«Das ist das einzige Spiel, von dem ich keine Bilder im Kopf habe. Ich war damals zwar schon Sion-Fan, aber erst acht Jahre alt. Ich weiss noch, dass ich mit meiner Tante im Haus in Ayent oberhalb von Sion war. Das Spiel habe ich alleine am Radio gehört. Als dann die Trophäe im Einkaufszentrum Porte-Neuve in Sion ausgestellt wurde, bin ich wie fast jeder Walliser hingefahren. Das war der Beginn einer speziellen Beziehung zwischen dem Pokal und mir. Die Trophäe hat mich sofort in ihren Bann gezogen.»
«1974 war ich zum ersten Mal im Stadion dabei. Und ich weiss noch genau wo: direkt hinter dem Tor, inmitten der Sion-Fans. Meine Walliser Kumpel und ich sind mit dem Zug zum Spiel nach Bern gefahren und haben im Zug gegessen. Das haben wir sonst nie gemacht. Xamax-Ikone Gilbert Facchinetti liess alle seine Spieler im schwarzen Mercedes vorfahren. Die waren sich sicher, den Pokal zu gewinnen. Ich weiss, dass Facchinetti den Pokal unbedingt wollte und sich beim Stand von 3:0 für Sion von der Tribüne aus am liebsten selbst eingewechselt hätte. Doch auch ohne ihn wurde es noch knapp. Ich erinnere mich noch, wie ein Schuss von Guy Mathez, mit dem ich später bei Xamax zusammengespielt habe, kurz vor dem Ende die Latte touchierte. Es wäre das 3:3 gewesen.»
«Unseren dritten Streich habe ich am Fernseher verfolgt. Diesmal traf mein Freund Mathez für uns zum entscheidenden 2:1. Zu dieser Zeit spielte ich selber für Lugano. Im Jahr davor stand ich mit Xamax im Cup-Halbfinal gegen Servette zwischen den Pfosten. Als Aktiver bin ich leider nie über den Halbfinal herausgekommen.»
«Beim ersten Cupfinal-Sieg gegen Basel war ich wieder hinter demselben Tor wie 1974. Das brachte Glück, doch in Erinnerung bleibt mir vor allem die erste Runde. Als Torwart von Monthey spielte ich damals zum ersten Mal im Cup gegen meinen FC Sion. Ich erinnere mich noch gut an das entscheidende Gegentor kurz vor Schluss. Es war wie bei Jan Oblak im Champions-League-Rückspiel von Atlético gegen Real Madrid. Ich parierte beim Stand von 0:0 einen Schuss von Fernand Luisier mit einer Glanzparade, doch Marian Cernicky stand genau richtig und konnte abstauben. Trotzdem war es ein nettes Spiel. 6000 Zuschauer in Monthey waren eine Seltenheit.»
«Gegen starke Genfer und meine Freunde Michel Decastel und Guy Mathez wollte ich auf jeden Fall gewinnen. Aber Sion war in Schwierigkeiten. Zum ersten Mal in einem Cupfinal gerieten wir in Rückstand. Persönlich habe ich das Spiel ein letztes Mal vom Fansektor aus hinter dem Tor verfolgt. Ein toller Platz. Ich bin immer hinter das Tor. Im Wankdorf ging es so steil hoch. Und von dort oben hatte man einfach den besten Überblick. Später durfte man da nicht mehr hin. Ich habe zu dieser Zeit auch drei, vier Cupfinals ohne Sion-Beteiligung besucht. Zum Beispiel Basel gegen Winterthur oder Lugano gegen Servette. Ich stand immer hinter dem Tor.»
«In dieser Kampagne hätte ich meinen FC Sion beinahe selbst ausgeschaltet. Da fehlte nicht viel. Denn raten Sie mal, wer in der ersten Cup-Runde im Tor des 1.-Ligisten und Sion-Gegners Fully stand? Damals hatte ich eigentlich mit dem Fussballspielen abgeschlossen, doch Fullys Präsident überredete mich, in der 2. Liga für ein paar Spiele auszuhelfen. Erst stiegen wir auf und dann bekam Fully im Cup Sion zugelost. Der Underdog führte lange mit 1:0. Erst in der 85. Minute konnte mich Mirsad Baljic bezwingen und den Ausgleich erzielen. Fully stand kurz vor der Verlängerung, doch am Ende hat sich dann doch der Favorit durchgesetzt. Das Lustige an diesem für mich ganz speziellen Spiel war, dass ich zu diesem Zeitpunkt Torwart von Fully und gleichzeitig Finanzpräsident des FC Sion war. Deswegen war ich im Final auch als Sion-Verantwortlicher auf der Haupttribüne. Erstmals gleich neben dem Pokal. Das Spiel gegen YB war dann auch sehr emotional. Nicht nur, weil wir einen 0:2-Rückstand in ein 3:2 drehten, sondern auch, weil es der letzte Final vor 50'000 Zuschauern war. Später wurden die Stehplätze im alten Wankdorf verboten. Schade, wie ich finde. Denn mit weniger Fans ist logischerweise auch die Atmosphäre nicht mehr die alte.»
«Im Final gegen GC war Davide Orlando wegen eines Disputs mit dem Linienrichter vom Feld geflogen. Darüber habe ich mich so sehr aufgeregt, dass ich ihn sofort nach Basel abgeschoben habe. Eine solche Dummheit, in einem solch wichtigen Spiel, ist nicht zu tolerieren. Zum Glück hatte ich Ahmed Ouattara in meinen Reihen. Gegen ein gutes GC hat er in Unterzahl seinen zweiten Treffer und so die Entscheidung geschossen. Was viele nicht wissen: Ouattara hatte solche Angst vor dem wichtigen Spiel, dass er vor dem Final die Nacht in meinem Hotelzimmer verbrachte.»
