Das Welttennis geht derzeit an Krücken. Von den Top 10 fallen derzeit gleich sieben Spieler verletzt aus oder sind angeschlagen. Nur Rafael Nadal, der am Montag wieder die Nummer 1 wird, sowie die Jungstars Dominic Thiem (ATP 8) und Alexander Zverev (ATP 7) konnten beim Masters-1000-Turnier von Cincinnati teilnehmen.
Murray, Federer, Cilic und Raonic wollen beim US Open sicher wieder dabei sein. Momentan scheint Nadal aber freie Bahn zu haben, sich in der Weltrangliste ein schönes Polster anzulegen. Denn die zweite Garde um Dominic Thiem, Nick Kyrgios, Grigor Dimitrov, Jo-Wilfried Tsonga, Juan Martin del Potro und David Goffin kann ihr Potenzial zu selten voll ausschöpfen. Seit Februar, als Thiem in Rio de Janeiro auf Sand und Dimitrov in Sofia in der Halle triumphiert hatte, konnte mit Ausnahme von Tsonga (Lyon) kein einziger von ihnen ein ATP-Turnier gewinnen.
So entpuppen sich derzeit die jungen Wilden als gefährlichste Herausforderer von Nadal. Allen voran natürlich Montreal-Sieger Alexander Zverev, der das «Race to Milan», das Ranking für die Qualifikation für die 2017 «Next Generation ATP Finals», mit grossem Vorsprung anführt.
Aber Zverev ist längst nicht der Einzige, der die Gunst der Stunde nützen möchte und im Ranking nach oben drängt. Rund zehn Youngsters haben in diesem Jahr bereits angedeutet, dass sie Nadal und Co. während dem Rest der Saison noch Probleme bereiten könnten.
Alter: 20
Weltrangliste: ATP 7
Gewonnene Titel: 2-mal ATP-1000, 1-mal ATP-500, 3-mal ATP-250
Grösse: 198 cm
Der Schlaks, der auch schon als «Thomas Müller des Tennis» bezeichnet wurde, ist aktuell der Stärkste der jungen Wilden. Der jüngere der beiden Zverev-Brüder trumpfte bereits zu Beginn des Jahres gross auf. Er holte kleinere Titel in Montpellier und München und gewann in Rom schliesslich sein erstes Masters-1000-Turnier. In Indian Wells brachte er ausserdem Rafael Nadal an den Rand einer Niederlage.
So richtig ist Zverev aber erst jetzt auf den US-Hartplätzen durch. Dank starkem Aufschlag und den extrem wuchtigen Grundschlägen siegt der Deutsche erst beim ATP-500-Turnier in Washington und schliesslich auch beim Rogers Cup in Montreal, wo er (den im zweiten Satz angeschlagenen) Roger Federer regelrecht vom Platz fegte.
In Cincinnati gingen Zverev dann die Kräfte aus. In der 2. Runde verlor er gegen Frances Tiafoe (siehe weiter unten) in drei Sätzen. Dennoch: Zverev wird beim US Open einer derjenigen Spieler sein, auf den die derzeit verletzten Top-10-Spieler lieber später als früher treffen möchten.
Alter: 21
Weltrangliste: ATP 32
Gewonnene Titel: 1-mal ATP-250, 2-mal Challenger
Grösse: 198 cm
Ganz Russland atmete im letzten Herbst auf. Als erster Russe seit Michael Juschni 2013 in Valencia gewann Karen Chatschanow wieder ein ATP-Turnier. Nach einem schwierigen Start ins neue Jahr weiss der fast zwei Meter grosse Hüne seit Beginn der Sandsaison immer wieder Akzente zu setzen. In Barcelona besiegte er mit David Goffin zum ersten Mal einen aktuellen Top-10-Spieler und beim French Open scheiterte er erst im Achtelfinal an Andy Murray.
Doch auf Rasen und Hartplatz ist Chatschanow ein unangenehmer Gegner. Mit seinem mächtigen Aufschlag, der zweihändigen Rückhand und dem starken Return erinnert seine Spielweise stark an Juan Martin del Potro oder Marat Safin. Noch fehlt ihm ein wenig die Konstanz, oft wirkt er zu ungeduldig. Und wie bei Safin kommt auch ihm hie und da sein Temperament in die Quere. In Cincinnati trifft er im Achtelfinal auf den Japaner Yuichi Sugita.
Alter: 20
Weltrangliste: ATP 50
Gewonnene Titel: 1-mal ATP-250, 2-mal Challenger
Grösse: 185 cm
Der Junioren-Champion beim US Open 2013 machte bereits mit 17 zum ersten Mal auf sich aufmerksam, als er in Basel den von einer Blinddarm-Entzündung geschwächten Rafael Nadal schlug. Seither macht der Kroate zwar kontinuierlich Fortschritte, der ganz grosse Coup ist ihm zwar noch verwehrt geblieben. Immerhin: Im April gewann er in Marrakesch auf Sand seinen ersten ATP-Titel.
