«Es ist faszinierend, wie schnell sich die Dinge zu deinen Gunsten ändern», sagt Roger Federer vor einer Woche nach seinem Turniersieg in Indian Wells mit Blick auf die Weltrangliste. «Jetzt reden alle wieder über die Nummer 1», stellt der 35-Jährige fest. Auch er selber liebäugelt mit einer Rückkehr auf den Thron, nachdem er in Dubai noch gesagt hatte, sich damit abgefunden zu haben, dass dies wohl ein Traum bleibe.
Doch nach seinem besten Start in ein Jahr seit seiner dominantesten Phase von 2004 bis 2006, wo er in drei Jahren 34 seiner 91 Titel gewonnen hat, scheint selbst das nicht mehr utopisch zu sein. Zumal Federer die Jahresrangliste auch nach Miami klar anführt und wieder zu den Top 4 gehört.
Federer gab den Hoffnungen der Fans (und sich selbst) im Hinblick auf den ATP-Thron gleich nach seinem 91. Turniersieg in Miami aber einen Dämpfer. Er werde wohl auf Sand nur die French Open bestreiten: «Ich bin nicht mehr 24. So sieht es im Moment aus. Ich brauche eine Pause, mein Körper muss sich erholen.»
After his Miami Open final win over Nadal, Roger Federer told Brad Gilbert he's likely to only play the French Open during the clay season. pic.twitter.com/bSOZh4WOqj
— ESPNTennis (@ESPNTennis) 2. April 2017
Er habe aus der Vergangenheit gelernt. Zu viele Spiele auf Sand hätten seinen Knien geschadet. Der Plan ist jetzt: Weiter auf Hartplätzen trainieren und erst zwei Wochen vor Roland Garros auf Sand zu wechseln.
Aber selbst wenn Federer tatsächlich alle Sandturniere vor Paris auslässt: Djokovic und Murray würden den Schweizer im Race nicht einmal überholen, wenn sie alle drei 1000er (Monte Carlo, Madrid und Rom) gewinnen würden. Wawrinka bräuchte drei Turniersiege, Nadal zwei 1000er, um in die Nähe von Federer zu kommen.
Und das Gute im Hinblick auf die Weltrangliste ist ja: Handelte es sich an der Spitze in der Vergangenheit fast ausschliesslich um ein Duell zweier Protagonisten – erst zwischen Federer und Nadal, dann zwischen Nadal und Djokovic, zuletzt zwischen Murray und Djokovic –, bahnt sich nun ein Fünfkampf an.
Murray und Djokovic führen die Weltrangliste noch an, haben aber einen schlechten Saisonstart hingelegt. Rafael Nadal ist nach Federer der bisher beste Spieler des Jahres und ab April wird auf seiner stärksten Unterlage, Sand, gespielt. Gleiches gilt für Stan Wawrinka, der seinen dritten Platz in der Weltrangliste zementiert hat und auch in der Jahreswertung dritte Kraft ist. Er hat über das ganze Jahr verteilt solide gepunktet, überwiegend bei den Grand-Slam-Turnieren.
So bleibt die beste Ausgangslage bei Roger Federer.Denn weil er nach dem Ziehen der Notbremse im vergangenen Juli nach Wimbledon keine Punkte mehr zu verteidigen hat, kommt er seinen Konkurrenten näher. Trotzdem sagte er schon vor Miami: «Wichtig ist für mich, gesund und frisch zu bleiben. Meinen Plan für den weiteren Verlauf der Saison mache ich nach Miami. Das Ranking ist für mich zweitrangig. Klar, in einer Traumwelt wäre ich gerne wieder die Nummer 1. Und weil ich bereits ein Grand-Slam-Turnier gewonnen habe, ist es sicher möglich.»
Der Baselbieter geht aber davon aus, dass er noch ein weiteres Major-Turnier gewinnen müsste – was jetzt, wenn er die Sandsaison tatsächlich praktisch abschreibt umso mehr der Fall sein wird.
Knacknuss im Rennen um den Thron dürfte Andy Murray (29) sein, der am Montag, 10. April, im Match for Africa (live auf TV24), im Zürcher Hallenstadion auf Federer trifft. Der Schotte hat vor allem in der zweiten Jahreshälfte aufgedreht. Erschwerend kommt für Federer hinzu, dass er wohl weniger Turniere bestreiten wird.
Seinen Fokus legt der 35-Jährige ohnehin auf die im Juni beginnende Rasensaison, wo er mit Stuttgart, Halle und Wimbledon drei Turniere bestreiten will. Dort könnte er den Grundstein legen, um im Herbst die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste zu bewerkstelligen. Denn wenn er nach der Rasensaison noch im Rennen ist, dann dürfte er sich auch das mit der Nummer 1 nochmals richtig durch den Kopf gehen lassen.
Unbeschwert kann er sowieso aufspielen, weil er bereits im Januar mit dem Sieg in Melbourne die eigenen Erwartungen übertroffen hat. «Ich habe mir geschworen, dass ich ein Turnier nur dann spiele, wenn ich ein Kribbeln spüre.» Die Menschen sollen den «wahren Federer» sehen, wie er es nennt.
"Yes, I would think so. The comeback is over. Still a comeback year though." -@rogerfederer on returning pic.twitter.com/owZ9EBxSAA
— Miami Open (@MiamiOpen) 2. April 2017
Was er damit meint? «In erster Linie möchte ich geniessen. Und die Turniere, die ich spiele, möchte ich gewinnen. Alles andere als die Nummer 1 ist für mich nicht mehr interessant.» 2005 und 2006 war Federer nach dem «Sunshine Double» die Weltnummer 1. Es sieht sehr danach aus, als ob das auch 2017 nochmals zum Thema wird.