Roger Federer hat schon vieles gesehen. Doch was er derzeit bei seiner Reise durch Afrika erlebt, ist auch für ihn, der in seinem Leben den Spagat zwischen dem Wahnsinn, den ihn als Weltstar umgibt, und der Normalität, die er als vierfacher Vater und Ehemann vorleben will, von besonderer Emotionalität.
Am Dienstag reiste Federer über Südafrika nach Namibia. Am Flughafen der Hauptstadt Windhoek empfing ihn eine Ministerin, dazu eine kleine Delegation um den Schweizer Botschafter, Nicolas Brühl. Es wurden erste Botschaften ausgetauscht, danach zog sich Federer für eine Mahlzeit in sein Hotel zurück. Am Nachmittag besuchte er eine Kindertagesstätte und eine Schule, die von seiner Stiftung alimentiert werden.
Am Tag darauf traf sich Federer im State House mit dem namibischen Präsidenten, Hage Geingob. Ist Roger Federer zu Besuch, geniesst das im Land des Gastgebers immer höchste Priorität.
Die Bilder der Treffen gehen um die Welt. Wie auch diese, wie Federer mit den Kindern spielt, die von seiner Stiftungsarbeit profitieren. Er taucht dann in eine Welt ab, zu der er sonst keinen Zugang hat. Es sind Kinder, die weit von der Zivilisation entfernt und in einer anderen Lebensrealität als er aufwachsen, oft täglich Stunden durch die Steppe gehen, um Wasser zu schöpfen.
Sie kennen das Spiel Tennis nicht, und sie kennen auch dessen bekanntestes Gesicht nicht – das von Roger Federer. Er ist hier nicht der hochdekorierte Sportler, der Olympia-Sieger, der als einer der besten in die Geschichte eingehen wird. Sondern ein junger Mann, ein Gast, der mit ihnen spielt. Klar, es hat überall Kameras und Mikrofone, die den Besuch dokumentieren.
Weil Federer mit diesem Besuch die mediale Öffentlichkeit herstellt, die er für die Erreichung seiner ambitionierten Ziele braucht. In Afrika sucht Roger Federer das Scheinwerferlicht, um dafür zu sorgen, dass es dorthin leuchtet, wo es sonst oft fehlt.
Es ist ein ziemlich lauter und bunter Zirkus, der rund um das Match in Africa veranstaltet wird, bei dem Federer am Freitag in Kapstadt vor über 50'000 Zuschauern auf seinen Rivalen und Freund, Rafael Nadal, trifft, und damit einen neuen Weltrekord für ein Tennis-Spiel aufstellt. Federer sagt, mit der Reise in die Heimat seiner Mutter Lynette geht ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung: «Ein Traum. Alle Punkte meines Lebens werden damit verbunden: Tennis spielen, in Südafrika, der Heimat meiner Mutter, damit Geld für meine Stiftung sammeln und Kindern helfen.»
3 people, one big 🧠 pic.twitter.com/8Od8z2z2Eu
— Roger Federer (@rogerfederer) February 6, 2020
Für ihn und seine Familie werde es eine einmalige Erfahrung, und sehr emotional. Federer verbrachte als Kind mehrmals mehrere Monate in Südafrika. Besuchte Verwandte im ganzen Land und den Krüger-Nationalpark. Bis heute fühlt er eine grosse Verbundenheit zum Land am südlichen Zipfel Afrikas. Und Südafrika fühlt gleich. Seinetwegen befindet sich Kapstadt seit Tagen im Ausnahmezustand. Ein Weltstar als Gast, einer mit Wurzeln in Südafrika.
Es ist ein Anlass der Superlative. Das Match in Africa wird in 150 Ländern übertragen. Mit Roger Federer und dem Spanier Rafael Nadal stehen die zwei erfolgreichsten Tennis-Spieler der Geschichte auf dem Platz. Im Rahmenprogramm treten Milliardär und Philanthrop Bill Gates und der Komiker Trevor Noah an. Wie auch der Kinderzirkus Zip Zap und ein Jugendchor. Nach 8 Minuten waren sämtliche Tickets vergriffen.
