Diesen Sieg musste sich Beat Feuz im wahrsten Sinn erdauern. Zehn Hahnenkamm-Abfahrten hatte er bestritten, ehe es an diesem Freitag ausgerechnet unter Ausschluss der ansonsten über 50'000 Zuschauer klappte. Viermal war der 33-Jährige im Ski-Monument auf der berüchtigten Streif schon Zweiter – 2018, weil ihm Thomas Dressen als krasser Aussenseiter bei besser werdender Sicht den Triumph vor der Nase wegschnappte.
Andere Male klappte es knapp nicht, weil jeweils einer der Konkurrenten den Höllenritt ein paar winzige Zehntel schneller bewältigte. Und einmal, 2017, entglitt ihm der Sieg, weil er mit sieben Zehnteln Vorsprung in der berüchtigten Traverse vor dem Zielhang zu viel riskierte und in den Fangnetzen landete.
Obendrein war er in Kitzbühel im Super-G 2017 Dritter und in der Kombination 2012 Zweiter. Die Abfahrt vom Freitag war sein 25. Weltcuprennen im Tiroler Nobelskiort.
Passend zum Geduldspiel über die Jahre musste Feuz in der erfolggekrönten elften Abfahrt wegen mehrerer längerer Verzögerungen fast drei Stunden in der Leaderbox ausharren, bis er sich seines Sieges sicher sein konnte. Für Urs Kryenbühl bedeutete der fürchterliche Sturz beim Zielsprung das Saisonende, Ryan Cochran-Siegle durchbrach bei seinem Sturz in der Traverse die Sicherheitsnetze, hatte aber grosses Glück.
Weil es im obersten Teil stark zu winden begann, musste Feuz zwischenzeitlich auch noch eine Annullierung des Rennens befürchten. Bevor das Klassement nach 30 Fahrern seine Gültigkeit hatte, war das Rennen 40 Minuten lang unterbrochen.
«Wenn sie das Rennen nach 23 Fahrern abgebrochen hätten, wäre ich am Samstag nicht gestartet. Das hätte ich mental nicht verkraftet. Ich glaube nicht, ob ich noch einmal bereit gewesen wäre, dieses Risiko einzugehen, das ich bereit war einzugehen», sagte Feuz, als die Absage just vor Marco Odermatts Lauf Nummer 31 ohne negative Folgen für ihn eintraf. 14.30 Uhr zeigte die Uhr zu diesem Zeitpunkt, so spät sind Speedrennen selten entschieden.
Dass neben Feuz mit dem Vorjahressieger Matthias Mayer als Zweiter und dem dreifachen Hahnenkamm-Abfahrtssieger Dominik Paris zwei andere absolute Topfahrer auf das Podest stiegen, stand auch dafür, dass die Verhältnisse im Kampf um die vordersten Plätze trotz der Turbulenzen fair waren. «Er hat diesen Sieg mehr als verdient nach so vielen zweiten Plätzen», meinte Dominik Paris.
Feuz' Teamkollegen bliesen ins selbe Horn. Carlo Janka, als Sechster der zweitbeste Schweizer und so gut wie noch nie in diesem Winter, meinte: «Diesmal hat er es runtergebracht. Darüber, dass er es verdient hat, müssen wir nicht reden.» Ralph Weber, der die Fahrt von Feuz in der Gondel am Smartphone verfolgte, sagte: «Ich wusste gleich, dass das der Sieg ist. Das war extrem beeindruckend. Seine Fahrt erinnerte mich an jene von Didier Cuche 2011. Der fuhr damals gefühlt auch alles in der Hocke. Der Sieg ist ihm zu gönnen.»
Zwar bezeichnete Feuz seine Fahrt nur als «meine zweitbeste in Kitzbühel», weil er 2017 bis zum Sturz noch makelloser unterwegs war. Er lieferte aber in der Tat eine Vorstellung ab, an der es nur wenig zu mäkeln gibt. Der fast perfekte Lauf war aber auch nötig, um diesmal das Duell gegen Mayer für sich zu entscheiden. Der Kärntner, der vor zwölf Monaten 22 Hundertstel schneller war, lag im Ziel 16 Hundertstel zurück. Kitzbühel-Spezialist Dominik Paris, der ein Jahr dem Kreuzbandriss auf das Weltcup-Podest zurückkehrte, lag bereits 56 Hundertstel zurück.
In der 500. Abfahrt der Weltcup-Geschichte komplettierte Feuz damit seine Gams-Herde um das fehlende goldene «Tier». Gleichzeitig sorgte er für den ersten Schweizer Abfahrtssieg auf der Streif seit neun Jahren. Damals hatte sich der Neuenburger Didier Cuche mit seinem fünften Triumph zum alleinigen Rekordhalter gemacht. (ram/sda)