Rugby-League-Profi Keegan Hirst realisierte «mit 13 oder 14 Jahren», dass er schwul ist. Er outete sich im Jahr 2015. In einem Interview spricht er nun über die Momente des Coming-outs, die schönen und die tragischen Reaktionen – und Suizid.
16.11.2019, 14:4316.11.2019, 17:48
«Wo ich herkomme, gibt es keine homosexuellen Menschen. Also versuchte ich es zu unterdrücken und hoffte, dass es weggehen würde.»
Keegan Hirstsportbible
Natürlich tat es das nicht. Keegan Hirst hatte sich 2015 als erster Spieler der britischen Rugby League als homosexuell geoutet. Vier Jahre danach spricht er im Interview mit «Sportbible», was er seither alles erlebt hat und wie es damals für ihn war.
Hirst über das Outing vor der Familie:
«Ich sagte es meiner Ehefrau zuerst, was offensichtlich ein ziemlich schwieriges Gespräch war. Ich hatte es selbst erst kürzlich verstanden. Es brauchte 27 Jahre, um zu diesem Punkt zu gelangen, und dann musste ich dies loswerden. Der Mann, mit dem sie verheiratet war und zwei Kinder hatte.»
«Zu dieser Zeit hatte ich extrem Mühe um es auszusprechen: ‹I am gay.› Also machte ich es mir etwas einfacher und sagte: ‹Ich stehe auf Typen.› Doch das machte es auch nicht besser. Wir weinten beide, aber sie kam dann irgendwann klar damit.»
Keegan Hirstsportbible
Dann, nachdem sich der Staub etwas gelegt hatte, sei sie – «verständlicherweise – ziemlich aufgeregt und wütend» geworden.
Danach sagte ich es meiner Mutter und meinem Bruder und meiner Schwester. Meine Mutter und mein Bruder hatten es nicht so gut aufgenommen.
«Zu meiner Mutter habe ich bis heute keinen Kontakt mehr.»
Keegan Hirstsportbible
Auch zu seinem Bruder habe er lange Zeit keinen Kontakt mehr gehabt, so der 31-Jährige weiter.
«Sie werden für immer meine Mutter und mein Bruder bleiben, wer weiss was eines Tages passiert. Ich habe ein schönes Leben und wenn sie nicht Teil davon sein wollen, dann ist dies ihre Entscheidung.»
Keegan Hirstsportbible
Die Schwester habe jedoch gut reagiert. «Genau wie meine Frau jetzt. Wir haben eine gute Beziehung zueinander. Wir haben zwei Kinder und kümmern uns beide um sie, das ist das Wichtigste.» Die Kinder sind 7 und 11 Jahre alt. Dem Sohn musste es Keegan ganze drei Mal erklären. Immer wieder fragte er:
«Papi, bist du immer noch schwul?»
Keegan Hirsts Sohnsportbible
Die Antwort blieb stets dieselbe.
Über das Outing vor der Rugby-Mannschaft:
Etwas betrunken sei er gewesen, denn er und drei Rugby-Kumpels hätten ein paar Drinks gehabt. Zu dieser Zeit lebte Hirst seit ein paar Monaten von seiner Frau getrennt. Er wurde etwas abenteuerlustig und begann, einige Schwulen-Bars in Leeds zu besuchen. Offenbar wurden Hirsts 193 Zentimeter irgendwo erkannt.
«Wir waren auf dem Weg zu mir nach Hause. Einer fragte: ‹Stimmen die Gerüchte, dass du schwul bist?›. Ich erinnere mich, wie ich nachdachte. Dieser Moment dauerte wohl etwa eine Millisekunde, fühlte sich aber an wie eine Ewigkeit: ‹Soll ich es zugeben? Soll ich mich outen? Oder soll ich es leugnen?›»
«Fuck it! Ja, es ist wahr.»
Einer der Jungs, der einer seiner besten Freunde ist, hätte zu weinen begonnen. Keegan fragte: «Warum weinst du?»
«Es tut mir leid, dass du da alleine durch musstest und wir nicht für dich da sein konnten.»
Keegan Hirsts Rugby-Kumpel
Dann outete sich Keegan vor seinem Coach, einer Rugby League-Legende.
«Das spielt gar keine Rolle, was du bist, Kumpel. Du bist ein Rugby-League-Spiele und mein Captain. Das ist alles, was zählt.»
John Kear, Keegans Rugby-Coach
Dies habe ihm extrem viel bedeutet, so Hirst weiter. «Vor allem, nachdem mich meine Mutter verstossen hatte.» Es bestärkte ihn im Gedanken, das Richtige getan zu haben. Keegan spielte seine beste Saison in diesem Jahr – was vor allem Coach John Kear zu verdanken gewesen sei.
Die erste Trainingseinheit nachdem es alle wussten, sei eine völlig normale Trainingseinheit gewesen, «wie jede andere auch». Nur hätten sie ab diesem Moment nicht nur Witze über dicke Leute oder solche mit einer lustigen Frisur gemacht, sondern auch Witze über Keegan und das Schwul-sein.
«Es war wie eine Taufe für mich. Wenn die Leute beginnen, Witze darüber zu machen, weisst du, dass du akzeptiert bist.»
Keiner stellte sein Benehmen ihm gegenüber um. Einige gratulierten ihm, einige schüttelten ihm die Hand, einige sagten gar nichts. Aber keiner veränderte sich, und dafür werde er für immer dankbar sein, so Hirst.
Über die Psyche:
Das Outing habe einen gemischten Effekt auf seine mentale Gesundheit gehabt. «Ich wusste nicht, wie es mit mir weitergeht, mit meinem Job, meinem Leben.»
«Ich dachte daran, irgendwo hinzufahren und einen Schlauch in den Auspuff zu stecken. Schlafen gehen und nie wieder aufwachen. Ich dachte, das wäre das einfachste.»
Keegan Hirstsportbible
Aber sein Vater sei nie da gewesen. «Das hatte grossen Einfluss auf mich, als ich aufwuchs und ich wollte nicht, dass meiner Tochter das gleiche passiert. Also habe ich mich zusammengerissen. Das war keine schöne Zeit.»
«Nothing lasts forever, whether it's good or bad.»
Keegan Hirstsportbible
Ob er etwas anders machen würde? Nein, würde er nicht. Man würde denken, «oute dich früher».
«Aber, wenn ich mich mit 18 geoutet hätte, wüsste ich nicht, ob ich weiter hätte Rugby spielen können. Ich hätte keine Kinder. Ich hätte nicht diese Karriere gemacht und diese Möglichkeiten gehabt.
Keegan Hirstsportbible
Obwohl es hart war und es einen Einfluss auf das Leben anderer Menschen hatte, worauf er «nicht sonderlich stolz oder glücklich» ist, ei er stolz darauf, dass er sich geoutet habe. Das Wichtigste, was er bei der ganzen Sache gelernt habe, sei:
«Being anything other than yourself doesn't work. And if you manage to do so, you'll be miserable.»
Keegan Hirstsportbible
(bal)
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Quelle: twitter / @AaronRhodes Reformierte sagen Ja zur «Ehe für alle»
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Bravo. Gut erkannt👍.
Weiterhin alles gute.