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Schweizer Nati-Stürmer Breel Embolo im Interview über Petkovic und Co.

Switzerland's Breel Embolo cheers during the UEFA Euro 2020 qualifying Group D soccer match between the Republic of Ireland and Switzerland at the Aviva stadium in Dublin, Ireland, on Thursday, S ...
Wann sehen wir in der Nati die wahren Qualitäten von Breel Embolo?Bild: KEYSTONE
Interview

So offen hat man Breel Embolo noch selten gehört: «Das machen andere 22-Jährige nicht»

Der 22-jährige Nati-Stürmer Breel Embolo spricht über sein neues Leben als Jungvater, über die Leiden nach seinem Millionentransfer in die Bundesliga. Und er offenbart die Gefühlslage eines Nationalspielers, der die Wertschätzung im Land vermisst.
07.10.2019, 06:4808.10.2019, 06:06
Céline Feller / ch media
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Auf die Minute pünktlich erscheint Breel Embolo mit einem Lächeln und einer herzlichen Begrüssung zum Treffen. Seit diesem Sommer spielt der Basler für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga. Für seine junge Familie hat er im nahegelegenen Düsseldorf eine Wohnung mit Garten gefunden. Auch, damit er mit seiner Tochter Naliya Platz zum Spielen hat.

Breel Embolo, Sie sind seit rund einem Jahr Papa. Wie haben Sie sich seither verändert?
Die Geburt meiner Tochter hat sicher sehr, sehr viel geändert in meinem Leben. Es hat mir gezeigt, dass es neben dem Fussball, neben meinen Kollegen, noch etwas anderes gibt. Man muss mehr Verantwortung übernehmen, das darf man nicht vergessen. Aber meine Tochter gibt mir auch sehr, sehr viel Kraft. Und Zeit.

Zur Person
Breel Embolo wurde am 14. Februar 1997 in Yaoundé, Kamerun, geboren. Als Kind kam er in die Schweiz, wuchs in Basel auf. Mit 17 Jahren debütierte er beim FC Basel. 2016 wechselte er zu Schalke in die Bundesliga. In diesen drei Jahren kämpfte Embolo aber mit diversen schweren Verletzungen. Im Sommer nun wagte er den Neustart bei Mönchengladbach – erfolgreich. Sein neues Team ist Tabellenführer und Embolo gelang gestern bereits zum dritten Mal ein Tor. Für die Nati hat er in 34 Einsätzen vier Tore erzielt. Der 22-Jährige hat eine einjährige Tochter namens Naliya.
«Es gibt Schlimmeres auf der Welt, als dass Breel Embolo verletzt ist.»

Inwiefern Zeit?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich vor der Geburt meiner Tochter einmal bei der Nati mit Marwin Hitz geredet habe, fragte ich ihn, wieso er immer um halb 8 Uhr aufsteht, wenn erst um halb 11 Uhr Training ist. Da schläft man doch so lange wie möglich. Er sagte nur: «Warte, bis du Kinder hast! Dann kannst du das nicht mehr.» Dann sass ich in den Ferien mit der Kleinen eine Woche lang um halb 8 Uhr in der Früh am Hotel-Buffet. Da musste ich selber lachen. Das war etwas, was ich mir nie hätte vorstellen können und nicht von mir kannte. Es kam aber wie automatisch. Und zwar nicht an einem, sondern an jedem Tag in dieser Woche. Da ging ich auch immer um 10 Uhr schlafen, weil keine Kraft mehr hatte nach einem ganzen Tag mit der Kleinen (lacht). Das ist nicht einfach, aber etwas Schönes.

Was ist für Sie am schönsten zu sehen?
Dass sie jeden Tag Fortschritte macht. Wenn ich sehe, dass sie laufen und Worte sagen kann, dann merke ich, wie schnell die Zeit geht. Das hat mich auch gelehrt, alles im Leben noch positiver zu sehen. Auch wenn ich erst 22 bin und es sicher noch einige Rückschläge geben wird. Aber es gibt viel Schlimmeres auf dieser Welt. Es gibt Schlimmeres auf der Welt, als dass Breel Embolo verletzt ist. Es gibt Schlimmeres auf der Welt, als wenn wir mal verlieren. Das müssen alle verstehen. Auch wenn der Fussball in meinem Leben eine der wichtigsten Sachen ist. Aber ich glaube, ich liebe meine Tochter noch etwas mehr als den Fussball.

