Wer in Porrentruy aus dem Zug aussteigt, spürt sofort, dass er im Jura angekommen ist. Ruhig ist es in Pruntrut, wie das Städtchen auf Deutsch heisst, obwohl es der zweitgrösste Ort des Kantons ist. Knapp 7000 Leute leben hier, einige von ihnen in der Altstadt, nahe dem Schloss Pruntrut, dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt.
Umso grösser ist der Kontrast, wenn man nach gut zehn Minuten Fussmarsch etwas ausserhalb die Route de Courgenay erreicht. Hier steht die moderne Raiffeisen-Arena, die neue Heimat des HC Ajoie. Sie ist der Stolz der jurassischen Hockey-Kultur: 28 Millionen Franken investierten die Gemeinden der Region, Kanton und Bund in die Erneuerung der Patinoire du Voyeboeuf, wie sie zuvor hiess.
4200 Zuschauern bietet die neue Arena Platz, wenn die Corona-Pandemie endlich vorüber ist. Und hier kämpft der HC Ajoie derzeit in den Playoffs um den Aufstieg in die National League. Der Auftakt ist geglückt: In der Viertelfinalserie setzten sich die Jurassier gegen Visp mit 4:0 durch.
«Wir sind sehr zufrieden», sagt Trainer Gary Sheehan, der am späten Mittag nach dem Training vor der Arena wartet. «Wir haben am Anfang gesagt, wir wollen alle, aber nicht Visp als Gegner», so der Kanadier. Visp sei besonders gefährlich gewesen, da sie gegen Ende der Saison in Form gekommen seien, erklärt Sheehan. «Aber unser Goalie und die Special Teams haben den Unterschied ausgemacht.»
Zwei Serien muss der HC Ajoie somit noch gewinnen, um erstmals seit 1993 wieder in der National League spielen zu dürfen. Die Jurassier gehören somit einer Handvoll Teams an, für welche die Corona-Krise eine positive Seite hat. Im Mai 2020 entschieden die Verantwortlichen der Schweizer Ligen, dass es in den kommenden Jahren keinen Absteiger aus der National League, aber einen Aufsteiger aus der Swiss League geben soll.
Die Ausgangslage ist also simpel: Gewinnt ein Team, welches die nötigen Kriterien erfüllt hat, die Playoffs der Swiss League, steigt es direkt auf. Dazu gehört auch Ajoie. Die Jurassier reichten im September eine Bewerbung für die National League ein, welche die Liga annahm. «Das Dossier beinhaltet ein Budget von sieben Millionen Franken», erklärte Präsident Patrick Hauert im Februar gegenüber «MySports». «Die Liga hat uns gesagt, es sei das kleinste von allen. Aber sie hat die Bewerbung akzeptiert.»
Auch Gary Sheehan weiss somit um die Wichtigkeit dieser Playoffs. «Der Aufstieg ist kein Zwang für uns», sagt er zwar, «Kloten ist Favorit. Aber es ist eine Chance. Für alle Spieler und unsere Organisation wäre es ein Traum». Und auch für die ganze Region wäre ein solcher Aufstieg von grosser Bedeutung, weiss der 56-Jährige: «Die Leute hier identifizieren sich mit dem Team. Und uns ist es wichtig, nahe bei den Fans zu sein. Denn viel gibt es da nicht. Hockey ist eine Religion für die Menschen hier.» Die Identifikation der Region mit dem Verein sei daher grösser als bei anderen Clubs.
Sheehan, der vor seinem Mandat im Jura National-League-Luft bei Bern und Lausanne schnupperte, sieht daher auch im Vereinsleben einige Unterschiede zu den grossen Teams. In Ajoie sei alles ein wenig familiärer und damit auch unkomplizierter. «Wenn ich hier sehe, dass die Waschmaschine voll ist und niemand dort ist, leere ich sie. In Bern und Lausanne durfte ich das nicht machen. Nach einem langen Tag freue ich mich, wenn ich dem Materialwart etwas Arbeit abnehmen kann», so der Kanadier.
Die Hierarchien im Verein seien allgemein viel flacher als bei seinen früheren Stationen. Der 56-Jährige fühlt sich in dieser Konstellation wohl, sie gibt ihm mehr Freiraum. «Ich mag es, selbstständig zu sein und es so machen zu können, wie ich es will.» So ist Sheehan bereits seit sieben Jahren im Jura tätig, so lange wie kein anderer Trainer in den zwei höchsten Schweizer Ligen.
Wie gross der Stellenwert des HC Ajoie nicht nur in Pruntrut oder in der Region Ajoie, sondern im ganzen Jura ist, weiss auch Raffi Kouyoumdjian. Der Sportjournalist arbeitet seit über 20 Jahren beim «Quotidien Jurassien». In seinem Berufsleben gibt es fast nur den HC Ajoie. Mehr als 1000 Spiele von Ajoie habe er gesehen, erzählt er. «Während der Saison dreht sich hier alles um den HCA.»