🤯🥳 🇿🇦 #MatchInAfrica #CapeTown pic.twitter.com/E8Drm2DPNp
— Roger Federer (@rogerfederer) February 6, 2020
10'000 davon gingen für 150 Rand in den Verkauf, was 11 Dollar entspricht. Es soll ein Anlass für alle sein, oder zumindest für viele, und nicht für wenige. Federer selber ist von den Dimensionen, die der Anlass angenommen hat, überrascht. «Das hätte ich nicht erwartet. Es war ein kleiner Schock. Und es ist auch ein gewisser Druck, eine gute Veranstaltung durchzuführen.» Je grösser die Bühne, desto stärker ist die Hebelwirkung, die Federer erreicht. Denn seine Stiftungsarbeit ist alles andere als ein Feigenblatt.
Federer hat sie bereits im Dezember 2003 gegründet, aus dem Bedürfnis heraus, weniger Privilegierten etwas zurückzugeben. Bei seinem ersten Besuch in Port Elizabeth in Südafrika kommt er mit der Not und dem Elend in Berührung, sieht Kinder ohne Perspektive, und Kinder, die an Krebs erkrankt und dem Tod geweiht sind. «Darauf war ich nicht vorbereitet, es war ein Schock», erinnert sich Federer.
Not quite Nadal but...🤷🏿♂️😆@rogerfederer pic.twitter.com/dWRl5ZViP3
— Siya Kolisi (@SiyaKolisi_Bear) February 6, 2020
Beim Besuch einer Schule sagt die damals 15-jährige Südafrikanerin Nolonwabo Batini zu ihm: «Ich bin die Zukunft von Morgen.» Es wird der Leitspruch seiner Stiftung. Im ersten Jahr sammelt Federer 200'000 Franken Spenden. 2006 spielt er in Siders erstmals ein Benefizspiel zu Gunsten seiner Stiftung, mit seinem Freund Yves Allegro.
Der Erlös: 50'000 Franken. Während Jahren ist der Erlös aus dem Verkauf von Kalendern die wichtigste Einnahmequelle. Erst 2010 findet das erste Match for Africa statt. Es ist auch das Jahr, in dem Federer das Ziel formuliert, bis 2018 sollten eine Million Kindern von den Projekten in sechs Ländern Afrikas, aber auch in der Schweiz, profitieren.
Und es ist auch das Jahr, in dem Janine Händel die Geschäftsführung der Roger Federer Foundation übernimmt. Die promovierte Juristin ist eine Koryphäe der Stiftungsarbeit, sammelte Erfahrungen im diplomatischen Dienst, arbeitete danach als Head of Philanthropy bei der Credit Suisse und sass auch jahrelang im Stiftungsrat des Roten Kreuzes.
Unter Händel wächst die Roger Federer Foundation rasant. Bis Ende 2019 wurden 52 Millionen Dollar investiert, von den Programmen in Sambia, Namibia, Südafrika, Simbabwe, Botswana und Malawi profitierten seither über 1,5 Millionen Kinder.
Federer investiert nicht nur Zeit und Herzblut in seine Stiftung, sondern auch viel Geld. Seit der Gründung flossen 23 Millionen Dollar aus seiner Tenro AG in die Stiftung, alleine im letzten Jahr steuerte der Baselbieter drei Millionen Dollar bei, weitere 10 Millionen Dollar brachten die fünf Matches for Africa ein. Und sein Sponsor Credit Suisse überweist seit 2010 jährlich eine Million Dollar an die Stiftung.
Auch Rafael Nadal und Novak Djokovic setzen sich für Bildungsprojekte ein, allerdings auf tieferem Niveau. Die Stiftung des Spaniers generierte im letzten Jahr 2,5 Millionen Dollar und verteilte 670'000 Dollar, Novak Djokovic hat seit 2007 über 10 Millionen Dollar gesammelt, und damit über 20'000 Kinder in seiner Heimat Serbien unterstützt, im letzten Jahr betrugen die Ausgaben 750'000 Dollar.