Glauben Sie?
(lacht) Nein, es ist einfach eine andere Liebe. Ich gehe gerne um 15.30 Uhr mit meinen Jungs auf den Platz, ich reise gerne mit ihnen herum und spiele irgendwo. Der Fussball gibt dir Emotionen, vor und nach dem Spiel, die dir für das ganze Leben bleiben. Auch wenn es mal schlechte sind.

epa07825800 Swiss national soccer team player Breel Embolo attends his team's training session in Montreux, Switzerland, 07 September 2019. Switzerland will face Gibraltar in their UEFA EURO 2020 ...
Breel Embolo und seine Liebe zum Ball: «Der Fussball gibt dir Emotionen, vor und nach dem Spiel, die dir für das ganze Leben bleiben.»Bild: EPA
«Ich gehe immer noch raus, treffe Kollegen, schliesslich bin ich noch jung.»

Wie hat Sie die Geburt Ihrer Tochter sonst noch verändert? Sind Sie noch immer der gleiche Breel wie vorher?
Du passt dein Leben der Tochter an. Es sind Kleinigkeiten, wie dass ich plötzlich an einem Sonntag in den Streichelzoo oder den Park gehe, statt zu Hause zu bleiben und nichts zu machen. Das machen andere 22-Jährige nicht. Aber ich mache es gerne, bin gleichzeitig aber auch erstaunt, wie schnell ich das hin gekriegt habe. Meine ganze Familie staunt da drüber (lacht).

Ihre Eltern haben sich früh getrennt. Sie blieben eineinhalb Jahre beim Vater in Afrika, bevor sie Ihrer Mutter in die Schweiz folgten. Merken Sie jetzt, wie schwer das gewesen sein muss für Ihre Eltern?
Ja. Ich habe in meiner Freundin eine grosse Hilfe, die mir immer den Rücken frei hält. Gerade wenn ich vor einem Spiel zu Hause schlafe, schaut sie, dass ich mich trotzdem fokussieren und schlafen kann. Sie nimmt mir wirklich viel ab. Das hätte ich glaube ich alleine nie geschafft. So aber kriege ich beides unter einen Hut, meine Tochter und den Fussball. Man muss aber auch immer schauen, dass man selber noch ein Leben hat. Ich gehe immer noch raus, treffe Kollegen, schliesslich bin ich noch jung. Und ich bin nicht der Vater, der um halb 8 Uhr abends das Kind ins Bett bringt.

Was sind denn die Aufgaben von Papa Breel?
Immer, wenn ich sie ins Bett bringe, dauert es eineinhalb Stunden. Wenn die Kleine mich sieht will sie nur Spass haben, herum springen. Bei ihrer Mutter aber ist es seriöser (lacht). Ich mache viel Quatsch mit ihr, lache viel mit ihr. Und ich verwöhne sie auch sehr. Ich muss die goldene Mitte finden, aber das ist nicht einfach. Gerade, wenn man viel weg ist, will man nicht der Böse sein, wenn man denn mal da ist. Daher bin ich immer automatisch der Verlierer (lacht). Ich kann nie richtig entscheiden. Wenn ich ja sage, ist meine Freundin wütend, wenn ich nein sage, ist die Tochter hässig. Es ist nicht einfach. Man kann viel falsch machen.

Holen Sie sich Tipps von Ihren Eltern?
Ich nehme gerne Tipps von allen an. Mit meinen Eltern telefoniere ich viel. Allgemein telefoniere ich gerne und jeden Tag mit meiner Familie und meinen engsten Kollegen. Meine Mutter höre ich beispielsweise zwei, drei Mal am Tag. Das ist normal. Wir wollen alles voneinander wissen, erzählen uns alles. Und dann gibt es auch Tipps.

In Ihrer Doku «Beyond Breel» haben Sie von den Werten gesprochen, die Ihre Eltern Ihnen vermittelt haben: Fröhlichkeit, Glaube ...
…und Demut, ja.

Sind das die Eckpfeiler, die Sie auch Naliya weiter geben wollen?
Sicher. Und Gesundheit. Ausserdem soll sie immer wissen, woher sie kommt und dass nichts einfach gegeben wird, sondern dass man sich Dinge erarbeiten muss.