Seitdem Kouyoumdjian als Journalist den HC Ajoie verfolgt, geht es mit den Jurassiern fast stetig bergauf. 1997 spielte der HCA noch drittklassig. Im Jahr 2000 stieg Ajoie dann wieder in die NLB auf und entwickelte sich dort langsam weiter. Gut zehn Jahre lang gehörten die Jurassier bestenfalls ins vordere Mittelfeld, seit 2012 ist Ajoie eines der Spitzenteams der Liga. In der Saison 2012/13 gewann der HCA die Regular Season, 2016 den Meistertitel und 2020 sensationell den Schweizer Cup.
7400 Fans bejubelten damals den Titel, ein Zehntel der gesamten Bevölkerung des Kantons Jura. «Der Sieg im Cupfinal war nicht nur der grösste Moment für den HC Ajoie, sondern einer der grössten überhaupt für den Kanton Jura», sagt Kouyoumdjian. Denn der HC Ajoie sei mehr als nur ein Sportteam für die Region. Als junger Kanton sei der Jura lange nur spärlich von der restlichen Schweiz wahrgenommen worden. «Aber der HCA hat es geschafft, den Jura auf die Landkarte zu bringen. Er ist ein Botschafter für uns.»
Bezüglich der Thematik Aufstieg sieht Kouyoumdjian dennoch einige Fragezeichen. «Ein grosses Risiko», nennt der Journalist den Plan von Ajoie. Zwar sei der Moment gut, schliesslich gebe es in der kommenden Saison keinen Absteiger. Doch Kouyoumdjian befürchtet, es könne schwierig werden, mit dem vorhandenen Budget ein Team aufzubauen, das in der National League mithalten kann.
«Ajoie kann jedes Team schlagen – ein Mal. Das hat der Cup gezeigt», sagt er, «zudem haben sie zwei Ausländer, die oben mithalten können, und einen der intelligentesten Trainer überhaupt in der Schweiz.» Aber das Problem sei in erster Linie das Budget. «Mit sieben Millionen ist es schwierig, mit den finanzstarken Teams der National League mitzuhalten», sagt er, «zudem stellt sich die Frage, was passiert, wenn das Team zu Beginn oft verliert. Bleiben die Fans und die Sponsoren trotzdem treu?»
Tatsächlich ist es doch etwas erstaunlich, dass Ajoie in dieser Saison den Aufstieg anpeilt. «Nein», hatte Präsident Patrick Hauert nach dem Cupsieg dem «Blick» auf die Frage geantwortet, ob man nun aufsteigen wolle. «Für die National League braucht man das dreifache Budget, um sich in der Liga halten zu können. Von den Strukturen her sind wir auch nicht bereit dafür. Unser Ziel ist es, ein Top-Klub in der Swiss League zu sein. Dabei ist es auch möglich, Junge auszubilden. Und in drei, vier Jahren können wir dann weiterschauen.»
Auch Trainer Gary Sheehan ist sich der Risiken eines möglichen Aufstiegs bewusst. «Die Möglichkeit, dass es nach hinten losgeht, besteht», sagt der Québécois und fügt an, dass man im Falle eines Aufstieges einiges unternehmen müsse. «Wir bräuchten eine andere Struktur, um mithalten zu können auf diesem Niveau. Und auch mehr Tiefe im Team, um kompetitiv zu sein.»
Doch mit dem momentanen Fortschritt sei man auf dem richtigen Weg: «Das Grundgerüst wäre da. Wir haben eine neue Arena und der Verein ist nochmals professioneller geworden. Und wenn wir das aktuelle Team mit fünf, sechs Spielern punktuell verstärken würden, könnten wir auch oben mithalten.»
Um sich nächste Saison in der National League beweisen zu können, muss sich der HC Ajoie nun aber in zwei Playoff-Serien durchsetzen. Im Halbfinal wartet der SC Langenthal, welcher in seiner Viertelfinal-Serie den HC Thurgau eliminierte. Im Final würde Ajoie dann entweder auf den EHC Kloten oder den EHC Olten treffen. Zwei Teams, welche in der kommenden Saison ebenfalls trotz verhältnismässig kleinem Budget das Abenteuer National League in Angriff nehmen wollen.
Also Kloten hat ein Riesiges Budget: 11 Mio
Rappi in der NLA: 10.8 Mio
Ambri 19/20: 12.3 Mio
Scl Tigers? Hab ich leider nicht gefunden, aber es sagen ja alle sie haben das kleinste Budget, daher nehm ich mal an es ist etwa gleich wie das von Rappi. Eventuell kann ein Scl Fan mal auhelfen
Spannend wäre auch ein Budget 1. Manschafts Vergleich
Sollte das Projekt dann scheitern, bliebe ja die Möglichkeit sich als Spitzentem in der NLB zu etablieren doch noch.
Schwierig wird vor allem eins werden: Es gibt keinen Absteiger, ergo auch nicht eine grosse Anzahl an NLA Spielern auf dem Markt.