«Das war der grösste Tag in meinem Leben», sagt Willie O'Ree den Reportern. «Daran werde ich mich immer erinnern.» Soeben haben die Boston Bruins die Montreal Canadiens 3:0 geschlagen. O'Ree hat kein Tor erzielt, aber er hat Geschichte geschrieben: Der rechte Flügel ist der erste dunkelhäutige Spieler in der NHL.
Dabei sah O'Ree nur noch auf seinem linken Auge. Ein ins Gesicht abgelenkter Puck hatte zwei Jahre zuvor zum halbseitigen Verlust des Augenlichts geführt. Aber das behielt er für sich, um seine Karriere nicht beenden zu müssen. «Ich sagte mir mit 14 Jahren, dass ich Eishockeyprofi werden und es in die NHL schaffen will. Ich hatte Verletzungen, ich verlor ein Auge, aber nicht meinen Plan», betonte er Jahrzehnte später in einem Interview.
Sein Teamkollege Doug Mohns schilderte eine Anekdote aus der Kabine der Bruins. «Wir sassen etwa zehn Meter von einander entfernt, als ich Willie etwas sagte. Er machte ein seltsames Gesicht, stand auf und kam auf mich zu. Auf halbem Weg sagte er: ‹Oh, Mohnsie, du bist es.› Ich fragte ihn dann, ob er kurzsichtig sei. Er meinte bloss, dass er ein kleines Augenproblem habe, und bat mich, niemandem davon zu erzählen. Selbst meinem besten Freund sagte ich nie etwas, solange Willie Eishockey spielte.»
O'Ree war in der kanadischen Kleinstadt Fredericton aufgewachsen, im Osten des Landes im Bundesstaat New Brunswick. Seine Familie war eine von nur zwei schwarzen in der Stadt. «Wann immer ich konnte, stand ich auf Schlittschuhen», erinnerte er sich, «wenn es ging, skatete ich gar in die Schule.»
Probleme mit dem Rassismus habe er in seiner Jugend nicht gehabt. Niemand habe sich darum gekümmert, dass er eine andere Hautfarbe habe als alle anderen. «Du hättest violett sein können mit einem grünen Streifen auf der Stirn und es hätte keine Rolle gespielt. Erst als ich älter wurde, erfuhr ich, dass etwas wie Rassentrennung existiert.»
Die Probleme kamen erst später, als er in der NHL spielte. «In den Stadien in den USA war es viel schlimmer als in Toronto oder Montreal», erzählte er. Fans brüllten Sachen wie «Geh zurück in den Süden!» oder «Wie kommt es, dass du nicht am Baumwollepflücken bist?»
Das habe ihn alles nicht gekümmert, meinte Willie O'Ree. «Alles, was ich wollte, war ein Eishockeyspieler zu sein und wenn diese Leute das nicht akzeptieren konnten, dann war das ihr Problem und nicht meines.» Im Team war das ohnehin kein Problem, glaubt man seinem Trainer bei den Bruins, Milt Schmidt. «Alle haben ihn wie jeden anderen Spieler behandelt.»
Auf dem Eis hatte O'Ree einen Schlüsselmoment bei einem Auswärtsspiel in Chicago. Ein grosser, wuchtiger Stürmer der Blackhawks habe ihn erst rassistisch beleidigt und ihm dann den Stock so wuchtig ins Gesicht geschlagen, dass Blut floss. O'Ree verlor zwei Zähne und wurde nach der darauf folgenden Schlägerei in die Kabine geschickt.
«Ich habe das Licht gelöscht und bin in mich gegangen. Ich sagte mir, dass ich das nicht brauche. Wenn so etwas in jedem Spiel passiere, müsse ich mir das nicht antun. Nach einigen Minuten machte ich das Licht wieder an und sagte mir: Nein. Wenn du diese Liga verlässt, dann höchstens, weil du zu schlecht bist, und nicht, weil man dich versucht fertig zu machen.»
Heute verleiht die NHL den «Willie O'Ree Community Hero Award» an Personen, die einen positiven Einfluss auf andere haben und Menschen so dank Eishockey zu besseren Menschen machen. Längst hat man also die Bedeutung erkannt, die er als erster Schwarzer der Liga-Geschichte hat. Damals, 1958, war das noch anders.
«Ich habe ehrlich gesagt mehr Berichte erwartet, die Presse behandelte die Sache, als wäre sie alltäglich», so O'Ree rückblickend. «Ich selber hatte auch keine Lust, das gross aufzublasen, aber für andere ambitionierte schwarze Eishockeyspieler hätte das wichtig sein können. Es hätte ihnen gezeigt, dass es auch ein Schwarzer schaffen kann.»
Insgesamt bestritt Willie O'Ree 45 Spiele in der NHL. Zu einer Zeit, als andere Ligen noch bedeutender waren, wechselte er später zu den San Diego Gulls in die WHL, in der er mehr als 800 Spiele bestritt.
Die Hoffnungen auf eine Rückkehr in die NHL zerschlugen sich 1967, als keines der sechs neuen Teams auf ihn setzte. Die Information, dass er auf einem Auge blind ist, hatte längst die Runde gemacht.