 und FCB-Spieler Carlos Varela , links, hat das Nachsehen, im Fussballspiel der NLA FC St. Gallen-FC Basel am 19. November 2000 auf dem Stadion Espenm ...
Nixon setzt sich gegen Varela durch.Bild: KEYSTONE

Dass es nicht dabei bleibt, liegt aus Sicht von Rot-Blau am Schiedsrichter. Vier Nachspielminuten zeigt Schoch an, sechs werden es am Ende. So, dass Marc Zellweger in der 96. Minute mit seinem Kopfball-Treffer im Gewühl nach einem Corner zum 3:2 einer denkwürdigen Finalrunden-Partie die Krone aufsetzt.

«Noch nie so einen Fehlentscheid erlebt»

Nach all den Ereignissen drehen einige Exponenten des FC Basel durch. «Was gestandene Männer da im Garderobentrakt so von sich gaben, war nicht druckreif», berichtet die «Basler Zeitung». Carlos Varela bezichtigt sämtliche St.Galler der permanenten Selbstbefriedigung. Trainer Gross hat in seiner ganzen Karriere «noch nie einen solchen Fehlentscheid erlebt.» Und FCB-Manager Erich Vogel (er war nicht immer bei GC) fordert, dass das Schiedsrichtertrio mindestens bis Ende Jahr gesperrt wird.

Vogel fordert auch ein Wiederholungsspiel und verweist auf das Phantomtor von Thomas Helmer in der Bundesliga. Der Bayern-Verteidiger hatte 1994 den Ball am Pfosten vorbei neben das Tor geschossen, was vom Schiedsrichter jedoch als Tor erkannt wurde. Bayern siegte 2:1, der DFB liess das Spiel wegen des krassen Fehlentscheids wiederholen, woraufhin Bayern gleich 5:0 siegte.

Die Mutter aller Phantomtore: Wie kann das Tor sein?Video: YouTube/The Goal

Der Thriller im Espenmoos wird nicht wiederholt. Am 1. Mai, eine gute Woche nach der Partie, tagt die Disziplinarkommission der Nationalliga, die aber nicht einmal auf den Protest des FC Basel eingeht. Denn der Pfiff sei als Tatsachenentscheid des Schiedsrichters zu werten – und die sind unumstösslich. Da spielt es auch keine Rolle, dass eine Firma in dreitägiger Arbeit ermittelt haben will, dass zu einem regulären Treffer genau 18 Zentimeter fehlten.

Das Telegramm
FC St.Gallen – FC Basel 3:2 (1:0)
Espenmoos, 11'300 Zuschauer (ausverkauft). Schiedrichter: Schoch.
Tore: 30. Zwyssig 1:0. 46. Nixon 2:0. 58. Huggel 2:1. 83. H. Yakin 2:2. 96. Zellweger 3:2.
FCSG: Stiel; Dal Santo (84. Stefanovic), Winkler (62. Müller), Zwyssig, Zellweger; Guido, Imhof; Jairo, Nixon (77. Colacino); Gane, Jefferson.
Basel: König; Cravero, M. Yakin, Knez, Barberis; Cantaluppi, Huggel, Savic, H. Yakin (84. Magro); Tum (94. Ebe), Varela (62. Tchouga).
Bemerkungen: 25. Gelb-Rote Karte Savic, 73. Gelb-Rote Karte Cravero. St.Gallen ohne Pinelli, Walker und Alder (alle verletzt). Basel ohne Ceccaroni und Kreuzer (beide gesperrt), Koumantarakis, Quennoz und Muff (alle verletzt).

St.Gallen bis zur letzten Runde mit der Chance auf die Titelverteidigung

Für den FCB sind die Ereignisse ohnehin ein Déjà-vu. Ein Jahr zuvor, auf dem Weg zum Meistertitel des FC St.Gallen, wird Basel im Espenmoos der vermeintliche Siegtreffer von Oliver Kreuzer aberkannt. Schon wieder sei man in St.Gallen «betrogen» worden, ärgert sich Präsident René C. Jäggi.

«Ich weiss nicht, was geschehen muss, damit St.Gallen auf dem Espenmoos nicht gewinnt», sagt deshalb nach der neuerlichen Enttäuschung Benjamin Huggel. Tatsächlich endet die Serie von 35 Spielen der Ungeschlagenheit erst in der letzten Runde der Saison 2000/01. Die Ausgangslage ist klar: Der Sieger des Duells St.Gallen gegen GC ist Meister, bei einem Unentschieden kann Lugano profitieren. Am Ende jubeln die Grasshoppers, die mit einem 4:0-Sieg den Titel holen.

Marcel Koller, Trainer St. Gallen, rechts, gratuliert Hans-Peter "Bidu" Zaugg, Trainer GC, zum Schweizermeister im Spiel FC St. Gallen-Grasshoppers Zuerich am Samstag 26. Mai2001 auf dem Esp ...
FCSG-Meistertrainer Marcel Koller (rechts), als Spieler eine GC-Ikone, gratuliert seinem Nachfolger als Schweizer Meister, GC-Trainer Bidu Zaugg.Bild: KEYSTONE
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In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei.
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5 Kommentare
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tr3
22.04.2020 07:40registriert April 2019
Unvergessen auch die Reaktion von Miro König nach dem „Tor“: er war so frustriert, dass er der Bank das Zeichen gab, dass er ausgewechselt werden will. Gross wollte allerdings nichts davon wissen.
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g-rd
22.04.2020 12:21registriert Oktober 2015
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