Wie viel davon direkt von Nadal und Djokovic geflossen sind, ist nicht transparent und wird auf Nachfrage nicht offen gelegt. Das ist bei Federer anders. Schon 2008 schrieb er im Geschäftsbericht: «Die Roger Federer Foundation ist eine unabhängige Schweizer Familienstiftung, die auf den Grundwerten unserer Familie basiert.
Diese sind: Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und Optimismus. Unsere Aktivitäten sollen zudem geradlinig und transparent sein.» Er setzt damit auch in seiner Stiftungsarbeit Massstäbe. Alleine im letzten Jahr sammelten seine Mitstreiter und er knapp 10 Millionen Dollar.
Gleichwohl ist die Organisation schlank, und der Verwaltungsaufwand mit 7,2 Prozent tief geblieben. Drei Personen arbeiten am Hauptsitz in Zürich, vier weitere in Johannesburg, die Kosten dort sind indes projektgebunden. Im von Roger Federer präsidierte Stiftungsrat sitzen auch dessen Eltern Robert und Lynette, sowie Ehefrau Mirka seit der Gründung.
Komplettiert wird das siebenköpfige Gremium durch Federer-Manager Tony Godsick, Suzanna Lehmann, die sich in Brasilien selber in ihrer Familienstiftung einbringt und seit letztem November Sandro Giuliani, der den früheren Bildungsdirektor des Kantons Baselland, Urs Wüthrich-Pelloli, ersetzte. «Ein absoluter Glücksfall», sagt Händel über Giuliani.
Er arbeitete lange bei der Pestalozzi-Stiftung, zuletzt war er über zehn Jahre für die Jacobs-Stiftung tätig, zuletzt als Geschäftsführer. Die Jacobs-Stiftung setzt sich weltweit für Kinder- und Jugendentwicklung ein, hat im Jahr 2018 über 33 Millionen Franken investiert und ist mit einem Stiftungsvermögen von 5,6 Milliarden Franken eine der grössten privaten Stiftungen Europas.
Seit 2019 verfolgt die Roger Federer Stiftung eine neue Strategie und setzt bei der frühkindlichen Förderung an. Die Phase zwischen drei und sieben Jahren sei besonders wichtig. Die Stiftung engagiert sich in Namibia mit einer Schulfähigkeitsinitiative mit dem Ziel, den Kindern landesweit über 150 private Kinderkrippen, 54 öffentliche Primarschulen und damit über 10‘000 Kinder mit dem Ziel, den Kindern landesweit und in mindestens 3000 Vorschulen einen besseren Start in die Schule zu ermöglichen.
Gearbeitet wird mit über 15'000 Tablets und einer für das Programm entwickelten Applikation. Zentral für die Erreichung der Ziele ist die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen vor Ort. Die Start-up Phase mit 204 Vorschulen und über 10‘000 erreichten Kindern ist bereits abgeschlossen. Das sind die Initiativen und Baustellen, denen sich Federer mit seiner Stiftung täglich widmet.
Der Zirkus, der um ihn und das Match in Africa veranstaltet wird, ist ein Mittel zum Zweck. Denn Federer denkt grösser. Vielleicht erinnere man sich dereinst mehr an ihn als Philanthrop denn als Tennis-Spieler. Den Grundstein dazu hat er bereits 2003 gelegt.
Einige wenige verdienen Millionen und Milliarden während viele andern hungern...
Diese vermögenden spenden dann viel Geld, optimieren dadurch ihre Steuern und polieren ihr Image...
Sinnvoller wäre es wohl einfach grundlegend von Beginn weg einen Ausgleich zu schaffen indem Produkte viel teurer werden, Konsum wieder bewusst und überlegt stattfindet und überrissene Sportler, Künstler und Managersaläre abgeschafft werden...