Er war schon oft verletzt, haderte mit sich und seinem Körper, verlor bei grossen Turnieren gegen absolute Aussenseiter – vor allem in Wimbledon, beim Turnier, das er 2008 und 2010 gewonnen hatte, ihm aber im letzten Jahrzehnt kein Glück mehr brachte. Doch nach den French Open konnte man jeweils die Uhr stellen. Spätestens dann, wenn im Frühling in Paris auf Sand gespielt wurde, verwandelte sich Rafael Nadal wieder in diese Naturgewalt, die wie ein Orkan über ihre Gegner hinwegfegte.
2005, bei seiner ersten Teilnahme, gewann der Spanier in Roland Garros. Nur zwei Mal verlor er in Paris – 2009 in den Achtelfinals gegen Robin Söderling, 2015 in den Viertelfinals gegen Novak Djokovic, 2016 musste er wegen einer Verletzung vor der dritten Runde aufgeben. 12 Mal stemmte er die Coupe des Mousquetaires in die Höhe, zuletzt drei Mal in Folge.
59 seiner 85 Titel hat Nadal auf Sand gewonnen, und dabei 438 Siege gefeiert. Demgegenüber stehen gerade einmal 40 Niederlagen, wovon 8 in die Zeit vor seinem 18. Geburtstag fallen. Und sonst? Siege, Meilensteine, und Rekorde für die Ewigkeit. Es bedarf schon einer aussergewöhnlichen Leistung seines Gegners und einer vielleicht nicht ganz so galaktischen Darbietung Nadals, damit der Spanier auf Sand als Verlierer vom Platz geht.
Am Samstag war wieder einmal so ein Abend, Nadal verlor in den Viertelfinals von Rom gegen den Argentinier Diego Schwartzman, die Nummer 15 der Welt. Zwar erreichte der 27-Jährige danach den Final, wo er auch Novak Djokovic forderte, im Vergleich zu Goliath Nadal bleibt er aber ein David, und das nicht wegen seiner 1.70 Meter Körpergrösse.
Wer so oft siegt wie Nadal, der sieht sich bei jeder Niederlage mit Fragen konfrontiert: Nadal begegnet diesen mit dem ihm eigenen Gleichmut und einem Schuss Lakonie. «Ich kann Ausreden und Entschuldigungen suchen, aber die Wahrheit ist einfach: Es war nicht meine Nacht. Diego spielte grossartig, ich nicht. Ich akzeptiere, dass ich nicht gut genug gespielt habe.» Nadal hatte auf die Reise in die USA verzichtet, und damit auch auf die Titelverteidigung bei den US Open. In Rom spielte er sein erstes Turnier seit Ende Februar und dem Turniersieg in Acapulco. Bevor er nach Paris reiste, tankte er in seiner Heimat Mallorca Energie. Denn die sieben Monate Pause sind auch an ihm nicht ganz spurlos vorübergegangen.
Das Feld der Herausforderer beschränkt sich auf zwei Spieler: Novak Djokovic (33) und Dominic Thiem (27). Mit dem Turniersieg in Rom hat der Serbe eindrücklich unter Beweis gestellt, dass nicht damit zu rechnen ist, dass die Disqualifikation bei den US Open, wo er eine Linienrichterin mit einem Ball getroffen hatte, zu einem Karriereknick führen könnte.
Nach dem Finalsieg sagte Djokovic sogar, er habe nicht sein bestes Tennis gespielt und werde sich im Hinblick auf Roland Garros noch steigern. Zwar hat auch Djokovic die Mehrzahl der Duelle mit Nadal auf Sand verloren (17), doch er hat den Spanier auf Sand auch schon sieben Mal bezwungen – mehr als jeder andere. Und er ist neben Robin Söderling der einzige Spieler, der Nadal in Paris bezwingen konnte. Allerdings datiert der letzte Erfolg auf Sand vom Mai 2016 in Rom. Die letzten drei Duelle gewann Nadal.
Zuletzt zwei Mal im Final von Roland Garros stand Dominic Thiem, wo der Österreicher aber jeweils gegen Nadal verlor. Anfang Jahr besiegte Thiem Nadal in den Viertelfinals der Australian Open und damit erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier. Und auch auf Sand hat er den Spanier bereits vier Mal bezwungen, die Gesamtbilanz steht bei 4:8. Mitte September gewann der 27-Jährige bei den US Open seinen ersten Grand-Slam-Titel, in Abwesenheit von Titelverteidiger Nadal.
Auf die Turniere in Rom und Hamburg verzichtete er, nachdem er sich zuvor einen Monat in der New Yorker Tennis-«Bubble» aufgehalten hatte. Entsprechend schwierig ist einzuschätzen, was der Erfolg bei ihm ausgelöst hat. Stan Wawrinka zum Beispiel scheiterte 2014 in seinem ersten Grand-Slam-Turnier nach seinem Premieren-Sieg in Melbourne bereits in der Startrunde.
Hoffnung schöpfen Djokovic und Thiem, der Nadals Tableauhälfte zugelost wurde, aus den klimatischen Bedingungen. Normalerweise finden die French Open im Mai und Juni statt, wenn die Durchschnittstemperatur 24 Grad beträgt. Im Oktober beträgt dieser Wert noch 17 Grad. Es wird kühler und feuchter sein. Die Bälle saugen Feuchtigkeit auf und werden dadurch schwerer. Sie nehmen dadurch den Spin, die Rotation, weniger gut an und springen weniger hoch ab als auf einem trockenen Sandplatz.
Gift für Nadals Spiel, der seine Vorhand mit bis zu 5000 Rotationen pro Minute spielt. Ein Umstand, den auch Djokovic registriert hat. In Rom sagte er: «Ich bin sicher, dass Nadal das nicht gerade bevorzugt. Er liebt es, wenn es heiss und trocken ist.» Nadal sei zwar Favorit, «aber Diego hat gezeigt, dass er auch auf Sand schlagbar ist.» Das alles ist nicht neu. Und am Ende triumphierte doch meistens Rafael Nadal, der ewige Goliath. (bzbasel.ch)