Mehr Heldengeschichte «Made in the USA» geht gar nicht. Man nehme:
Wir wissen nicht, was Bela Karolyi durch den Kopf schoss, als er eines Tages in einem Supermarkt die Schachteln mit Frühstücksflocken betrachtete. Aber da lächelte tatsächlich seine Turnerin Kerri Strug von einer Packung «Wheaties». Dabei hatte doch Karolyi vor den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta prophezeit: «Kerris Gesicht wird man niemals auf einer Cornflakes-Schachtel sehen.»
Doch genau in dieses Gesicht blickt Karolyi nun im Supermarkt. Denn Strug wird in den USA zum grossen Star der Spiele. Sie wird in jede Talkshow eingeladen, erhält eine Gastrolle in der Hit-Serie «Beverly Hills, 90210», mögliche Sponsoren stehen Schlange. Im Nu ist aus der 18-Jährigen mit der Mickey-Maus-Stimme aus Tucson (Arizona) eine Millionärin geworden.
Mannschafts-Wettkampf der Frauen, das letzte Gerät steht an. Die Russinnen müssen noch am Boden turnen, die führenden Amerikanerinnen den Sprung absolvieren. Die Osteuropäerinnen wissen, dass Gold noch möglich ist – falls ihre Gegnerinnen patzen.
Die machen ihnen den Gefallen. Denn die ersten vier Amerikanerinnen können nicht wirklich überzeugen. Der Vorsprung der USA schmilzt. Und Dominique Moceanu fällt gar zweimal auf den Hintern, was zu einer tiefen Note führt. Nun hängt alles an Kerri Strug, die als letzte US-Turnerin ans Gerät muss.
Strug hat zwei Versuche. Und auch sie verhaut ihren ersten. Bei der Landung stürzt sie. Noch viel schlimmer als das: Sie verknackst sich den linken Knöchel. Sollte es das gewesen sein mit dem schönen Traum vom US-Team-Gold?
Rosalija Galijewa, welche die letzte russische Übung absolvieren wird, hat noch nicht geturnt. Strug muss also zwingend ihren zweiten Sprung absolvieren und dabei eine gute Wertung erreichen. «Kerri, wir brauchen dich noch ein einziges Mal für die Goldmedaille», sagt Trainer Karolyi und macht ihr Mut: «Du kannst das!»
Also holt Kerri Strug ein zweites Mal Anlauf. Sie springt sauber und landet auf beiden Füssen. Rasch hüpft sie nur noch auf dem gesunden Fuss, grüsst die Kampfrichter und bricht dann auf der Matte zusammen. 40'000 Fans im Georgia Dome halten den Atem an.
Das gespannte Warten auf die Wertung und dann die Erlösung: 9,712 Punkte für Strug, für die USA – für die Goldmedaille. Bela Karolyi trägt seine kleine Turnerin aufs Podest. Das Bild geht um die Welt – und mit ihm der Spitzname des US-Teams, das den historischen Triumph geschafft hat: «The Magnificent Seven» («Die glorreichen Sieben»).
Ich dachte an diesen Moment immer mit "boaaah das war so krass" zurück, nun hat sich der Blickwinkel extrem geändert.