Das weiss wohl nicht einmal er selbst. Allerdings spricht sehr vieles dafür. Federer hat seit über einem Jahr keine Partie mehr bestritten und musste sich zwei Mal am Knie operieren lassen. Bei den Sports Awards liess der Baselbieter zudem mit der Aussage aufhorchen, als er sagte: «Wenn es das gewesen sein sollte von mir, wer weiss, dann wäre es ein unglaublicher Schlusspunkt für mich.»
Die Corona-Pandemie dürfte die Tennis-Saison diktieren und Federer mehr Kompromisse abverlangen, als er das aus den letzten Jahren gewohnt war. Es stellt sich die Frage, wie lange er bereit ist, von seiner Familie getrennt zu reisen. Federer verspürt zudem wenig Lust, vor halbvollen leeren Rängen zu spielen. Im Sommer sollte das neue Heim in Rapperswil-Jona SG bezugsbereit sein. Die vier Kinder sind alle bereits im schulpflichtigen Alter. Die Prioritäten verschieben sich dadurch weiter.
Federer bestreitet seine letzte volle Saison, sofern Gesundheit und Pandemie das zulassen. Und beurteilt seine Situation Ende Jahr neu.
Im Sommer 2019 fehlte Federer in Wimbledon nur ein Punkt zum Titel, bei den Australian Open erreichte er die Halbfinals, obwohl er mit Problemen an den Adduktoren zu kämpfen hatte. Das alleine zeigt die unverwüstliche Klasse. Zudem wird Federer nur dann zurückkehren, wenn er der Ansicht ist, dass er noch grosse Turniere gewinnen kann und sein Körper das auch zulässt. Dennoch: Federer feiert im August seinen 40. Geburtstag, den Lauf der Zeit kann auch er nicht aufhalten – ökonomische Spielweise hin oder her.
Bei Turnieren, in denen der Sieger in zwei Gewinnsätzen ermittelt wird – abgesehen von den vier Grand-Slam-Turnieren ist das überall der Fall, auch bei den Olympischen Spielen in Tokio – kann Federer besiegen. Gewinnt er noch einmal ein Turnier zum Beispiel in Basel, wäre das eine überragende Leistung. Kommt ein 21. Grand-Slam-Titel dazu, wäre das vor allem eines: ungemein kitschig. Aber ist es auch möglich? Wenn Federer und die Vergangenheit uns eines gelehrt hat, dann dies: Sag niemals nie.
Federer gewinnt ein Turnier, aber kein Grand-Slam-Turnier.
Rafael Nadal ist nun wahrlich kein Grossmaul, das Gegenteil ist der Fall. Umso erstaunlicher ist die Anekdote, die jüngst sein Trainer, Carlos Moya, erzählte. 15 Minuten vor dem Final der French Open habe man Nadal beibringen müssen, dass das Spiel bei geschlossenem Dach stattfinde. Gegen Novak Djokovic. Den besten Hallenspieler der letzten Dekade. Und was machte Nadal? Er zuckte nur mit den Schultern und sagte: «Mir egal. Ich werde dieses Spiel gewinnen.» Was er dann auch tat. Wie ein Orkan fegte er in Roland Garros über die Konkurrenz hinweg, nahm zum 13. Mal die Coupe des Mousquetaires in Empfang und zog mit seinem 20. Grand-Slam-Titel mit Roger Federer gleich.
Es deutet nichts darauf hin, dass sich an dieser Dominanz auf Sand etwas ändern wird. Dabei geht vergessen, dass Nadal auch bei den US Open im letzten Jahrzehnt vier Titel und damit mehr als jeder andere gewonnen hat. Und auch bei den Australian Open und in Wimbledon hat der 34-Jährige Chancen auf den Turniersieg.
Rafael Nadal triumphiert erneut in Roland Garros, überholt damit Federer und setzt eine neue Bestmarke an Grand-Slam-Titeln.