Coric hat alles, was es braucht, um in Zukunft bei der Vergabe der grossen Titel ein Wörtchen mitzureden. Er verfügt über einen starken Service, spielt aggressiv von der Grundlinie und verteidigt sehr gut. In diesem Sommer ist er bislang aber noch nicht auf Touren gekommen: In Montreal gewann er nach seinem Startsieg gegen Michael Juschni gegen Rafael Nadal nur drei Games und in Cincinnati scheiterte er sogleich am Georgier Nikolos Bassilaschwili (ATP 65).
Alter: 18
Weltrangliste: ATP 67
Gewonnene Titel: 2-mal Challenger
Grösse: 183 cm
Seit Jahren ruhen die kanadischen Tennis-Hoffnungen auf Milos Raonic, in Montreal hat sich nun ein anderer in die Herzen der Tennis-Fans gespielt: Der erst 18-jährige Denis Shapovalov besiegte im Achtelfinal dank begeisterndem Offensiv-Tennis Rafael Nadal und musste sich erst im Halbfinal dem späteren Sieger Alexander Zverev geschlagen geben. Seither ist er der jüngste aller Top-100-Spieler.
Der Linkshänder mit der bärenstarken Vorhand und der einhändigen Rückhand hat 2016 die Junioren-Konkurrenz in Wimbledon und in diesem Jahr zwei Challenger-Turniere gewonnen. Doch am meisten im Fokus stand Shapovalov nach einer Disqualifikation im Davis Cup, als er dem Schiedsrichter nach einem Fehler den Ball unabsichtlich ins Gesicht knallte. Shapovalov wurde disqualifiziert, Ref Arnaud Gabas musste sich nach einem Augenhöhlenbruch operieren lassen.
In Cincinnati war Shapovalov nicht am Start, da er sich statt für die dortige Qualifikation bereits für das Challenger-Turnier in Vancouver entschieden hatte. Wegen Ermüdung sagte er jedoch ab, schliesslich will er sich jetzt voll und ganz aufs US Open konzentrieren, wo er Nadal und Co. wieder das Fürchten lehren will.
Alter: 19
Weltrangliste: ATP 55
Gewonnene Titel: 1-mal ATP-250, 1-mal Challenger
Grösse: 188 cm
Vor einem Jahr trumpfte der Hard-Hitter beim ATP-Turnier in Gstaad zum ersten Mal gross auf, bezwang dank seinem unbekümmerten Auftreten mit Marin Cilic beinahe einen Top-10-Spieler. Noch immer fühlt sich der Junioren-Champion des French Open 2014 auf Sand am wohlsten. Im Juli gewann der Sohn eines früheren Boxers und der ehemaligen Trainerin von Anna Kurnikowa in Umag als Lucky Loser (!) seinen ersten ATP-Titel.
Doch auf Hartplatz und Rasen wird er immer besser. Seinen einzigen Challenger-Titel gewann er 2015 in Moskau in der Halle und in Wimbledon spielte er sich durch die Qualifikation bis in Runde 2 vor. In Cincinnati gelang ihm das gleich Kunststück nicht mehr. Dort scheiterte er in der Quali sogleich am Letten Ernests Gulbis.
Alter: 21
Weltrangliste: ATP 51
Gewonnene Titel: 1-mal Challenger
Grösse: 198 cm
Sein grösster Sieg ist derjenige in der 1. Runde von Wimbledon gegen Stan Wawrinka. Aber auch sonst hat Daniil Medwedew in diesem Jahr immer wieder auf sich aufmerksam gemacht. Zum Saisonauftakt erreichte der junge Russe in Chennai gleich den Final, danach schaffte er es bei sechs ATP-Turnieren in den Viertelfinal. Darunter in Washington, danach verlor er in Montreal und Cincinnati aber gleich in der 1. Runde.
Seine Stärken sind der wuchtige Aufschlag und seine knallharten Grundschläge. Dort fällt weder die Vorhand noch die Rückhand ab. Medwedew ist zudem ein Gemütsspieler: Wenn's läuft, dann läuft's. Doch es läuft eben nicht immer: Nach seiner Fünfsatz-Niederlage in Wimbledon warf er ein paar Münzen vor den Stuhl der Schiedsrichterin, weil er sich von dieser ungerecht behandelt fühlte.
Bereits im vergangenen Jahr war der Rechtshänder durch skandalöses Verhalten aufgefallen. Im Rahmen des Challenger-Turniers in Savannah (Georgia) hatte Medwedew bei einer Niederlage gegen Donald Young einen rassistischen Kommentar über seinen schwarzen Kontrahenten und den schwarzen Referee losgelassen.
Alter: 21
Weltrangliste: ATP 49
Gewonnene Titel: 8-mal Challenger
Grösse: 185 cm
Zum ersten Mal so richtig auf sich aufmerksam gemacht hat Hyeon Chung beim US Open 2015. Als 19-jähriger Nobody zwang er Stan Wawrinka dort in der 2. Runde dreimal ins Tiebreak. Nicht viel fehlte zur grossen Sensation. Seither hat er vor allem auf der Challenger Tour brilliert, wo er mittlerweile bereits acht Turniersiege feiern konnte.