«Ich bereue nichts, was ich gemacht habe und würde mich heute noch einmal genau gleich entscheiden wie vor drei Jahren.»

Erziehen Sie sie bilingual?
In allen Sprachen. Meine Mutter redet nur Französisch mit ihr, ich versuche das auch. Zu Hause reden wir Schweizerdeutsch, in der Kita lernt sie Hochdeutsch. Und die Familie meiner Freundin spricht Italienisch mit ihr. Ich bin gespannt, was sie reden wird. Im Moment ist es nämlich gar nichts davon (lacht).

Nachdem Sie Ihr privates Glück mit Naliya vergoldet haben, scheint es, als würden Sie seit dem Wechsel auch sportlich wieder zum Glück zurück finden. Sehen wir aktuell den besten Breel Embolo seit dem Wechsel in die Bundesliga vor rund 3 Jahren?
(überlegt) Ja, ja. Es sind zwei verschiedene Starts gewesen, das muss man auch sehen. Als ich zu Schalke gekommen bin, kassierten wir gleich 5 Niederlagen. Für mich war es eine neue Liga, eine neue Mannschaft, alles war neu. Dann diese Niederlagen, in deiner ersten Phase. Das ist für dich selber, aber auch für die Mannschaft nicht einfach. Punktetechnisch war es daher sicher noch nie so gut wie aktuell.

Sie haben betont, dass man Sie bei Gladbach schnell spüren liess, dass man Sie unbedingt will und weiss, was Sie der Mannschaft bringen können. Haben Sie sich deshalb so schnell entschieden, den Wechsel zu vollziehen?
Ich habe mich einmal mit dem Trainer getroffen und dann in den Ferien mehrmals mit ihm telefoniert, ebenso wie mit dem Sportchef. Dann wusste ich schnell, was ich wollte. Aber ich habe auch immer gesagt, dass mein Verein entscheidet, und das war damals Schalke 04. Für mich war aber klar, dass wenn es für sie in Frage kommt, ich wechseln möchte. Daher bin ich froh, dass es für beide Seiten richtig war. Ich bereue nichts, was ich gemacht habe und würde mich heute noch einmal genau gleich entscheiden wie vor drei Jahren. Aber freue mich natürlich, dass es jetzt so gut läuft wie es läuft.

«Ich weiss, was ich kann und ich weiss, dass ich noch ein riesiges Potential habe»

Auf Schalke waren Sie 650 von 1000 Tagen verletzt. Wie sehr haben Sie diesen Neustart mit Gladbach gebraucht?
An diesen Verletzungen ist niemand schuld. Kein Verein, kein Physio. Ich kann niemandem böse sein. Für mich war es auf Schalke ein gutes Projekt, ich konnte sehr viel mitnehmen, sowohl als Fussballer als auch als Mensch. Dass ich jetzt aber wieder zu meinem Niveau finde, ist kein Zufall. Ich weiss, was ich kann und ich weiss, dass ich noch ein riesiges Potential habe. Ich hätte mir auch vorstellen können, bei Schalke noch drei weitere Jahre zu bleiben. Aber ich denke, es war wichtig für mich, aus dieser Komfortzone, aus dieser Negativzone, heraus zu kommen. Aus diesem ewigen «Breel ist unser Problem, wann verletzt er sich wieder?»

06.10.2019, Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach: Fußball: Bundesliga, Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg, 7. Spieltag. Gladbachs Breel Embolo (r) jubelt nach seinem treffer zum 5:1. Augsburgs Tom ...
Breel Embolo jubelt nach seinem Treffer zum 5:1 gegen Augsburg. Bild: DPA
«Ich habe jeweils sehr spannende Videositzungen mit dem Trainer, die sehr, sehr, lange gehen.»

