Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich vor dem Frühling 2018 viel von einem FC Stevenage gehört habe. Damals sah ich das Gastspiel des englischen Viertligisten bei Coventry City. Vom Spiel (3:1 für Coventry) blieb mir vor allem in Erinnerung, dass ich selten eine Partie gesehen habe, die zwei so unterschiedliche Halbzeiten hatte: Spektakel pur vor der Pause, ein lahmer Kick danach.
Stevenage hatte mir keinen Grund geliefert, den Klub in Erinnerung zu behalten. Ein blasser Verein, der sich nie auch nur in der Nähe der Grossen bewegte. Und dennoch läuft er seit zwei Jahren mit Werbung des globalen Fastfood-Riesen Burger King auf.
Die Kette hätte wohl genügend Geld, um einen anderen, berühmteren Fussballklub zu sponsern. Doch die Wahl fiel auf das farblose Stevenage. Nun hat Burger King diesen Entscheid erklärt. Es ist die Geschichte einer durchwegs gelungenen Marketing-Aktion.
Die Firma benötigte einen Klub, der im FIFA-Game von EA Sports vertreten ist. Und das ist Stevenage, das nach wie vor in der League Two spielt, der vierthöchsten englischen Liga. Die Trikotwerbung war bestimmt günstiger zu haben als bei einem höherklassigen Verein.
What a whopper of a campaign this was! 😎🍔 @BurgerKing pic.twitter.com/1qJkf1Gwxc
— Stevenage FC 🔴⚪ (@StevenageFC) September 23, 2020
Es folgte der zweite Schritt der Kampagne: Burger King lancierte die «Stevenage Challenge». Gamer wurden geködert, mit Stevenage zu spielen. Schöne Tore oder grosse Triumphe sollten die Gamer in den sozialen Medien teilen. Als Prämie erhielten sie dafür Gutscheine für einen Hamburger oder andere Angebote der Restaurantkette.
«Gamer auf der ganzen Welt begannen, mit Stevenage zu spielen, gerade im Karrieremodus wurde er äusserst beliebt», erklärt Burger King in einem Video. Die Information, dass man etwas «verdient», wenn man mit Stevenage antritt, habe sich in der Gamer-Community wie ein Lauffeuer verbreitet. «Und so wurde aus unserem in der echten Welt kleinen Team das grösste der virtuellen Welt.»
Der FC Stevenage profitierte aber nicht nur online von viel Zuspruch. Viele Gamer wollten sich mit Merchandise «ihres» Klubs eindecken. So viele, dass das Trikot erstmals überhaupt in der Klubgeschichte ausverkauft war.
Aber während Stevenage in Kinderzimmern in London, Los Angeles, Luanda oder Lützelflüh mit Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo die Champions League gewinnt, ist die «Königsklasse» im echten Stevenage nach wie vor weit, weit weg. Immerhin: Dank einem 1:1 beim AFC Barrow und einem 3:0 gegen Oldham Athletic ist «The Boro» in dieser noch jungen Saison bislang ungeschlagen.
Derweil hat der Ausrüster hoffentlich genügend Shirts fabriziert. Denn nach dem jüngsten Hype, der durch das Bekanntwerden des Marketing-Coups entstanden ist, seien erneut Trikotbestellungen aus aller Welt eingetroffen, meldet der Klub.
After all the recent talk about last year's campaign with @BurgerKing, we've had orders come in from the UAE, Japan, Canada, Luxembourg, Netherlands, USA and even Woking! 🚀🌍
— Stevenage FC 🔴⚪ (@StevenageFC) September 24, 2020
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