Sein Spielstil gleicht sehr demjenigen von Kei Nishikori, dem er beim French Open in fünf Sätzen unterlag. Er setzt auf kurze, schnelle, schnörkellose Bewegungen und spielt mit eher wenig Spin. Seinen grössten Sieg feierte er in diesem Jahr in Barcelona, als er als Qualifikant Alexander Zverev dominierte und in zwei Sätzen schlug. In Montreal schlug er mit Feliciano Lopez, der sich in Cincinnati sogleich revanchierte, und David Goffin zwei stärker eingeschätzte Gegner und scheiterte danach an Adrien Mannarino.
Alter: 19
Weltrangliste: ATP 60
Gewonnene Titel: 1-mal Challenger
Grösse: 188 cm
Anders als die meisten anderen amerikanischen Tennis-Talente ist Jared Donaldson kein klassischer Hardcourt-Hardhitter. Als er 14 war, schickten ihn seine Eltern nach Argentinien, um ihn auch an die langsameren Sandplätze zu gewöhnen. Dort arbeitete er vor allem an seiner Konstanz, der Beinarbeit und im mentalen Bereich.
Seine bislang grössten Erfolge feierte der Rechtshänder mit der zweihändigen Rückhand dennoch auf den nordamerikanischen Hartplätzen. Beim Masters-1000-Turnier in Miami schaffte es Donaldson bis in den Achtelfinal und in Montreal vor einer Woche erreichte er die 3. Runde. Noch besser läuft es ihm jetzt in Cincinnati, wo er dank Siegen über Roberto Bautista Agut und Ramanathan Ramkumar im Achtelfinal steht.
Alter: 19
Weltrangliste: ATP 87
Gewonnene Titel: 4-mal Challenger
Grösse: 188 cm
Der Amerikaner ist durch seinen Vater zum Tennis gekommen. Dieser wanderte aus Sierra Leone in die USA ein und hielt seine Familie mit einem Job als Pförtner eines Tennisklubs über Wasser. Klein Tiafoe begann selber zu spielen und schnell zeigte sich sein grosses Talent. Mit 15 wurde er zum jüngsten Sieger des Orange Bowl, eines der renommiertesten Jugendturniere in Florida, das auch Roger Federer einst zum Durchbruch verholfen hatte. Mit 17 war er dank einer Wildcard der jüngste amerikanische French-Open-Teilnehmer seit Michael Chang 1989.
Danach verlief seine Karriere etwas weniger steil. Im letzten Herbst gewann Tiafoe, der über eine starke Vorhand und einen wuchtigen Aufschlag verfügt, zwei Challenger-Turniere auf Hartplatz, in diesem Frühling dann zwei auf Sand. In Montreal scheiterte er in der 1. Runde an Paolo Lorenzi. In Cincinnati steht er nach einem Sieg über Alexander Zverev, gegen den er beim Australian Open und in Wimbledon jeweils klar verlor, plötzlich im Achtelfinal.
Alter: 20
Weltrangliste: ATP 122
Gewonnene Titel: 1-mal Challenger
Grösse: 191 cm
Seit Quentin Halys beim French Open 2015 Rafael Nadal in der 1. Runde hart gefordert hatte, konnte er in den letzten Jahren nicht mehr gross auf sich aufmerksam machen. Meist bewegte er sich unter dem Radar, spielte die Qualifikationen für kleine ATP- und Challenger-Turniere.
Halys wird von Experten trotzdem viel Potenzial zugeschrieben. Der Rechtshänder verfügt über eine saubere und schnörkellose Technik in den Grundschlägen. Die Vorhand ist eine Waffe, die beidhändige Rückhand ist allerdings noch nicht so stark wie bei seinen gleichaltrigen Konkurrenten. Er spielt oft ziemlich wild und draufgängerisch, was zu vielen spektakulären Momenten führt, aber auch des Öfteren ganz anders endet.
Alter: 19
Weltrangliste: ATP 120
Gewonnene Titel: 3-mal Challenger
Grösse: 193 cm
Die grösste US-Hoffnung legte 2014 als 17-Jähriger einen kometenhaften Aufstieg hin. Im Herbst gewann der Sunnyboy aus Kalifornien den Junioren-Titel beim US Open und arbeitete sich bis im August 2016 in der Weltrangliste von Rang 694 auf Platz 53 vor.
Danach verlor er aber etwas den Fokus. Mit gutem Grund: Mit erst 18 Jahren heiratete Fritz seine Freundin Raquel und schon bald stand fest, dass die beiden Eltern werden. Am 20. Januar kam Söhnchen Jordan auf die Welt, fast gleichzeitig flog er allerdings auch aus den Top 100.
Die Prioritäten haben sich etwas verschoben und genau das dürfte die grösste Herausforderung für ihn werden. Das Tennis zum Spitzenspieler hat er: Fritz ist ein klassischer Spieler der neuen Generation, mit starkem Aufschlag und solidem Tennis von der Grundlinie.