Sie waren als Problemkind abgestempelt.
Genau. Das ist es, was mich gestört hat. Ich war natürlich auch unglücklich über die letzte Saison. Ich war mit allem unzufrieden, mit mir, aber auch mit allem Drumherum. Das ist, glaube ich, verständlich. Ich wusste, dass sich in der nächsten Saison etwas ändern muss. Ich wollte aus dieser Negativphase heraus kommen, in der immer alle sagen, ich bräuchte noch Zeit, weil ich ja verletzt war. Ich wollte nicht mehr, dass immer alle von der Vergangenheit reden. Ich habe mir etwas zugetraut. Daher war es für mich der richtige Zeitpunkt, etwas Neues zu versuchen. Ich wollte an einem Ort sein, an dem ich ein wichtiger Spieler bin und an einem Ort, wo etwas wächst und sich etwas entwickelt. Das wollte ich immer. Mir ging es nie ums Geld.

Sie waren der Rekordeinkauf, das Wunderkind, dann das Problemkind. Spürten Sie eine Last?
Eine Last spürte ich nicht, nein. Es war aber einfach so: Wenn es lief, redete niemand vom Sorgenkind Breel. Lief es nicht, war ich wieder im Fokus. Aber das ist Fussball, damit musst du umgehen können. Es bringt nichts, wenn du dich jeden Tag fragst, wieso und warum. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch. Ich finde es gut, wenn die Leute hinterfragen. Es wäre traurig, wenn ich in einem Team wäre und die Leute es okay fänden, dass ich nicht spiele. Dass ist ein gutes Zeichen, dass die Leute immer und immer mehr verlangen. Das schätze ich und es zeigt, dass ich in der Vergangenheit sehr viel richtig gemacht habe.

«Ein Top-Top-Spieler hat jede Minute eine gute Szene oder eine, die der Mannschaft hilft. Daran muss ich arbeiten.»

In Gladbach sind Sie schnell angekommen und man hat das Gefühl: Rose und Embolo, die sind für einander gemacht.
Er redet sehr viel mit mir, kritisiert oft mein Spiel und verlangt viel von mir. Ich habe jeweils sehr spannende Videositzungen mit dem Trainer, die sehr, sehr, lange gehen. Nur so kann ich aber alles richtig wahrnehmen und liefern.

Haben Sie aber gedacht, dass Sie sich so schnell so gut einfügen?
Es war nicht erstaunlich für mich, was hier auf mich zukommt. Der Unterschied war auch nicht so gross, wie wenn ich nach Berlin oder München gegangen wäre. Aber natürlich ist auch alles einfacher, wenn die Resultate stimmen, und die stimmen im Moment. Wir haben hier einfach eine Ruhe und eine familiäre Aura. Das spürt man einfach. Auch wenn ich sehe, wie die Fans hier reagiert haben, als wir 0:4 gegen den Wolfsberger AC verloren haben. Sie wissen, um was es geht: Um einen Prozess. Aber wir wissen alle auch, dass wir noch ein, zwei Schippen drauf legen können. Auch ich. Ein Top-Top-Spieler hat jede Minute eine gute Szene oder eine, die der Mannschaft hilft. Daran muss ich arbeiten.

Woran noch?
Am Torschuss, aber das weiss ich auch (lacht)! Mir ging es nie nur darum, einen sportlichen Schritt zu machen, sondern zu wissen, dass du gebraucht wirst und der Trainer dennoch auch deine Schwächen kennt. Mit diesem Selbstvertrauen kann ich der Mannschaft helfen. Das Wichtigste ist aber vor allem, dass ich mal wieder drei, vier, fünf Spiele am Stück machen konnte. Das habe ich aus gesundheitlichen Gründen in der Bundesliga noch nie gekonnt. Und ich bin doch schon in meinem vierten Jahr. Das muss ich mir selber immer wieder vor Augen führen.

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass die Leute vergessen, wie jung Sie noch immer sind?
(Phu) Natürlich, bin ich noch sehr jung. Aber ich finde nicht, dass die Erwartungen an mich in meinem jungen Alter zu hoch waren. Trotz 650 Tagen, die ich verpasste habe, bin ich seit vier Jahren in der Bundesliga. Ich bin manchmal selber schockiert, wie lange ich schon da bin. Aber das Schöne ist, dass ich erst 22 bin und noch 12, 14 Jahre Fussball vor mir habe. Deshalb muss man mich manchmal vielleicht eher bremsen, weil ich immer spielen und immer treffen will. Aber manchmal ist es auch gut, weniger zu spielen, erst in der Halbzeit zu kommen. Ab und zu muss man einen Schritt zurück machen und dann erst wieder zwei nach vorne. Anfangs hatte ich damit sehr viel Mühe, aber jetzt weiss ich, um was es geht. Weil ich weiss, was es heisst, 4.5 oder gar 9 Monate weg zu sein, statt nur einmal 90 Minuten.

