René Stammbach, Präsident des Swiss Tennis, spricht nach dem Triumph im Davis Cup der Schweiz im Interview mit SRF von einem einzigartigen Gefühl. Das entspricht sicherlich seinem Gemütszustand, schliesslich ist der Aargauer schon ein alter Bekannter im Verband. Mit Unterbruch ist Stammbach bereits seit 1992 im Verband tätig, seit 2006 steht er an der Spitze des Gremiums.
Bei der Wahl zum Präsident schlug Stammbach 2006 ausgerechnet Heinz Günthardt, der in der geheimen Abstimmung chancenlos blieb. Doch Stammbach erwähnt den Zürcher in der Auflistung der berühmten Tennisexporte der «aus dem im Verhältnis zur Einwohnerzahl kleinen Land Schweiz» als Ersten. Dazu zählt Stammbach bei den Männern unter anderem noch Jakob Hlasek und Marc Rosset dazu, ehe er von der natürlich «besten Ära» mit Roger Federer und Stan Wawrinka spricht.
Am Sonntag haben die zwei besten Tennisspieler des Landes Geschichte geschrieben. Die Schweiz hat in Lille erstmals, als 14. und kleinste Nation, den Davis Cup gewonnen. Doch selbst die aktuellen Weltnummer 2 und 4 haben «lange darauf gewartet», wie Federer nach dem historischen Erfolg gesteht.
Umso grösser ist natürlich die Freude beim Schweizer Aushängeschild und wohl bestem Tennisspieler aller Zeiten. Seit seinem Debüt im Teamwettbewerb im Jahre 1999 ist der Basler vergeblich der «hässlichsten Salatschüssel der Welt» hinterhergerannt. Mit Stan Wawrinka kommt 2004 ein hoffnungsvolles Talent aus der Romandie zu seiner Premiere für die Schweiz.
Obwohl die beiden bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking dank einer überzeugenden Leistung im Doppel die Goldmedaille gewinnen, kämpft die Schweiz im letzten Jahrzehnt öfters gegen den Abstieg aus der 16-köpfigen Weltgruppe als andersrum.
Da Roger Federers Karriere ungeahnte Höhenflüge annimmt, verzichtet er aufgrund seines stets vollen Terminkalenders und den kraftraubenden Spielen öfters auf einen Einsatz im Davis Cup. Immerhin findet der «Maestro» meistens im Herbst noch die Zeit, seinen Kumpel Stan Wawrinka zu unterstützen und den Absturz zu vermeiden. In den letzten Jahren lief es meistens nach dem gleichen Schema ab: In der ersten Runde das Aus, danach folgt in der Relegation die Rettung.
Vor vier Jahren stürzt die Schweiz jedoch in die Europa-/Afrika-Gruppe, als sie mit einem angeschlagenem Wawrinka gegen Kasachstan auswärts glatt mit 0:5 untergeht. Der Wiederaufstieg gelingt, 2014 findet Roger Federer (endlich) die Zeit, seinen Teamkollegen früher zu helfen und verhilft der Schweiz zum ersten Viertelfinaleinzug seit 2004. Dank jeweils knappen 3:2-Erfolgen im Viertel- und Halbfinal (gegen Kasachstan und Italien) gelingt sogar der Finaleinzug und dort der grosse Triumph über Frankreich.
Roger Federer und Stan Wawrinka haben zusammen im Einzel 2014 zehn Siege bei zwei Niederlagen auf dem Konto, Marco Chiudinelli und Michael Lammer vereinen drei Pleiten auf sich.
Nice way to wake up...in fact i wasnt dreaming #daviscupchampions @rogerfederer @stanwawrinka @lammer82 pic.twitter.com/gyledDinqS
— Marco Chiudinelli (@mchiudinelli33) 24. November 2014
Letztes Jahr durfte die talentierteste Nachwuchshoffnung, der 22-jährige Henri Laaksonen, noch seinen Einstand für die Schweiz geben. Doch die designierte neue Nummer 1 nach der Ära «Fedrinka» machte mehr mit seiner Faulheit beim Mannschaftstraining auf sich aufmerksam, welche Davis-Cup-Zugpferd Wawrinka masslos ärgerte und Laaksonen eine Suspendierung eintrug.
Marco Chiudinelli (33) und Michael Lammer (32) werden bald von der Tennisbühne abtreten (Lammer: «Ich werde ich überlegen, ob ich nächstes Jahr weitermache oder nicht») und im Gedächtnis verschwinden wie ihre Vorgänger aus der Kategorie Nebendarsteller.
Yann Marti und Adrien Bossel sind nur eingefleischten Tennis-Fans ein Begriff und schon über den Talent-Status hinaus. So muss man in den Stunden des grössten Triumphs der Schweizer Tennisgeschichte leider auch gleichzeitig schmerzlich feststellen, dass die Blütezeit schon in naher Zukunft zu Ende gehen wird. Vor allem der 29-jährige Wawrinka wird sich Gedanken machen müssen, ob er in den nächsten Jahren nicht wie Federer früher seine Kräfte für die Einzel-Karriere spart.
Geniessen wir also diese schönen Feiertage, denn wer weiss, wann und ob die Schweiz wieder zwei solche Ausnahmekünstler produziert. Deshalb stimmen wir TV-Experte Heinz Günthardt vorbehaltlos zu, der analog zum America's Cup einen fixen Finalplatz für den Sieger fordert.