«Zum ersten Mal konnten wir unseren Titel im Cup verteidigen. Dabei sah es gegen Genf nach einer Stunde gar nicht gut aus. Wir lagen 0:2 zurück, doch dann haben wir dank Christophe Bonvin, Raphael Wicky und Aurelio Vidmar das Spiel innert zehn Minuten gedreht. Wicky war in der zweiten Hälfte richtig gut. Mittlerweile weiss ich, dass die stündlich läutende Kirchenglocke neben dem Hotel schuld an der schläfrigen Anfangsphase meiner Spieler war. Die Spieler haben sich über das ständige Gebimmel geärgert. Deswegen haben wir dann das Hotel im nächsten Jahr gewechselt.»
«Gegen Luzern feierten wir nicht nur das Double, sondern auch den dritten Cupsieg in Serie. Ich habe die Mannschaft ins gleiche Hotel geschickt, in dem die Deutsche Nationalmannschaft vor dem WM-Final 1954 gegen Ungarn geschlafen hat. Den Spielern habe ich dann die Geschichte vom Wunder von Bern erzählt. Das hat geholfen, auch wenn dieser Cupsieg zu den glücklicheren zählt. Nachdem wir am Mittwoch Meister geworden waren, gingen wir mit etwas zu viel Selbstvertrauen ins Spiel. Erst ein Penalty von Vladan Lukic hat uns überhaupt in die Verlängerung gebracht. Im Penaltyschiessen hat mein Goalie Stephan Lehmann uns dann mit zwei tollen Paraden gerettet. Ich sage meinen Spielern vor einem Penaltyschiessen immer dasselbe: ‹Du gehst zum Punkt, suchst dir eine Ecke aus und schiesst den Elfer mit der grösstmöglichen Entschlossenheit.› Man muss konzentriert sein, nicht ängstlich. So einfach geht das.»
«Cupsieger als Challenge-Ligist! Aufgestiegen sind wir erst mehr als einen Monat später über die Barrage. Unser Final-Gegner YB war eine Liga weiter oben auf Rang drei klassiert. Trotzdem haben wir gewonnen. Auch weil YBs Steve Gouhouri wegen einer Tätlichkeit schon nach 31 Minuten vom Platz musste. Goran Obradovic hat in der zweiten Hälfte ein fantastisches Freistoss-Tor zum Ausgleich geschossen. Im Penaltyschiessen trafen dann alle meine Spieler. Ich muss zugeben, dass wir in diesem Jahr sehr viel Losglück hatten. YB im Final war der erste Super-Ligist. Unser Weg dahin führte über Giffers-Tentlingen (3.), Le Mont (2.), Bellinzona (ChL), Locarno (ChL) und Winterthur (ChL). Kurios: Ich hatte damals Marco Schneuwly von YB ausgeliehen, durfte ihn gegen seinen Stammverein laut Abmachung aber nicht spielen lassen. Das habe ich netterweise respektiert.»
«Zum dritten Mal kehren wir im Final einen 0:2-Rückstand in einen 3:2-Sieg. Es war der erste Final der Cup-Geschichte an einem Abend. Der Ägypter Essam El Hadary, dessen Transfer der UEFA nicht sehr gefallen hat, stand im Tor. Wieder traf Goran Obradovic. Diesmal kurz vor der Pause zum Anschluss. Beim Pausentee habe ich meinen Spielern dann gesagt, dass wir besser dran sind als 1991 gegen YB oder 1996 gegen Servette, als wir das 1:2 erst deutlich später erzielten. Und in der Tat: Am Ende hat Guilherme Afonso kurz vor Schluss den Siegtreffer gemacht. Dennoch: Es war für uns ein kompliziertes Spiel, das wir erst am Ende auf den Kopf gestellt haben.»
«2011 war der einfachste Cup-Sieg. Xamax war durch die Ankunft des tschetschenischen Investors Bulat Tschagajew kurz vor dem Final wohl noch etwas durch den Wind. Das hat sie irgendwie paralysiert. Nach sechs Minuten war die Partie schon entschieden. An diesem Spiel war nichts Besonderes, ausser dass es der erste Cup-Sieg in Basel war. Wir müssen damit leben, dass seitdem die Austragungsorte wechseln. Ich persönlich finde, der Cupfinal mit all seiner Historie gehört in die Hauptstadt. Allerdings nicht auf Kunst- sondern auf echten Rasen.»
«Den letzten Cupsieg haben wir alle noch vor Augen. Es war schön, zu sehen, wie viel Energie, Einsatz und Wille wir auf den Rasen gebracht haben. Und das in der Höhle des Löwen, beim besten Schweizer Team des 21. Jahrhunderts. Nur ein Spielabbruch hätte uns aufhalten können. In der Unterbrechung nach der Halbzeit wegen des Abbrennens von Pyrotechnik kam Schiedsrichter Nicolaj Hänni zu mir und sagte: ‹Wenn ihr eure Fans nicht beruhigt, brechen wir das Spiel ab.› Ich dachte nur, wenn er das macht, verlieren wir das Spiel. Deswegen bin ich persönlich zu den Fans gegangen und habe versucht, sie zu beruhigen.»
(Aufgezeichnet von Jakob Weber, «Nordwestschweiz»)