Vor den Augen der Queen bestreitet Manchester City gegen Birmingham den Cup-Final des englischen Fussballs. City führt bis zur 75. Minute mit 3:1, als das Stadion den Atem anhält.
Torhüter Bert Trautmann liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden und muss behandelt werden. Der Deutsche, der sich mit seinem mutigen Herausstürmen und den magistralen Flügen zu einem der besten Keeper der Welt entwickelt hat, wird genau diese Spezialität beinahe zum Verhängnis. Trautmann wirft sich waghalsig in eine flache Hereingabe hinein und wird dabei unglücklich von Birminghams Stürmer Peter Murphy am Nacken getroffen. Weil Auswechslungen noch nicht erlaubt sind, muss Trautmann aber auf die Zähne beissen und zu Ende spielen.
Trotz starken Schmerzen hält Trautmann dicht und sichert dem Team aus Manchester den 3:1-Sieg und den damit verbundenen dritten Cupsieg der Vereinsgeschichte. Doch die Hintergründe seiner Meisterleistung erfährt die Welt erst drei Tage später.
Untersuchungen ergeben, dass sich Trautmann beim Zusammenprall einen Genickbruch zugezogen und fünf Halswirbel ausgerenkt hat. Er wird zur – lebenden – Legende in Manchester, hätte er nach dem Vorfall doch auch tot sein können. «Ich wusste nicht genau, was passierte, aber so waren die Fussballer zu diesen Zeiten – härter im Nehmen als heute», erinnert sich Trautmann.
Zuvor hat es lange nicht danach ausgesehen, dass der ehemalige deutsche Fallschirmjäger sich bei City durchsetzen kann. Als Mitglied der Hitlerjugend wechselt der damals 17-Jährige freiwillig zur deutschen Luftwaffe. Als einer von wenigen überlebt er mit 21 die Bombardierung der Kleve. Nach einigen gelungenen Fluchtversuchen muss er sich den englischen Truppen ergeben, Trautmann ist plötzlich Kriegsgefangener.
Ein Schicksalsschlag, der das Leben Trautmanns gravierend verändert – auch im positiven Sinne. Im Gefängnis erhält er unter anderem den Namen «Bert», weil die Engländer «Bernd» nicht aussprechen können. Zusammen mit anderen Gefangenen spielt er Fussball und schon bald spricht sich das Talent des jungen Deutschen herum. Nach der Entlassung und seinem Entscheid, in England zu bleiben, bekommt Trautmann erste Angebote von Fussballvereinen. Über den Amateurverein St. Helen's Town landet er beim glanzvollen Manchester City.
Und dort ist Schluss mit Freundlichkeiten. Die Engländer verpönen den Deutschen als «Nazi». Juden wehren sich gegen eine Anstellung des Gefangenen und viele hart gesottenen Fans geben sogar ihre Saisonkarten zurück. «Off with the German» oder «Traut the Kraut» tönen die verärgerten Stimmen.
Trautmann versteht die Abneigung und weiss damit umzugehen: Gleich im ersten Spiel zeigt er seine Klasse und schnell ist das Ansehen von «Krauts» Klasse grösser als der Hass. Trautmann erinnert sich: «Ich wollte den Leuten zeigen, dass ich ein guter Torwart und ein guter Deutscher war und die Dinge liefen gut für mich an diesem Tag. Aber dass die Spieler beider Teams mir nach Ende des Spiels applaudierten und die Fulham-Fans mich mit Standing Ovations feierten, ist etwas, das ich nie vergessen werde.»
Seine Position ist erstmal gesichert, doch die Krönung soll noch folgen. In den nächsten Spielen unterstreicht er seine Leistungen und gewinnt die Zuschauer mit seinen Paraden, seinem Stellungsspiel und seinen legendär weiten Abwürfen für sich. Der Olymp der Karriere ist dann der FA-Cup-Final am 5. Mai. Gleich darauf erhält Trautmann die Auszeichnung des besten Fussballers des Jahres 1956.
15 Jahre später würdigen die Fans die Legende in seinem 590. und letzten Spiel für Manchester CIty. «Ich hätte nicht stolzer sein können. Ich wurde sehr emotional als so viele Menschen aus Manchester zum Spiel kamen, um mir Respekt zu zollen. Es war das letzte Kapitel einer wundervollen Karriere.» Kein Wunder. Offiziell 47'000 – laut Augenzeugen weit mehr – Zuschauer besuchen die letzte Partie ihres Lieblings.
Was Bernhard «Bert» Trautmann auf sportlicher und menschlicher Ebene geleistet hat, dafür wird er im weiteren Leben belohnt. 1997 erhält er das Bundesverdienstkreuz für besondere Leistungen auf politischem und kulturellem Gebiet. 2002 wird er zur «Footbal Legend of the Football League» gewählt, ehe ihn Königin Elisabeth II. persönlich zum «Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire» ernennt. Mit seinen Leistungen hat Trautman für das deutsch-englische Verhältnis mehr geleistet als ganze Generationen von Politikern vor ihm.
2007 wählen ihn die Anhänger zum besten Manchester-City-Spieler aller Zeiten. Als letzte Anerkennung, bevor Trautmann die Welt im Juli 2013 verlässt, wird er in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.