Das klingt sehr reif. Sind Sie erwachsen geworden?
Ich war schon immer reif (lacht)! Es kommt aber sicher dazu, dass ich dazu gezwungen war, weil ich Phasen erlebt habe, die im Sport die schlimmsten überhaupt sind.

«Es wird oft so dargestellt, als würden wir gar nicht gerne zur Nati gehen.»

Sie rücken heute beim Nationalteam ein. So gut es Ihnen zuletzt bei Gladbach lief, so sehr hat man das Gefühl, dass es in der Nati nicht laufen will.
Gegen Irland fand ich es gar nicht so schlecht. Ich habe ein relativ gutes Spiel gemacht. Wenn ich etwas mehr Glück habe, gehe ich da mit einem Tor und einem Assist heim. Das darf man nicht vergessen. Aber bei der Nati wird bei unserer Mannschaft allgemein nicht mehr das Positive gesehen.

Wie meinen Sie das?
Es wird mehr über andere Themen als über Fussball geschrieben. Wir als Mannschaft spüren das natürlich auch. Es wird oft so dargestellt, als würden wir gar nicht gerne zur Nati gehen. Dabei freuen wir uns immer. Wirklich, alle. In unserem Land wird aber immer schlecht geschrieben. Es geht darum was wir anziehen, mit welchem Auto wir zur Nati kommen. Es wird das negativ dargestellt, was man bei einem Spieler negativ darstellen kann. Dabei spielen wir doch gar nicht schlecht. Seit ich dabei bin, konnten wir schon drei grosse Turniere spielen. Und wir sind immer noch die Schweiz. Wir sind nicht so gross wie Deutschland oder andere Länder.

Ireland's Seamus Coleman, left, and IJack Byrne right, fight for the ball against Switzerland's Breel Embolo, center, during the UEFA Euro 2020 qualifying Group D soccer match between the Re ...
Embolo im Spiel gegen Irland.Bild: KEYSTONE

Hatten Sie dieses Gefühl der Negativität schon immer?
Nein, am Anfang meiner Nati-Zeit habe ich eine gewisse Euphorie gespürt. Nicht nur um mich, sondern um die Mannschaft und jeden einzelnen Spieler. Jetzt aber habe ich das Gefühl, dass es jedes Mal, wenn wir zur Nati gehen, wie in einer Schlacht ist. Eine Schlacht zwischen der Nati und einigen Medien oder auch einigen Leuten draussen. Nicht nur ich empfinde so. Das ist seit etwa eineinhalb Jahren so, gerade nach der WM. Darüber wird jedes Mal wieder diskutiert, genauso wie über Kleinigkeiten und irgendwelche Nebensächlichkeiten, die nicht diskutiert werden sollten. Das beeinflusst alle.

Sie haben also das Gefühl, es nicht recht machen zu können mit der Nati?
Ich habe das Gefühl, dass gewisse Dinge nicht mehr geschätzt werden. Es wird nicht mehr sachlich über Spieler und die Mannschaft geschrieben, sondern es werden immer Dinge gesucht, die schlecht laufen. Dabei ist es nicht so schlecht, wie immer geschrieben wird. Es ist wirklich toll. Aber natürlich kann man in einem Team mit 26 Spielern nicht jeden glücklich machen. Das geht nicht. Auch in einem Verein nicht. Aber das muss man handeln können. Dass aber so etwas wie die Absage von Xherdan Shaqiri zum Thema wird, über zwei Spiele hinweg, von Montag bis Montag, finde ich schade. Das nimmt auch die Wertschätzung von jenen Spielern weg, die da sind und von jenen, die gerne da wären. Ich finde, wir können als Schweiz stolz darauf sein, was wir die letzten Jahre erreicht haben, was für eine Mannschaft und was für Spieler wir haben und wie sich diese entwickelt haben. Wenn man aber immer einredet, dass es nicht läuft, dann läuft es auch nicht.

«Diese Menschlichkeit können nur wir sehen, wenn wir mit ihm im Hotel sind und er mit uns umgeht.»

