Die Premiere von Parallelrennen an Ski-Weltmeisterschaften ist tüchtig in die Hose gegangen. Weil der eine Kurs deutlich schneller war als der andere, wurde die Fairness auf Kosten künstlich erzeugter Spannung mit Füssen getreten. Der Schweiz blieb so eine Bronze-Medaille durch Loic Meillard, obwohl er – wie Wendy Holdener bei den Frauen – wohl der stärkste Fahrer an diesem Tag war. Doch das Reglement bremste die Schweizer Trümpfe aus, so dass die Titel an Mathieu Faivre (Frankreich) und die «zeitgleichen» Marta Bassino (Italien) und Katharina Liensberger (Österreich) gingen.
Das meint die Presse:
Der «Blick» schreibt von einem «Skandalrennen» und einem «lächerlichen Reglement». Dieser Dienstag werde «als schwarzer Tag» in die WM-Geschichtsbücher eingehen.
«Wäre es ein Film, der Regisseur würde sich nach dieser Premiere durch den Hintereingang davonschleichen.» Ein schöner Vergleich, schliesslich fanden in Cortina d'Ampezzo erstmals an einer WM Parallelrennen statt. Der Artikel bleibt auch zum Abschluss bei diesem Bild: «Wäre es ein Film, gäbe es wohl keine Fortsetzung. Die Parallelrennen gehen weiter.»
«Jahrelang hatten der Skiverband FIS und die Veranstalter Zeit, diesen Event zu planen, der erstmals stattfand an einer WM. Herausgekommen ist das: Ein blauer Kurs, der immer mehr Löcher hat, und ein roter Kurs, der bis zum Schluss ganz passabel ausschaut.» Von dieser WM seien bislang wunderbare Bilder verschneiter Berge und strahlend blauem Himmel gezeigt worden – und spannende Rennen, so das Blatt. «Nun wird vor allem über diese zwei Misstritte mit der Kombination und dem Parallelrennen geredet. Klar ist: Jetzt ist die FIS gefordert.»
Die «Neue Zürcher Zeitung» teilt dem Parallelrennen den Platz zu, den es vielleicht verdient hat: Denjenigen einer Kurzmeldung. Dafür hat sie ein spannendes Interview mit Österreichs «ewigem» Verbandsboss Peter Schröcksnadel im Angebot. So sieht die Seite über die Ski-WM aus:
«Was für ein Chaos, was für Diskussionen: Die Parallelrennen erleben in Cortina d'Ampezzo einen gründlich missglückten WM-Einstand. Das Resultat ist sportlich fragwürdig, die FIS steht schlecht da.»
«Zwei unterschiedlich schnelle Kurse, ein wohl unfaires Zeitpenalty-System, zudem eine unkundige Jury. Die Aufnahme ins WM-Programm wird hinterfragt werden.»
Die Zeitung schildert die Umstände, wie Katharina Liensberger lange nach dem Rennen auch noch als Weltmeisterin erkoren wurde, weil der österreichische Verband das Reglement studierte und es besser kannte als die Verantwortlichen. «Die Umstände für dieses Jubiläums-Gold für Rot-Weiss-Rot waren freilich alles andere als weltmeisterlich: Diese Premiere des Parallelrennens ist vor allem eine Peinlichkeit für die FIS. Es wäre eigentlich nicht zu viel verlangt, dass die Verantwortlichen beim Weltverband zumindest die eigenen Spielregeln kennen.»
Liensberger > Bassino 🥇 pic.twitter.com/aFjvAU7OZM
— WinterBet (@SportLaupin) February 16, 2021
«Dieses neue Format soll für mehr Spektakel im Ski-Sport sorgen. Doch es vergeht kaum ein Rennen, ohne dass es danach heftige Kritik hagelt. Bei der WM-Premiere am Dienstag war das nicht anders – wobei die Empörung dieses Mal grösser als je zuvor war.»
In die grosse Freude über die erste Medaille für das WM-Gastgeberland mischte sich nur wenig Kritik am Reglement, das als «freundlich» bezeichnet wird. «Dass sie im ersten Lauf auf dem langsameren blauen Kurs angetreten war, verschaffte Marta sicherlich einen leichten Vorteil. Das schmälert aber nicht die Verdienste der Skirennfahrerin aus dem Piemont.»
«Medaillenchaos und knallharte Kritik an der Piste – wir nennen das einen Skandal»