Seit 2005 gewannen Rafael Nadal (20), Roger Federer (16) und Novak Djokovic (17) 53 von 63 Grand-Slam-Turnieren. Durchbrochen wurde ihre Phalanx nur von Stan Wawrinka (3), Andy Murray (3), Marat Safin, Juan Martin Del Potro, Marin Cilic und Dominic Thiem (je 1 Grand-Slam-Titel). Federers letzter Triumph liegt schon zweieinhalb Jahre zurück – 2018 bei den Australian Open. Djokovic und Nadal bleiben aber erste Anwärter auf die grossen Titel. Bei den drei von neun Masters-Turnieren, die 2020 gespielt werden konnten, gewann zwei Mal Djokovic, ein Mal Medwedew. Doch bereits im Jahr zuvor hat sich auf dieser Stufe eine Wachablösung abgezeichnet: Es gab sechs verschiedene Sieger, einzig Djokovic, Nadal und Medwedew konnten je zwei Turniere der Masters-Serie feiern.
Bei den Masters-Turnieren wird es wie 2019 mindestens sechs verschiedene Sieger geben – darunter aber auch Djokovic und Nadal.
Die üblichen Verdächtigen: der Österreicher Dominic Thiem (27, ATP 3), der nach der Disqualifikation von Novak Djokovic und bei Abwesenheit von Titelverteidiger Rafael Nadal und Roger Federer die US Open gewann, der Russe Daniil Medwedew (24, ATP 4), der die ATP Finals gewann, der Grieche Stefanos Tsitsipas (22, ATP 6), und der Deutsche Alexander Zverev (23, ATP 7), der im Final der US Open gestanden war, dürften Djokovic und Nadal das Leben noch schwerer machen. Zu rechnen ist auch mit dem Russen Andrej Rublew (23, ATP 8), und den beiden Kanadiern Denis Shapovalov (21, ATP 12) und Félix Auger-Aliassime (20, ATP 21).
Djokovic, Nadal, Medwedew und Thiem machen die Sieger bei den vier Grand-Slam-Turnieren noch einmal unter sich aus.
Dass er drei Jahre nach der operativen Behebung eines Knorpelschadens am linken Knie überhaupt wieder auf hohem Niveau Tennis spielen kann, bezeichnet sogar sein Arzt als kleines Wunder. Das erste Jahr beendete Wawrinka, der bis auf Rang 263 zurückgefallen war, im 66. Rang der Weltrangliste, das zweite auf Position 15 und damit in Sichtweite zu den Top Ten – dann kam die Corona-Pandemie.
Derzeit rangiert der Roman auf Position 18. Auf seinen 17. Titel wartet er seit Frühling 2017, als er in Genf triumphierte. Bei den Australian Open vor Jahresfrist stiess er bis in die Viertelfinals vor, bei den US Open fehlte er. Wawrinka wird im März 36, auch seine Zeit neigt sich dem Ende zu. Bis dahin dürfte der dreifache Grand-Slam-Sieger aber noch das eine oder andere Ausrufezeichen setzen. Wawrinkas Ziel: die Qualifikation für den Final der Jahresbesten. Von 2013 bis 2016 war Wawrinka immer dabei, auch 2017 hätte er sich qualifiziert, obschon er die Saison im August abbrach.
Wawrinka gewinnt erstmals seit 2017 wieder ein Turnier und stösst noch einmal in die Top Ten der Weltrangliste vor.
2020 war für die 23-jährige Ostschweizerin ein Jahr zum Vergessen. Bei sieben Turnieren gewann sie nur acht Spiele. Der letzte Erfolg datiert vom Februar in Doha, Katar. Dazwischen liegen kleinere Verletzungen, die zur Absage der French Open führte, und eine Erstrundenniederlage in Rom. Dass Bencic aber durchaus in guter Form ist, stellte sie im Interclub in Tschechien und der Slowakei unter Beweis.
