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2002 wurde der Schweizer Untergang im Töff-Zirkus prophezeit. Jetzt hat es womöglich zu viele Schweizer im WM-Zirkus

Lacht Randy Krummenacher auch 2015 in der Töff-WM?
Lacht Randy Krummenacher auch 2015 in der Töff-WM?Bild: Lukasz Swiderek/freshfocus
Muss Krummenacher über die Klinge springen?

2002 wurde der Schweizer Untergang im Töff-Zirkus prophezeit. Jetzt hat es womöglich zu viele Schweizer im WM-Zirkus

Bald hat es zu viele Schweizer im Töff-Zirkus. Der GP von San Marino in Misano beschert uns einen der verrücktesten Momente unserer neueren Sportgeschichte. 
13.09.2014, 21:09
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Mit Jesko Raffin (18) hat am Samstagnachmittag ein weiterer Schweizer einen Platz für die Moto2-WM 2015 bekommen. Der Höhepunkt einer verrückten Entwicklung. 

Seit 1953 haben wir in Melide unsere Schweiz im Kleinformat. Diese putzige Modellschweiz «Swissminiature» ist allerdings politisch wenig inspirierend. Aber auf der gleichen Fläche können wir heute das Erfolgsmodell Schweiz des 21. Jahrhunderts erleben. Es handelt sich um das Fahrerlager eines Töff-GP. Zurzeit ist diese Modell Schweiz hier in Misano an der Adria zu bewundern. 

In der Schweiz ist es nicht möglich, Rennen zu fahren. Die Gesetze erlauben es nicht. Unsere Asphalt-Cowboys sind also auf die Zusammenarbeit mit Europa angewiesen. Unsere Rennfahrer und ihre Manager tun dies erfolgreicher als alle Politiker. 

Tom Lüthi freut sich über Rang 3 im Qualifying.
Tom Lüthi freut sich über Rang 3 im Qualifying.Bild: EPA/ANSA

2002 sah es für die Schweiz noch düster aus

Im Frühjahr 2002 macht eine spanische TV-Station bei den Vorsaisontests im andalusischen Jerez eine Umfrage unter internationalen Journalisten. Der international renommierte Westschweizer Töff-Chronist Jean-Claude Schertenleib sagt in die laufende Kamera, dass es mit ziemlicher Sicherheit nie mehr einen Schweizer Fahrer im GP-Zirkus geben wird. Keine Rennstrecken im Land, kaum noch Talente und zu wenig Geld, um eine internationale Töff-Karriere zu finanzieren. 

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Nur drei Jahre später ist Tom Lüthi Weltmeister. Noch verrückter: An diesem Wochenende haben im Rahmen des GP von San Marino in Misano gleich vier Schweizer Piloten bereits hochoffiziell ihre definitive Teilnahme an der Moto2-WM 2015 bestätigt. Tom Lüthi (27), Dominique Aegerter (23) und Robin Mulhauser (21) im neuen «Töff-Dream Team» und das Jahrzehnt-Talent Jesko Raffin (18).  

Jesko Raffin mischt ab 2015 die Moto2-WM auf.
Jesko Raffin mischt ab 2015 die Moto2-WM auf.Bild: AP

Zu viele Schweizer könnte Krummenacher die Karriere kosten

2002 gab es keine Schweizer Fahrer mehr. Inzwischen gibt es so viele Schweizer, dass Randy Krummenacher (24) um seine Zukunft bangen muss. Weil möglicherweise 2015 nicht noch ein fünfter Schweizer zugelassen wird. Zu viele Schweizer im Töff-Zirkus – das ist einer der verrücktesten Momente unserer neueren Sportgeschichte.

Dabei gehört Randy Krummenacher zu den Besten und startet aus der dritten Reihe (9.) zum GP von San Marino (live SRF info 12.05). Damit stehen in den drei ersten Startreihen Schweizer. Tom Lüthi (3.) fährt aus der ersten und Dominique Aegerter (5.) aus der zweiten Reihe los. 

Wie ist diese Entwicklung möglich? In erster Linie ist unseren Fahrern und ihren Managern, Beratern, Techniken und Sponsoren eine europäische Integration gelungen, von der Politiker nicht einmal zu träumen wagen. Tom Lüthis Cheftechniker ist Deutscher, Dominique Aegerters gesamte technische Crew kommt aus Frankreich. Jesko Raffin bekommt seine GP-Chance in einem rein spanischen Team.  

Diskutieren in allen möglichen Sprachen: So geht es in der «Schweizer» Box zu und her.
Diskutieren in allen möglichen Sprachen: So geht es in der «Schweizer» Box zu und her.Bild: Waldemar Da Rin/freshfocus

Am Ende sagen die Schweizer, wo es lang geht

Die Schweizer arbeiten in einer Extremsportart unter maximalem Leistungsdruck über alle Sprach- und Kulturgrenzen mit ausländischen Spezialisten zusammen. Da wird in der Box schon mal berndeutsch und französisch geflucht. Aber alle raufen sich über alle Sprach- und Kulturgrenzen zusammen. Weil jeder die Eigenart des anderen versteht und akzeptiert. Hochleistungs-Multikulti.

Und am Ende sagen die Schweizer, wo es lang geht und die Rechnung bezahlen sie trotzdem nicht immer selber. Tom Lüthis Karriere wird beispielsweise zu einem schönen Teil und mit sechsstelligen Beträgen von einem österreichischen Sportwetten-Unternehmen finanziert. Die Anschub-Investition für seinen Karriere-Start kam einst aus Tschechien. Unsere Töffhelden sozusagen als die modernen, wahren Eidgenössen. 

Der Vater des Schweizer Erfolgs: Daniel M. Epp.
Der Vater des Schweizer Erfolgs: Daniel M. Epp.Bild: David Goldman/freshfocus

Kaum einer merkt, wie gut Lüthi und Co. sind

Jean-Claude Schertenleib, der Prophet des Untergangs, berichtet übrigens noch immer über den Töff-Zirkus und ist auch hier in Misano vor Ort. Warum hat er sich so getäuscht? «Ich kannte Daniel M. Epp noch nicht. Er hat Tom Lüthi eine internationale Karriere ermöglicht und Lüthis Beispiel hat eine ganze Generation inspiriert. Ohne Epp und Lüthi gäbe es auch die Karrieren Aegerter & Co. nicht.»

Gestern hat Daniel M. Epp, der Mann, der unser Töff-Wunder möglich machte, offiziell seinen Ausstieg aus dem Töff-Geschäft bekannt gegeben. Er hat ja seinen Tom Lüthi im neuen Töff-Dream Team untergebracht. Eine Epoche ist damit zu Ende gegangen und unsere Töffstars sind so gut, dass es kaum einer merkt.

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