Es klingt, als würden Sie uns Medien eine Mitschuld gebe, dass momentan Einiges schief läuft.
Ich meine: Wir gewinnen 6:0 gegen Island. Ein Team, das überragend war an der WM. Und dann heisst es, Island sei nicht mehr so stark gewesen, statt dass wir gut waren. Diese Einstellung, diese Wahrnehmung, wird den Leuten dann mitgegeben von ein paar Medien. Es wäre unfair zu sagen, dass alle Medien so sind. Das ist auch nicht so. Aber viele machen uns einfach immer zum Durchschnitt. Wenn wir über 70, 80 Minuten gut sind, sehen nachher trotzdem alle nur die Momente der Fehler. Dann wird wieder alles negativ gesehen. Das ist schade. Das ist intern auch ein Thema. Auch, was mit dem Verband und den Leuten da passiert. Es geht nicht mehr um die Mannschaft. Mein Wunsch ist, dass wieder Ruhe einkehrt und alle sich wieder freuen können.

Werden in Ihren Augen auch die Qualitäten Vladimir Petkovics im Umgang mit der Mannschaft falsch dargestellt?
Ich finde schon, ja.

Wie ist denn Ihre Kommunikation mit ihm?
Wir telefonieren nicht jeden Tag, aber ich brauche das auch nicht. Ich weiss aber, dass ich ihn immer anrufen kann. Als es nicht so lief bei mir, hat er mir bewiesen, dass er an mich glaubt. Das rechne ich ihm hoch an. Aber er ist kein Mensch, der sehr viel redet und auch keiner der grossen Worte. Er zeigt auf eine andere Art, dass er seine Spieler gerne hat. Diese Menschlichkeit können nur wir sehen, wenn wir mit ihm im Hotel sind und er mit uns umgeht. Das ist seine grösste Stärke. Genauso wie seine Ruhe und der Glaube an seinen Plan. Aber etwas möchte ich noch sagen.

Bitte.
Ich wünsche mir, dass man ihm mehr unvoreingenommen zuhört, ihn zu verstehen versucht. Er wird so oft unter Druck gesetzt von den Leuten, obwohl er gute Arbeit leistet. Wenn man alleine anschaut, wie viele junge Spieler hoch gezogen werden – ich inklusive – dann ist das doch ein guter Trainer. Er weiss, wie er mit der Mannschaft umgehen soll. Sonst hätten wir meines Erachtens nicht die Erfolge gefeiert, die wir die letzten Jahre gefeiert haben. Daher glaube ich nicht, dass Petkovic uns nicht im Griff hat. Wir haben es alle sehr gut untereinander und die Chemie, die vor der WM beschworen wurde, die ist immer noch da.

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Die Schweizer Nati beim Bootsausflug auf dem Lago di Lugano
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Die Schweizer Nati beim Bootsausflug auf dem Lago di Lugano
Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön! Neun Tage vor dem EM-Start gegen Albanien entspannt die Schweizer Nationalmannschaft auf dem Lago di Lugano bei einer Bootsfahrt.
quelle: keystone / jean-christophe bott
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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gattaca
07.10.2019 07:25registriert April 2017
Was er über die öffentliche Wahrnehmung der Leistungen der Nati denkt deckt sich zu 100% mit meiner Meinung. Ich meiner Jugend qualifizierte sich die Schweiz NIE für eine EM / WM. Erst 1994 durfte ich als über 20 jähriger mit der Nati mitfiebern (WM USA, es gibt nur einen Bregy ...) Ich als Urschweizer werde den Verdacht nich los, dass es bei diesem ewigen Schlechtreden der Leistungen dieser Multikulti Mannschaft und ihres sehr guten Trainers um etwas ganz anderes als Fussball geht. Sehr schade aber leider eine Zeiterscheinung.
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Nelson Muntz
07.10.2019 06:54registriert Juli 2017
Bitte mailt eine Kopie davon an Böni und Co.
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Raembe
07.10.2019 07:34registriert April 2014
Super Interview! Ich persönlich stimme bei vielen Aussagen über die Nati zu. Aber bei der 80min Aussage weniger. Denn wenn man nach 80min noch eine 3:0 Führung aus der Hand gibt, muss das thematisiert werden.
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