Im November sagte sie zu ch media: «Ich weiss, dass ich körperlich gut in Form bin. Und ich habe Vertrauen in das, was ich mache. Inzwischen habe ich viel Erfahrung darin, wie ich mich vorbereiten muss.» Unter ihrem Fitnesstrainer und Freund, Martin Hromkovic, hat sich Bencic zu einer der besten Athletinnen im Frauentennis entwickelt. Auf schnellen Belägen gehört sie immer zu den Favoritinnen. Also auch bei den Australian Open, in Wimbledon und bei den US Open, wo sie 2019 die Halbfinals erreicht hatte.
Bencic gewinnt als vierte Schweizerin nach Martina Hingis, Roger Federer und Stan Wawrinka ein Grand-Slam-Turnier.
Die letzten vier Jahre brachten bei den vier Grand-Slam-Turnieren zwölf verschiedene Siegerinnen hervor. Die Japanerin Naomi Osaka gewann in dieser Zeitspanne als einzige Spielerin drei Major-Turniere, die Rumänin Simona Halep deren zwei. Nicht weniger als 16 (!) aktive Spielerinnen haben schon einmal ein Major-Turnier gewonnen, unter ihnen: Serena Williams, Angelique Kerber, Garbine Muguruza, Bianca Andreescu, Sloane Stephens, Sofia Kenin, Iga Swiatek, Petra Kvitova, Viktoria Azarenka, Swetlana Kusnezowa, Jelena Ostapenko, Venus Williams, Sam Stosur, und die Belgerin Kim Clijsters, die im letzten Jahr ein Comeback geben wollte. Als konstanteste Kräfte kristallisierten sich Barty, Halep und Osaka heraus, die in der Weltrangliste die ersten drei Ränge belegen.
Das Frauentennis bleibt unberechenbar und bringt erneut mindestens drei verschiedene Grand-Slam-Siegerinnen hervor
Als Schwangere gewann sie 2017 bei den Australian Open ihren 23. Grand-Slam-Titel. Viermal stand sie seit der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia im September 2017 in einem Grand-Slam-Final – viermal scheiterte sie. In Wimbledon hatte sie die Finals gegen Kerber (2018) und Halep (2019) verloren, bei den US Open unterlag sie Osaka (2018) und Andreescu (2019). Immerhin gewann sie im letzten Jahr in Auckland erstmals als Mutter ein Turnier. Bei den US Open scheiterte Williams, die im September ihren 40. Geburtstag feiert, in den Halbfinals, obwohl sie sich zur Vorbereitung einen Platz bauen liess, der den identischen Belag hat wie der in New York neu verlegte. Margaret Court aus Australien ist mit 24 Grand-Slam-Titeln (All-Time) zwischen 1960 und 1973 die erfolgreichste Spielerin.
Serena Williams gewinnt kein Grand-Slam-Turnier mehr.
Einen Tennisspieler wie Federer oder auch Wawrinka wird die Schweiz wohl so schnell nicht wieder sehen. Doch nun macht eine Gruppe junger Schweizer Talente auf sich aufmerksam. Der 18-jährige Dominic Stricker gewann im Herbst in Roland Garros die Junioren-Konkurrenz im Einzel (Final-Erfolg gegen den Zürcher Leandro Riedi) und Doppel. Der ebenfalls erst 18-jährige Jeffrey von der Schulenburg gehört wie Stricker und Riedi ebenfalls zu den Besten Junioren der Welt. Noch ein Jahr bei den Junioren bleibt dem 17-jährigen Aargauer Jérôme Kym, der zuletzt etwas stagnierte, und zuletzt bei Ex-Profi Markus Hipfl in Österreich trainierte.
Für Stricker, der bei den World Tour Finals mit Novak Djokovic trainieren durfte, Riedi und von der Schulenburg beginnt die Ochsentour bei den Profis, bei kleinen Turnieren, und in den Niederungen der Weltrangliste. Finanziell werden sie während der nächsten fünf Jahre von Swiss Tennis unterstützt.
Stricker und Riedi stossen in der Weltrangliste in die Top 400 vor und liefern zwischendurch erste kleinere Talentproben ab.